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EGB/DGB demonstrieren

Doch wo bleibt der Mobilisierungsplan der Gewerkschaften?

Martin Suchanek, Infomail 427, 19. Mai 2009

Über 300.000 ArbeiterInnen und Angestellte gingen in Berlin, Brüssel, Madrid und Prag am letzten Wochenende auf die Straße. Allein in Berlin waren es rund 100.000. Die TeilnehmerInnen kamen meist aus Betrieben und dem Öffentlichen Dienst. Oft waren große Teile von Belegschaften mit eigenen Transparenten und Gewerkschaftsfahnen vertreten. Auf der Route vom Zoologischen Garten gingen die Beschäftigten von Continental an der Spitze.

Allerdings: Es waren – verglichen mit dem 28. März – relativ wenige Erwerbslose und auch ein weit geringerer Anteil, ja wohl auch eine weit geringere Zahl von DemonstratInnen aus den ostdeutschen Bundesländern.

Demonstration der Kernschichten

Kurzum, die Berliner Manifestation war eine Demonstration der gewerkschaftlich organisierten und sozialdemokratisch dominierten bzw. kontrollierten Kernschichten der Klasse.

Gut daran ist zweifellos, dass diese Kernschichten zum ersten Mal bundesweit gegen die Kosten der Krise auf die Straße gingen und in großer Zahl mobilisiert wurden.

Zugleich zeigt ein Vergleich der Zusammensetzung und des politischen Inhalts, der Parolen und Reden vom 28. März und vom 16. Mai nicht nur einen scharfen Kontrast, sondern auch, dass wir es nicht mit „einer“ Bewegung, sondern mit „Strömungen“ zu tun haben, die voneinander getrennt sind.

Auf der einen Seite ein kämpferischeres, anti-kapitalistisches Milieu, das nur mit (kleineren) Teilen der kämpferischen Arbeiterschaft verbunden ist, das jedoch politisch die Krise als Systemkrise betrachtet und sich nicht auf die Forderung nach einer besseren Regierungspolitik kapriziert, wie es die Führungen der Gewerkschaften mit ihrem mantra-artigen Einfordern eines „größeren“ Konjunkturprogramms für „unsere Wirtschaft“ wollen.

Auf der anderen Seite die DGB-Gewerkschaften, die nach wie vor SPD-dominiert sind, mit dem Juniorpartner Linkspartei.

Diese Trennung zeigte sich auch darin, dass die klassenkämpferischen oder anti-kapitalistischen DemonstrantInnen und Blöcke, die am 28. März auf die Straße gingen und damals das Bild der Demos dominierten, deutlich schwächer in Erscheinung traten.

Bis zu einem gewissen Grad war und ist das unvermeidlich angesichts des realen Zugriffs und der realen politischen Hegemonie der Gewerkschaftsbürokratie über die Masse der Arbeiterklasse.

Diese Führung hat kein wirkliches Interesse an einem gemeinsamen Kampf, den sie - wie Sommers berühmt gewordene „soziale Unruhen“ - tunlichst vermeiden will.

Stimmung der Klasse

Aber sie sieht sich mittlerweile auch gezwungen, so zu tun, als würde sie der herrschenden Klasse drohen. Aus den 100.000 DemonstrantInnen sollen, so DGB-Chef Sommer am Ende seiner Rede, eine Million werden - wann und wie verrät er nicht.

Aber auch diese unkonkreten Versprechungen signalisieren, dass es an der Basis brodelt. Den meisten ArbeiterInnen dämmert es wohl, dass sie mit Kurzarbeit oder etwas Lohnzurückhaltung nicht über die Krise kommen werden. Angesichts eines vorhergesagten Rückgangs des BIP um 4 bis 7 Prozent im laufenden Jahr zerfallen Hoffnungen, die Krise relativ ungeschoren zu überstehen im Sekundentakt.

In dieser Situation herrscht in der Klasse eine Mischung aus Angst, Ungewissheit, Desorientierung, aber auch Empörung, Wut und Druck zum eigenen Handeln vor.

Es ist diese widersprüchliche Mischung, die die Klasse (also verschiedene Teile derselben) zugleich nach vorn stößt und zurück hält. Und die Gewerkschaftsbürokratie und der Apparat versuchen - wenngleich unter Druck dieser Stimmung - diese so zu lenken und zu formen, dass sie sich in einer Sommerpause etwas abkühlen und daraus kein heißer Herbst wird.

Den meisten Lohnabhängigen ist durchaus klar, dass etwas passieren muss, etwas Drastisches, Einschneidendes, da sie ansonsten von Krise, Kapital und Regierung überrollt werden - aber sie wissen nicht, was und wie.

Die Gewerkschaftsführungen, die Reformisten aus SPD und Linkspartei haben darauf keine Antwort und geben auch keine, die über ein alternatives Regierungsprogramm oder -forderungen hinaus ginge.

Das Fehlen einer starken oppositionellen Kraft in den Betrieben und Gewerkschaften und einer politischen Alternative in Form einer revolutionären oder wenigstens klassenkämpferischen, anti-kapitalistischen Partei wie der NPA in Frankreich führt in dieser Lage dazu, dass es den ArbeiterInnen sehr schwer fällt, mit den Reformisten zu brechen, weil sie in der Krise keine Massenalternative zur Politik der Bürokratie sehen.

Die „radikale“ oder oft auch gar nicht so radikale Linke trägt dazu das ihre bei. Ein Teil der „besonders“ Radikalen taucht bei einer Massendemo mit 100.000 ArbeiterInnen erst gar nicht auf. Vorgeblich, weil ohnedies alles „von oben“, also vom DGB bestimmt ist. In Wirklichkeit hat ein großer Teil der „radikalen Linken“ erst gar nichts zu sagen, außer „prinzipielle Wahrheiten“ wie „Kapitalismus ist immer Scheiße“ zu verkünden. Eine Antwort, wie die aktuelle Scheiße, ihre konkrete Form bekämpft werden soll, mit welchen Forderungen, mit welchem Programm, mit welcher Strategie und Taktik, gibt dieser Teil des kleinbürgerlichen „Linksradikalismus“ im Grunde ebenso wenig an wie der DGB.

Ein anderer Flügel wie die „Gruppe Soziale Kämpfe“ oder Teile der ALB haben sich zu einem strategischen Bündnis mit dem linken Flügel der Arbeiterbürokratie aus Gewerkschaftsapparat und Linkspartei entschlossen, das auch im Papier „Agenda 2009“ dokumentiert ist. Kein Wunder, dass ihr Interesse an einem „anti-kapitalistischen Block“, den sie am 28. März noch unterstützt hatten, erloschen ist.

Damit wird aber die Blockade der Bewegung durch die Gewerkschaftsbürokratie nicht gebrochen, sondern letztlich gestärkt.

Notwenig ist vielmehr der Aufbau einer organisierten oppositionellen Basisbewegung in den Betrieben und Gewerkschaften, die gegen die sozialpartnerschaftliche Politik der Bürokratie und für eine andere Führung der Gewerkschaften kämpft. Notwendig ist dazu ein Aktionsprogramm gegen Krise und notwendig ist es, nicht nur eine Alternative zum Reformismus in den Gewerkschaften, sondern vor allem auch auf politischer Ebene zu erkämpfen – eine revolutionäre Arbeiterpartei.

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