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IG Metall

Wer diesen Vorsitzenden hat, braucht keine Feinde

Martin Suchanek, Infomail 480, 19. April

„Ich bin nicht Chavez, in bin Huber“ - unter diesem Titel veröffentlichte „Die Zeit“ ein ausführliches Interview mit dem IG Metall-Vorsitzenden (siehe: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/interview-berthold-huber-ig-metall; Zitate aus diesem Artikel).

Was Huber in diesem Interview erzählt, ist für kritische GewerkschafterInnen weder neu noch besonders originell. Auch mit Hugo Chavez, der bei allen Schwächen für pointierte und scharfe Äußerungen gegen Imperialismus und Kapitalismus bekannt ist, hat ihn bislang niemand verwechselt.

Aber das Interview gibt einen guten Einblick in die Weltsicht der deutschen Gewerkschaftsführer. Bisher hat Huber die Politik der IG-Metall offen verteidigt und nicht etwa wie manche seiner Adlaten, die enge Zusammenarbeit von Regierung und Gewerkschaft seit Ausbruch der Krise verschwiegen. Huber ist Klassenzusammenarbeit nämlich nicht peinlich. Er ist stolz darauf. Bestes Verstehen mit „Kanzlerin und dem Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann” - schickt sich das für einen Gewerkschafter? Braucht das die IG Metall? fragt „Die Zeit“.

Klar, so Huber, “Kommunikationswege” sind wichtig - erst recht, wenn Leute wie Merkel und Rüttgers “einen guten Job machen”.

Überhaupt, wer soll über die IG Metall-Politik groß mäkeln, fragt Huber zurück. Dass Deutschland so gut über die Krise komme, dass es nur wenig Anstieg der (offiziell registrierten) Arbeitslosigkeit gegeben hat, dass alles bisher recht ruhig über die Bühne ging, das hat der Standort schließlich nicht nur der Regierung, sondern auch der IG-Metall und Hubers Politik zu verdanken.

“Die Umwelt-Prämie ist auf unserem Mist gewachsen. Wir haben auch die Verlängerung der Kurzarbeit angeschoben. Entschieden hat die Politik, aber die Grundsätze kamen von uns.”

Selbstverständlich kann er auch für den letzten Tarifabschluss nur lobende Wort finden. Schließlich hätten viele Beschäftigte Dank Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverzicht und Kurzarbeit wenigstens ihren Job behalten - und das ganz ohne Kampf.

Auch die Kapitalisten hätten Huber dafür Anerkennung gezollt: „Das war das cleverste, was ihr je gemacht habt.” Das findet auch Huber.

In der Krise ist eben mehr nicht drin. Da ist Huber anders als Chavez und sonstige Schaumschläger. Schließlich verfolgt der Gewerkschaftschef auch ein längerfristiges, geradezu staatsmännisches Ziel:

“Wir dürfen eine Industrie mit den meisten Patenten nicht hergeben, so wie wir die ganze Elektronikindustrie verloren haben. Deutschland kann in der Elektroautomobilindustrie eine führende Rolle spielen, wenn die Hersteller begreifen, dass das eine gemeinschaftliche Aufgabe ist. Wir stehen vor der Frage, ob wir die industrielle Substanz in Deutschland erhalten wollen - oder aufgeben.”

Hier spricht Huber offen aus, wer und was für ihn an erster Stelle steht - die Verteidigung des Standorts Deutschland, der Erfolg des deutschen Kapitals in der Weltmarktkonkurrenz. Und dafür, davon ist Huber überzeugt, werden die Beschäftigten als Ausbeutungsmaterial weiter gebraucht, wenn auch mit geringeren Löhnen und größerer Arbeitshetze. „Wenn wir eine Krisensituation in der Automobilindustrie haben, setzt das hohen Forderungen und Arbeitskampfmaßnahmen enge Grenzen.”

Krise ist eben Krise und daher ist jetzt auch nicht mehr drin, als Huber mit den Bossen auskaspert.

Vom Eigenlob zur Lüge

Bei so viel Eigenlob für die Politik der IG Metall-Spitze und seiner selbst, kann Huber nicht umhin, auch noch ein paar dicke Lügen aufzutischen. Seine „Kampftaktik“ in der letzten Tarifrunde hätte „hohe Zustimmung erfahren (...) bei unseren Mitgliedern”, die nun mal vor allem “sichere Arbeitsplätze und sichere Einkommen” wollten.

So verklärt Huber den Abschluss auch noch zum Ausdruck des Gesamtwillens der Mitglieder, ja überhaupt der Beschäftigten. Daran kann sich selbst Hugo Chavez ein Beispiel nehmen, bei Huber ginge es nämlich demokratisch zu. „Die Willensbildung in der IG Metall läuft von unten nach oben.”

Klar! Deshalb gab es vor der letzten Tarifrunde praktisch keine Debatten, deshalb werden die Bevollmächtigten der IG Metall-Verwaltungsstellen ja auch nicht gewählt, sondern von oben ernannt, deshalb droht oppositionellen Listen und kämpferischen GewerkschafterInnen, die sich mit den Segnungen der Huberschen Politik und Demokratie nicht abfinden wollen, ja auch der Ausschluss aus dieser Gewerkschaft! Huber verwendet im Interview einen alten Trick der Gewerkschaftsbürokratie. Die Entscheidungen, die im kleinen Kreis unter Ausschaltung und Umgehung jeder realen Demokratie und Diskussion gefällt wurden, werden nach ihrer Umsetzung und passiven Hinnahme („hohe Zustimmung“) als „Wille der Mitglieder“ verkauft.

Dieser politische Taschenspielertrick darf nicht blind machen gegenüber den realen Verhältnissen in diesem Laden. Vor allem aber darf er nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hubers Politik und die der gesamten Gewerkschaftsbürokratie zu einer Schwächung der Arbeiterklasse und auch der Gewerkschaften geführt hat und weiter führen wird.

Die Flucht in eine immer engere Bindung an die Verwertungsinteressen des Kapitals, die Verteidigung des Standortes und der Exportwirtschaft bedeutet, dass sich die Gewerkschaft immer mehr dem Kapital unterordnet und dass sie einen „Kompromiss“ überhaupt nur noch für immer kleinere Teile der Arbeiterklasse organisieren kann. Ihre Politik lässt nicht nur die Erwerbslosen und die zunehmende Zahl von prekär Beschäftigen in Leiharbeit und befristeten Arbeitsverhältnissen im Regen stehen - sie zerstört letztlich auch die Kampfposition der (noch) „Vollbeschäftigten“.

Immerhin: Huber hat an seinen Absichten, an seiner Politik keinen Zweifel gelassen. So offen wie er seine Politik vertritt, so offen müssen wir sie bekämpfen!

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