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China

Ethnische Spannungen in Urumtschi - Aufstände in der Provinz Xinjiang

Peter Main, Infomail 437, 14. Juli 2009

Die amtlichen Zahlen sprechen von 158 Toten und über 1.000 Schwerverletzten. Inoffiziellen Berichten zufolge - vor der Kappung des Internets durch den Staat - soll es sogar etwa 600 Todesopfer gegeben haben, in der Mehrzahl Uiguren. Beide Statistiken jedoch machen deutlich, dass es sich nicht um einen zufälligen Zusammenstoß zweier ethnischer Gemeinden gehandelt haben kann, sondern um die blutigsten Szenen einer sozialen Unruhe in China seit dem Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens vor 20 Jahren.

Kurzfristig und auf lokaler Ebene könnten diese Ausschreitungen als Ergebnis von Spannungen in einer Großstadt gesehen werden, die im letzten Jahrzehnt rasend schnell gewachsen ist, so dass die angestammte Bevölkerungsgruppe, die Uiguren, zu einer kleinen und verarmten Minderheit in einem nun hauptsächlich von Han-Chinesen bewohnten Lebensraum geworden ist. Doch ausschließlich lokale Spannungen würden niemals zu einem solchen Blutbad mit hunderten Opfern führen. Hier müssen tiefere Kräfte am Werk  sein. Auch die vorzeitige Abreise des chinesischen Ministerpräsidenten Hu Jintao vom G8-Gipfel in Italien macht dies deutlich.

Sowohl die Bewegung in der Bevölkerung wie auch die Armut der Uiguren sind Produkte der Restauration des Kapitalismus in China und von Pekings Politik der Machtkonsolidierung in Chinas Randgebieten. Der Lauf der Ereignisse verdeutlicht dies.

Die Provinz Xinjiang ist Chinas westlichste Provinz und war stets eine der am schwächsten entwickelten und ärmsten Regionen. Als Folge davon kamen sehr viele junge uigurische ArbeiterInnen als Nachschub in die boomenden Stadte der Ostküstenprovinzen. Die Lebensmittelstände auf den Bürgersteigen bieten vom Islam erlaubte Nahrung an und tragen damit der Religion und den Essgewohnheiten der Bauarbeiter dieser Bevölkerungsgruppe Rechnung.

Vor zwei Wochen stellte der Besitzer einer Spielzeugfabrik in Schaoguan, einer Stadt in der Guangdong-Provinz, die vom Kollaps von Chinas Exporthandel betroffen war, eine Schicht von ArbeiterInnen aus Xinjiang zu geringeren Löhnen ein als die ArbeiterInnen vor Ort dies hinnehmen wollten. Daraufhin tauchte das Gerücht auf, Uiguren hätten Han-chinesische Frauen vergewaltigt. Dies führte zu Übergriffen gegen die Uiguren, wobei zwei von ihnen getötet wurden. Dies wurde gefilmt und ins Internet gestellt. Die Ermordung von uigurischen Wanderarbeitern löste wiederum die uigurischen Protestdemonstrationen in Urumtschi aus.

Die Ortspolizei sah diese Demonstration als ungesetzlichen Angriff auf die Staatsautorität an und zerstreute sie gewaltsam. Erst dann wendeten sich die uigurischen Protestierenden gegen die Han-chinesische Bevölkerung, die sie als privilegierte Neuansiedler betrachtet. Natürlich ist diese Gewalt fehlgeleitet und vertieft fast unvermeidlich die Spaltungen in der Stadt, aber ebenso auch die Privilegien für eine Bevölkerungsgruppe wie die zwangweise Umsiedlung einer anderen Gruppe.

Wie und warum sind die Uiguren im eigenen Land zu einer Minderheit geworden? Weshalb sollten Millionen Han-Chinesen im vergangenen Jahrzehnt plötzlich den Entschluss fassen, in eine der am wenigsten entwickelten Regionen des Landes abzuwandern? Die Antwort ist sowohl wirtschaftlicher wie strategischer Natur. Unter den Ebenen und Wüsten von Xinjiang befinden sich riesige Vorräte an Öl,.Gas und Kohle, also lebenswichtige Rohstoffe für die wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl Peking und die herrschende KP vorgibt, die Rechte der nationalen Minderheiten zu achten, unterwirft ihre Ideologie von der „chinesischen Nationenfamilie“ alle Minderheiten den dominanten Han-Chinesen. Diese Ideologie geht nicht etwa von einer „asiatischen Nationenfamilie“, sondern von einer „chinesischen“ aus, und „chinesisch“ bedeutet in dem Fall einfach „Han“.

Folglich will die Zentralregierung auch die Ausbeutung der Bodenschätze nicht der Kontrolle der alteingesessenen Bevölkerungsgruppe, den Uiguren, überlassen. Für die KP sind dies chinesische Ressourcen und müssen somit für Chinas Entwicklung verwendet werden. Regionale Entwicklungen könnten leicht zu einer materiellen Grundlage für die Abspaltung eines uigurischen Staates von China führen. Demzufolge wurde den Han-Chinesen, die vielfach aus ihren Dörfern durch die industrielle Entwicklung vertrieben wurden, eine Verbesserung der Lebensumstände als Anreiz für die Übersiedlung nach Xinjiang in Aussicht gestellt. In der Provinz bilden diese Zuwanderer nun eine Mehrheit, die auf Städte konzentriert ist und überdurchschnittlich von dem neuen Wirtschaftsfortschritt begünstigt ist. Außerdem liefert eine riesige neue Rohrleitung von 4.200 Km Gas aus dem Tarim-Becken für Chinas Industrie. Der militärische Schutz dieser strategischen Einrichtung wird von der Pekinger Regierung als weiterer Grund für die Stärkung ihrer unmittelbaren Kontrolle der Provinz erachtet.

All das bildet den übergreifenden Zusammenhang, in dem dieses Blutbad verstanden werden muss. Die Uiguren sind eine unterdrückte Volksgruppe, denen der Zugang zu den Rohstoffen des eigenen Landes systematisch verwehrt wird, die daran gehindert wird, ihr eigenes kulturelles, im wesentlichen islamisches, Erbe frei auszuüben und die als Arbeitskräftereservoir für Chinas kapitalistische Entwicklung überausgebeutet wird. Für revolutionäre KommunistInnen, aber auch für aufrechte DemokratInnen verdienen alle Kämpfe gegen solche Formen der Unterdrückung bedingungslosen Rückhalt.

Selbst wenn die Methoden der Bewegungen zur nationalen Befreiung nicht die unsrigen sein mögen, erkennen wir doch das Recht jener Bewegungen an, ihre Unterdrückung mit allen Mitteln zu bekämpfen. Die Gewalt der Unterdrückten darf nie mit der Gewalt der Unterdrücker gleichgesetzt werden!

In China wie in allen Vielvölkerstaaten müssen KommunistInnen für alle Völkerschaften und Nationalitäten nicht nur Gleichbehandlung in allen gesellschaftlichen Bereichen fordern und für sie eintreten; sie müssen auch das Recht auf Selbstbestimmung der unterdrückten Nationalitäten bis zu und unter Einschluss von Abtrennung in Form eines Separatstaates unterstützen, sofern jene das wollen. Das ist die alleinige Grundlage für den Aufbau einer Arbeiterbewegung, die solche Spaltungen, die kapitalistische Ausbeutung wie auch die staatliche Unterdrückung überwinden kann.

Die Liga für die Fünfte Internationale tritt ein für:

Nieder mit der bürokratischen Diktatur!

Nieder mit der nationalen Unterdrückung!

Für das Recht auf Selbstbestimmung aller unterdrückten Völkerschaften!

Für eine revolutionäre Arbeiterpartei in China!

Für eine Arbeiterrepublik in China und eine Föderation von asiatischen Arbeiterstaaten!

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