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Streik bei der Lufthansa

Schwere Turbulenzen

Hannes Hohn, Infomail 470, 23. Februar 2010

Am Montag streikten die Piloten der Lufthansa. Hunderte Flüge fielen aus, die Airports meldeten Chaos. Während etliche Reisende einfach auf die Bahn umsteigen, kommt die Lufthansa-Führung nicht so einfach aus der verzwickten Lage. Der Streik kostet sie täglich etwa 25 Millionen Euro und eine Menge Image - und all das, nachdem die Krise auch die Fluggesellschaften arg gebeutelt hat. Der Streik könnte zum größten werden, den die Lufthansa in ihrer 80jährigen Geschichte erlebt hat.

Inzwischen hat Cockpit allerdings auf eine einstweilige Gerichtsverfügung reagiert und den Streik bis zum  8. März ausgesetzt.

Worum geht es?

Bis heute gilt die 1994 aktualisierte - unbefristete - Fassung des „Konzern-Tarifvertrags Cockpitpersonal“ (KTV). 1992, mitten in einer Krise von Lufthansa, hatte der damalige Lufthansa-Chef Weber (heute Aufsichtsratsvorsitzender) die Piloten-Gehälter um 30% gekürzt. Im Gegenzug erreichte Cockpit, dass auch den Piloten der Lufthansa-Töchter dieser Tarif gezahlt wird. Ausnahmen gab es nur für kleinere Jets bis 70 Plätze. Diese Regelungen waren wichtig, um zu verhindern, dass die „teueren“ Lufthansa-Piloten durch billigere Piloten ersetzt oder die Flüge überhaupt an billigere Tochter-Gesellschaften ausgelagert werden.

Damals gab die massive Konkurrenz der Billig-Flieger noch nicht und der Flugverkehrsmarkt expandierte fast kontinuierlich. Doch aktuell hat dieses Wachstum durch die Krise eine Delle erhalten, die Billigflieger üben einen enormen Konkurrenzdruck aus. Seit den 1990ern hat die Lufthansa zudem eine erhebliche Zahl anderer Airlines übernommen bzw. Anteile erworben und eigene Billig-Töchter gegründet.

Dieser wirtschaftliche Hintergrund animiert einerseits den Konzern dazu, Einsparungen vorzunehmen, andererseits zwingt er die Piloten, ihre Arbeitsplätze und Einkommen gegen Dumping-Konkurrenz zu verteidigen.

Die Pilotengewerkschaft Cockpit vertritt als berufsständige Vereinigung nur Piloten und Flugingenieure (insgesamt über 8.000), nicht jedoch Stewardessen oder Bodenpersonal. Die Lufthansa beschäftigt ca. 4.000 Piloten, die im internationalen Vergleich gut verdienen. Spitzenverdiener kommen auf bis zu 200.000 Euro jährlich, das Gros verdient allerdings deutlich weniger.

Den Piloten geht es v.a. darum, dass der alte Vertrag weiter gilt und auch für ausländische Beteiligungen von Lufthansa bindend bleibt bzw. wird. Die Geschäftsführung hingegen geht davon aus, dass Tarifverträge nur im Inland gelten und bei ausländischen Tochtergesellschaften daher die landesüblichen Tarife verbindlich seien, die fast immer unter denen Lufthansa Deutschland liegen.

Über diese Fragen wird nun schon seit Monaten gestritten. Da eine Einigung nicht in Sicht war, wurde nun gestreikt - obwohl Cockpit zu erheblichen Zugeständnissen bereit war. So erklärte man, auf die angepeilte Tariferhöhung von 6,4% zu verzichten, war zu verlängerten Arbeitszeiten bereit und schlug vor, die billigere Bezahlung auf Maschinen bis zu 90 Plätzen auszuweiten. Im Gegenzug wollte Cockpit eine Arbeitsplatzgarantie für die Jobs in Deutschland und die Ausweitung des KTV auf andere Lufthansa-Gesellschaften.

Doch die Lufthansa war dazu nicht bereit. Sie versucht nun, per Gerichtsentscheid eine Lösung zu ihren Gunsten zu erreichen. Dabei argumentiert der Vorstand u.a. , dass Cockpit sich in die Belange der Geschäftsführung einmische. Die Forderungen von Cockpit - und damit der Streik - wären dann rechtswidrig.

Auf seine Art hat das Lufthansa-Management „recht“. Dass Gewerkschaften oder Betriebsräte Einfluss darauf haben, welche Auslagerungen ein Konzern vornimmt oder welche anderen Unternehmen zu welchen Bedingungen übernommen werden sollen, sieht das Tarifrecht nicht vor. Tarifverhandlungen oder die „Mitbestimmung“ hätten sich auf Dinge wie Arbeitsbedingungen, Bezahlung zu beschränken. Alles andere ist „Chefsache“. Es geht also tatsächlich um die Frage, wer die Unternehmenspolitik bestimmt, wer darüber entscheidet. Der Streik hat sicher nichts mit einer besonderen Radikalität oder Weitsicht von Cockpit zu tun, wohl aber mit der Tatsache, dass die Veränderungen der Branche es den Konzernen ermöglichen, bestehende Tarife durch Auslagerungen auf Tochtergesellschaften etc. zu unterlaufen und so die Beschäftigen noch mehr unter Druck zu setzen.

Der Streik zeigt auch, dass der Kampf um Löhne, Arbeitsbedingungen usw. in der Luftfahrt-Branche immer härter wird - obwohl es sich dabei um einen Markt handelt, der Wachstumsraten aufweist, von denen viele andere Branchen nur träumen können. Doch die wachsende Konkurrenz verschärft nicht nur den Kostendruck, sie führt auch dazu, dass einige wenige Großunternehmen riesige Allianzen um sich gebildet haben, die den Markt dominieren. Doch um die in den letzten Jahren gewachsene Billigkonkurrenz aus dem Feld zu schlagen, müssen die global flyer nun zunehmend deren Billig-Tarife übernehmen - bei den Ticketkosten wie bei den Tarifen der MitarbeiterInnen.

Gerade im Flugwesen - bei den Fluggesellschaften wie bei den Flugzeugherstellern - ist der Prozess der Konzentration und Zentralisierung des Kapitals deutlich spürbar. Zugleich wird massiv versucht, den Anteil des variablen Kapitals, also der Löhne, zu drücken.

Winfried Streicher, der Präsident von Cockpit, erklärt in SPIEGEL-ONLINE (22.2.), worum es im Streik geht und wie die Situation ist: „Wir verhandeln seit 2004 mit der Lufthansa darüber, in welchen Strukturen wir arbeiten sollen. Der Konzern hat 2007 und 2008 ein Rekordergebnis erzielt, und auch 2009 wird es keine roten Zahlen geben. (...) Wir haben stets deutlich gemacht, dass wir zu Nullrunden und Zugeständnissen bei der Produktivität bereit sind. Wir wollen aber dafür die Zusage, dass unsere Arbeitsplätze sicher sind. Gucken Sie sich doch die ehemaligen Mitarbeiter von BenQ in München oder Nokia in Bochum an. Die haben Zugeständnisse gemacht, aber keine Sicherheiten bekommen. Tja, und dann waren ihre Arbeitsplätze ganz schnell futsch oder in Rumänien. (...) Wenn die Lufthansa weitere Airlines kauft, etwa aus Osteuropa, fliegen wir bald alle zu Dumpinglöhnen.“

Die Politik von Cockpit

Wie oben erwähnt ist Cockpit keine „normale“ Gewerkschaft, sondern die Vertretung einer kleinen, privilegierten Gruppe der Arbeiteraristokratie. Ähnlich den Fluglotsen oder der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) haben sie trotz ihrer geringen Größe enorme Kampfkraft, weil sie zentrale Bereiche des Verkehrswesens lahmlegen können.

Wie zuletzt der erfolgreiche Streik der GdL bewies, geht es in den Kämpfen dieser Lohnabhängigen auch um die Sicherheit der Reisenden (Arbeitszeiten, Ruhepausen, Wartung usw.), die bei der Jagd nach Profit und steigenden Börsenwerten immer mehr unter die Räder zu geraten drohen.

Der Cockpit-Streik zeigt auch sehr deutlich, dass es in Zeiten der Internationalisierung -  also der globalen Aktion des Kapitals - immer weniger Sinn macht, Tarifpolitik auf nur nationaler Ebene zu betreiben. Cockpit hatte im KTV dieses Problem richtig erkannt und auf konzernweit gültige Standards gedrängt.

Doch die Politik von Cockpit ist auch in mehrfacher Hinsicht begrenzt, ja borniert. Schon die Tatsache, dass sie eine Separat-Politik nur für die Piloten betreibt, ist falsch. Sie spaltet damit die Beschäftigten in der Branche und „erlaubt“ dem Management somit, andere Beschäftigte massiv auszubeuten, so z.B. die Gepäckabfertiger, Reinigungspersonal, Catering u.a.

Diese Spaltung ist sicher nicht nur Schuld von Cockpit, sondern auch der anderen der DGB-Gewerkschaft an den Airports und bei den Linien, von verdi. So schweigt sich verdi geflissentlich aus über den Streik. Es gibt nicht einmal eine Protestresolution gegen das Anrufen der Gerichte durch den Lufthansa-Vorstand! Andererseits hat sich auch Cockpit mit den verdi-Kämpfen (z.B. bei Easyjet, wo nach Jahren überhaupt erst Betriebsräte durchgesetzt werden konnten und erste Streiks stattfanden).

Obwohl Cockpit bzw. die Piloten in den vergangenen Jahren immer stärker unter Druck geraten sind, gibt es auch keine grundsätzliche Kritik daran, dass der Luftverkehr privat organisiert ist.

Sieg den Piloten!

Trotz dieser ständischen, reformistischen Politik von Cockpit, ist der Streik der Piloten berechtigt und muss unterstützt werden!

Ihr Kampf zielt in dieselbe Richtung wie die Kämpfe vieler anderer Beschäftigter, er richtet sich gegen die Aushebelung des Tarifsystems, gegen Lohndumping und die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen.

Wir fordern deshalb alle Beschäftigten im Flug- und Verkehrswesen - besonders die Fluglotsen und das Bodenpersonal - auf, den Cockpit-Streik zu unterstützen! Die Ausweitung des Streiks ist durchaus realistisch, weil sich Lufthansa weigert, mit dem Kabinenpersonal über Tarifverhandlungen zu sprechen. Deshalb könnten auch die Stewardessen in den kommenden Wochen streiken, erklärte die „Unabhängige Flugbegleiter Organisation“ (UFO) am Montag.

Daher müssen die Kämpfe dieser beiden Bereiche eng verzahnt werden!

Vor allem aber müssen Gewerkschaftsmitglieder in ver.di dafür kämpfen, dass ihre Führung mit der Schweigpolitik der letzen Wochen bricht, sich mit den Piloten solidarisiert und eine gemeinsame Kampffront aufbaut.

Zweitens muss der Kampf auch politisch gegen die gerichtliche Einschränkung des Streikrechts geführt werden. Der Fall Cockpit zeigt, dass die Gerichte, dass der deutsche Staat inkl. „Vermittlern“ wie Verkehrsminister Ramsauer (CSU) alles andere als „neutral“ sind, sondern die demokratischen Rechte der Beschäftigten im Kampf um ihre Existenzsicherung massiv einschränken. Cockpit ist ja schließlich nicht die erste Gewerkschaft, die mit der Illegalisierung ihres Kampfes bedroht wird. Auch im GdL-Streik haben die Gerichte massiv eingegriffen. Wenn ein Arbeitskampf der Piloten und Lockführer wegen „Unverhältnismäßigkeit“ - also großer Wirkung! - verboten werden kann, so kann das auch andere Gewerkschaften und Branchen treffen! Dieser Anschlag auf die Rechte der Arbeiterklasse geht daher alle an - und muss von allen Gewerkschaften mit Demonstrationen und Arbeitskampfmaßnahmen beantwortet werden!

Perspektive

Natürlich geht es beim Streik nicht nur um Löhne und Arbeitszeiten. Der Streik ist selbst Ausdruck eines größeren Problems; nämlich der Frage, wie das Transportwesen im Sinne der Beschäftigten, der Kunden, im Sinne von Rationalität und Umweltschutz organisiert werden muss.

Der Luftverkehr ist einer der größten Klima-Killer - schon deshalb ist diese Frage höchst bedeutend. Der widersinnige Konkurrenzkampf hunderter Fluggesellschaften, die damit verbundene unökonomische Struktur von Fluglinien, Flugplatznutzung, Buchungssystemen, Logistik usw. usf. zeigen augenfällig, dass der privatwirtschaftlich organisierte Luftverkehr ungeeignet dafür ist, dieses Verkehrssegment sinnvoll zu organisieren.

Deshalb müssen alle großen Verkehrsträger unter Arbeiterkontrolle verstaatlicht werden! Für den Flugverkehr, also das Reisen mit CO2-Bombern, würde das z.B. zuerst bedeuten, dass Inlandsreisen statt mit dem Flugzeug mit der Bahn erfolgen und das geschäftliche Hin-und-her-Gejette von Managern und Bossen unterbunden wird. Die Beschäftigten, die NutzerInnen und die Arbeiterbewegung müssen eine Verkehrsplanung erarbeiten, welche die jeweils sinnvollste Verkehrsart und deren Verknüpfung fördert, unnützen Verkehr minimiert und alle Verkehrsmittel streng ökologisch modifiziert.

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