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Die Tea-Party-Bewegung

Reaktionäre Kräfte im Aufwind

Stephen Davidson (Workers Power, USA), Infomail 513, 20. Oktober 2010

Schon seit geraumer Zeit führt in der politischen Debatte in den USA kein Weg an der Tea Party, einem Sammelbegriff für rechtspopulistische Strömungen, vorbei. Die erst kürzlich abgehaltenen Vorwahlen zum amerikanischen Kongress führten zu einer Niederlage angeblich moderater Republikaner zugunsten von Kandidaten, die mit der Tea-Party-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Die „liberalen“ Medien ließen dabei keine Gelegenheit aus, um jedem noch so unbedeutenden Wort oder Protest dieser Bewegung Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Wer sammelt sich?

Die Tea Party verkörpert eine zusehends wilder werdende Bewegung, die Verbindungen zur republikanischen Partei hat. In ihr sammeln sich nicht nur radikale Libertäre, die jegliche zentralisierte Regierung ablehnen, sondern auch fundamentalistische Christen und rechte „Interessengruppen“. Diese Teile der Bevölkerung schieben die Schuld an der Wirtschaftskrise verschiedensten Gruppen oder Personen zu: den Einwanderern, den Sozialisten, oder Obama, den sie abwechselnd als Moslem, Kommunist oder als Faschist betiteln.

Rechtspopulistische Strömungen hat es in den USA seit ihrer Gründung gegeben. Ihr Zweck ist es, die Klagen der Mittelschicht in eine Form zu gießen, welche den Profiten der Unternehmen am dienlichsten ist. Solch irrationale Bewegungen können während Wirtschaftskrisen besonders erstarken. In Zeiten, in denen eine verwirrte Mittelschicht nach Antworten sucht, auch wenn diese noch so absurd sind.

Milliardäre wie David und Charles Koch haben, zusammen mit weiteren finanzstarken konservativen Gruppen, beträchtliche Summen aufgebracht, um diese „Basisbewegung“ zu finanzieren. Die Tea Party bezahlt Busse zu Protesten, Organisatoren und Wahl-Kandidaten. So ist es nicht verwunderlich, dass es ihr in kürzester Zeit gelungen ist, eine nationale Präsenz zu etablieren und dass sich ihre und die Agenda der herrschenden Elite in den USA in weiten Teilen überschneiden. Organisatorische und finanzielle Unterstützung kommt dabei von vielen Seiten: von rechten Gruppen wie „Move America Forward“, von PR-Unternehmen wie Russo Marsh & Rogers und von Kapitalisten wie Sal Russo, die die Tea-Party-Bewegung benutzen, um progressive Politik im Keim zu ersticken und den Republikanern die Mehrheit im Senat zurückzugeben.

Basis und Ziele

Wer genau ist die Tea Party? Zu einem gewissen Teil handelt es sich einfach um den traditionellen Kern der republikanischen Partei, jene rund 18% der Bevölkerung, die aus tiefster Überzeugung rechte Politik unterstützen. Wie die New York Times berichtete, zählen v.a. weiße Männer über 45 zu den Unterstützern. Ihnen ist es gelungen, sich in den Medien als Spektakel zu inszenieren und die Republikaner weiter nach rechts zu lotsen. Da die demokratische Partei weiterhin auf Zusammenarbeit mit den Republikanern setzt, und da die Medien angeblich „beiden Seiten“ Aufmerksamkeit zukommen lässt, ist es der Tea Party überaus erfolgreich gelungen, die allgemeine Agenda eines ganzen Landes nach rechts zu verschieben. Selbst die schwache „öffentliche Meinung“ im Hinblick auf die Gesundheitsreform verblasste gegenüber der von Tea-Party-Protesten infizierten politischen Bühne.

Doch wofür genau steht die Tea Party? Dies sind genau die Leute, welche Barack Obamas Gesundheitsreform anprangerten und welche hinsichtlich der Wirtschaftspolitik außer Jammern über das Defizit im Staatshaushalt und eines fast religiösen Anbetens von Steuersenkungen nichts Neues anzubieten haben – genau jene Maßnahmen, die schon unter Bush scheiterten. Jegliche Staatsausgaben, welche nicht in Kriege fließen, werden von ihnen hysterisch als „sozialistisch“ bezeichnet. Diese Bewegung preist also genau die Agenda, welche zu dem immensen Vermögensgefälle zwischen Arm und Reich geführt hat.

Mit dem Anspruch, gegen jede Art von „Spezialinteressen“ zu stehen, attackieren sie die Gewerkschaften – insbesondere die Gewerkschaften der LehrerInnen – welche das letzte Bollwerk der Arbeiterklasse in den USA sind. Sie werden nicht müde, die Lüge zu wiederholen, dass Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche Arbeitsplätze schaffen. In Kalifornien führt die Tea Party sogar eine Millionen teure Kampagne an, die Gesetze zur Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen verhindern will.

Wie jeder Rechtspopulismus trägt auch die Tea Party ein starkes rassistisches Element in sich, mal offen und mal versteckt. Teilweise kann man diesen Rassismus als simple Reaktion auf die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der USA verstehen. Dies ist besonders deutlich daran zu erkennen, dass versucht wird, Obama die amerikanische Staatsbürgerschaft abzusprechen, und dass behauptet wird, er sei Moslem, was von immerhin 18 Prozent der Bevölkerung auch geglaubt wird.

Natürlich ist auch Islamophobie ein Eckpfeiler der amerikanischen Rechten, wie die erst kürzlich stattgefundene Debatte über ein islamisches Gemeindezentrum (Park 51) nahe Ground Zero in Manhatten anschaulich bewies. Außerdem begrüßt die Tea Party diskriminierende Gesetzgebungen gegenüber Einwanderern aus Lateinamerika, z.B. das neue „Einwanderungsgesetz“ in Arizona (Senate Bill 1070), welches Polizisten das Recht gibt, auf der Suche nach „illegalen“ Einwanderern nach rassistischer Manier Personenkontrollen durchzuführen. Weniger offensichtlich aber dennoch im Grundton rassistisch sind die Attacken auf das Sozialsystem, sind doch konservative Kreise schon seit Jahrzehnten der Auffassung, dass die meisten Sozialprogramme nur den Farbigen zugute kommen.

Auch Sexismus feiert in der Tea-Party-Bewegung fröhliche Urständ. Senatskandidaten, die mit der Bewegung assoziiert werden, wie Rand Paul und Christine O’Donnell, unterstützen das Verbot von Abtreibungen auch in Fällen von Vergewaltigung, Inzest und der Gefahr für Leib und Leben der Mutter. Selbst wenn sich der Tea Party zugehörig fühlende Persönlichkeiten wie O’Donnell und Sarah Palin selbst als Beweis dafür ansehen, dass die Bewegung nicht sexistisch ist, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Eine mit dem Anderen rein gar nichts zu tun hat. Der Sexismus in der modernen amerikanischen Rechten befindet sich in strenger Opposition zu den Rechten von Frauen – und Palin steht in diesem Kampf in vorderster Reihe.

Anti-Establishment und republikanisches Establishment

Eine grundlegende Tatsache der Tea-Party-Bewegung ist, dass sie keine geschlossene Führung hat. Die markanten Gestalten, die sich der Bewegung angeschlossen haben, waren und sind im republikanischen Establishment wohl verankert, so zum Beispiel auch Palin. Die Bewegung hat es jedoch bisher nicht geschafft, eine ernstzunehmende Führung aufzubauen. Dazu kommt außerdem, dass sie trotz ihrer reaktionären Agenda kein einheitliches Ziel hat. Schließlich machen die Forderungen nach Steuersenkungen und weniger Einmischung durch den Staat noch kein politisches Programm. Dieser formlose Charakter macht die Tea Party zu einem Hauptziel von rechten Demagogen.

Ist die Tea Party also eine faschistische Gruppierung? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir zuerst fragen, was Faschismus tatsächlich ist. In seinem Klassiker „Was nun? – Schicksalsfragen des deutschen Proletariats“ (1932), beschreibt Leo Trotzki den Faschismus als die durch das Kapital in Bewegung gesetzten „Massen des verdummten Kleinbürgertums [...], die Banden deklassierter, demoralisierter Lumpenproletarier“ zum Zwecke eines Bürgerkriegs gegen die Arbeiterbewegung. Obgleich es zweifelsohne ein gewisses Element von „verdummtem Kleinbürgertum“ innerhalb der Tea Party gibt und sie den Gewerkschaften ausgesprochen feindselig gegenüber steht, so versucht sie dennoch nicht, die Arbeiterorganisationen mit Gewalt aufzulösen, so wie das die faschistischen Banden in Deutschland und Italien in den 1920ern und 30ern taten.

Es gibt in den USA im Moment keinerlei Anzeichen für einen bewaffneten Bürgerkrieg und tatsächlich wird die Tea Party wieder aktiv in den republikanischen Elektoralismus zurückgeführt – sofern sie diesen überhaupt je verlassen haben sollte. Nichtsdestotrotz stellt die Tea Party einen bedeutenden Schritt hin zu rechtsextremer Organisation dar. Falls sich die Krise verschärft und es dadurch zu einem Erstarken der Arbeiterbewegung kommt, so könnte sich die Tea Party als Basis einer zukünftigen faschistischen Bewegung herausstellen. Im Moment jedoch befindet sie sich noch nicht an diesem Punkt.

Wie also können wir die Tea Party stoppen? Durchgedrehte Mittelschichtsbewegungen wie die Tea Party leben vom Elend der Menschen. Sie werden von den Republikanern benutzt, um die Demokraten von der Macht zu verdrängen – die beteiligten Menschen allerdings können leicht in gewalttätige und faschistische Zusammenhänge gezogen werden. Die Tea-Party-Bewegung wächst als Resultat der Krise des amerikanischen Kapitalismus.

Die ArbeiterInnen können aber nicht auf die Demokraten setzen, welche genau die gegenteilige Rolle der Tea Party im amerikanischen Politdrama spielen. Sie sind eine Partei der Herrschenden und die von ihnen verabschiedeten Rettungspakete waren keine Ausnahmefälle. Es ist die Aufgabe der demokratischen Partei, die Arbeiter zu beruhigen und als eine Art Sicherheitsventil zu fungieren, falls der soziale Druck im Kapitalismus zu hoch wird.

Die Rettungspakete für Banken, die Gesundheits-„reform“ welche nur ein Geschenk an die Versicherungen ist, und die allgemeine Reaktion der Regierung auf die Wirtschaftskrise – all dies schreit nach Empörung und Widerstand. Allerdings in einer Art und Weise, die der Arbeiterklasse nutzt, und nicht der Tea Party-Plattform, die den Reichen im Land wie gerufen kommt. ArbeiterInnen und die Jugend brauchen ihre eigene revolutionäre Partei, nicht nur, um der Tea Party etwas entgegenzusetzen, sondern um die soziale Krise und das System, welches sie hervorbringt, zu bekämpfen.

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