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Wahl zum Landtag in Hessen

Sieg des bürgerlichen Lagers, Niedergang der SPD

Peter Lenz, Infomail 404, 21. Januar 2009

Gegenüber 2008 hat die SPD 12,9 Prozent verloren. Das ist das schlechteste Ergebnis, das die SPD je in Hessen erzielte. Über 200.000 Ex-WählerInnen der SPD sind 2009 nicht mehr zur Wahl gegangen. Für die SPD ist das ein Desaster. Sämtliche Direktmandate, die vor einem Jahr dazugewonnen wurden, sind wieder verloren gegangen.

SPD-Einbruch

Andrea Ypsilanti ist vom Partei- und Fraktionsvorsitz zurück getreten; als Nachfolger hat sie Schäfer-Gümpel vorgeschlagen. Die bürgerliche Presse führt ihr Scheitern auf den „Wortbruch“ zurück. Der Kern der Sache ist aber ein anderer. Andrea Ypsilanti verstand es, mit ihrem Konzept sozialdemokratischer Politik verloren gegangene Wählerschichten für die SPD zu mobilisieren. Für das rechte Lager der SPD war diese Situation gefährlich. Nicht, dass sie ein kämpferisches, umwälzendes Konzept gehabt hätte. Aber hinter ihr standen jene Kräfte, die eine Abschaffung der Studiengebühren, Änderungen in der Schulpolitik, Zurücknahme des Sozialabbaus, eine andere Politik gegenüber den ImmigrantInnen, für den Stopp der Flughafenausbauten in FfM und Kassel-Calden sowie eine Umstellung in der Energiepolitik wollten.

Aber genau diese Forderungen waren und sind in der SPD absolut umstritten. Der bei der Kandidatenaufstellung unterlegene Flügel um Jürgen Walter und seinen Vorgänger Böker gab sich nur scheinbar geschlagen. Wie weit der rechte Flügel zu gehen bereit ist, zeigt sich schon vor der Wahl durch den Nicht-Wahl-Aufruf von Wolfgang Clement. Das hat verhindert, dass die SPD stärkste Partei wurde: es fehlten nur 3.000 Stimmen.

Schon beim ersten Anlauf fiel Ypsilanti die SPD-Rechte Dagmar Metzger in den Rücken. Gleichzeitig wurde eine beispiellose Medienkampagne gestartet, um den Druck auf die SPD und insbesondere Ypsilanti zu steigern. Ypsilanti hat unterschätzt, wie gespalten die SPD ist, wie hart die Auseinandersetzungen geführt werden. Spätestens die „Entsorgung“ von Kurt Beck hätte Andrea Ypsilanti eine Warnung sein müssen. Dass sie nicht gesehen hat, wie die Spaltungslinien verlaufen, wie tiefgehend die Diskrepanzen sind, war ihr eigentliches Versagen.

Der zweite Anlauf, der im November 2008 mit den drei „Abtrünningen“ endete, war von Ypsilantis Bemühen geleitet, sich auf Versprechungen zu stützen, die sie auch bekam, die aber nichts wert waren. Die SPD hat ihre Zerrissenheit in aller Öffentlichkeit zelebriert und die Quittung dafür erhalten. Viele der Menschen, die vor einem Jahr Hoffnungen auf die SPD gesetzt hatten, sind nun einfach zu Hause geblieben.

Schäfer-Gümpel wird jetzt versuchen, die Risse in der SPD optisch zu verkleistern, es bleibt zu bezweifeln, ob ihm dies gelingt.

Ergebnis von CDU, FDP und Grünen

Für die WählerInnen blieb das einzig Positive, dass inzwischen die Studiengebühren abgeschafft sowie einige Hinterlassenschaften der Schulpolitik der CDU abgemildert wurden, um den Druck auf die CDU abzuschwächen. Das war für Koch und Konsorten notwendig, denn Anfang 2008 war die hessische CDU in der Defensive.

Auch bei den aktuellen Wahlen stagniert die CDU und verliert absolut an Stimmen, da die Wahlbeteiligung um 3% zurückgegangen ist. Koch hat es nicht geschafft, das schlechte Ergebnis von 2008 zu korrigieren.

Nun wird eine CDU/FDP-Regierung Hessen regieren. Die FDP rettet jetzt Koch zum zweiten Mal, nachdem sie ihm schon vor Jahren während der Parteispendenaffäre den Rücken gestärkt hatte.

Die Grünen und die FDP legen kräftig zu. Laut Wahlanalysen der ARD hat die FDP etwa 88.000 Stimmen von der CDU gewonnen. Die Grünen haben der SPD etwa 120.000 Stimmen abgenommen.

Bei diesen Ergebnissen muss gesehen werden, dass die Ergebnisse dieser Landtagswahlen natürlich auch von der Bundespolitik und der um sich greifenden Krise beeinflusst werden. Die Arbeit der Großen Koalition wird zunehmend skeptischer gesehen. Zum einen findet jetzt eine Umgruppierung im bürgerlichen Lager statt hin zu FDP, Grünen und in Bayern den Freien Wählern, die im Kern von der Hoffnung kleinbürgerlicher Wählerschichten getragen wird, in der Wirtschafts- und Finanzkrise ihre Belange besser vertreten zu sehen.

Dies in kein Phänomen, das sich auf Hessen beschränkt. Die von der FDP- und dem Wirtschaftsflügel der CDU vorgetragene Parole der „Sozialdemokratisierung“ der CDU zeigt bei diesen Schichten ihre Wirkung. Erwartet werden Steuersenkungen auch und besonders im höheren Einkommensbereich.

Bei den Grünen kommt noch eine Komponente hinzu. Cohn-Bendit hat das am 19.1. in der FR so formuliert: „Die Grünen müssen in den nächsten Monaten im Europa- und im Bundestagswahlkampf aufzeigen, welche politischen und gesellschaftlichen Reformen nötig sind, um auf die vielen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, eine historisch adäquate Antwort zu geben. Bisher tun sie das einfach nicht radikal genug. Wir brauchen eine Konversion unserer gesamten Wirtschafts- und Lebensweise. Da reicht es nicht aus, wenn die Grünen sagen: Wir wollen ein Konjunkturpaket, es muss aber bitte schön etwas grüner eingepackt sein. Nein,wir brauchen ein Programm, das die Wirtschaft nicht nur stabilisiert, sondern sie transformiert. Wir müssen weg von dem Ansatz immer mehr konsumieren, immer schneller ausgeben.

Was nützt es den Grünen für die Bundestagswahl, wenn sie wie jetzt in Hessen Stimmen von der SPD zurückholen, aber damit einen zu schwachen Partner fürs Regieren haben. Wir müssen an einer gesellschaftlichen Mehrheit arbeiten jenseits von Schwarz–Gelb. Wir müssen die SPD dazu bringen, sich vom groß-koalitionären Denken zu lösen. Es gibt die Pole schwarz-gelb oder rot-grün. Und dann muss man die Kräfte, die es rechts und links von Rot-Grün gibt, überzeugen, sich diesem gesellschaftlichen Konsens anzuschließen.“

Dahinter steckt natürlich die Hoffnung, dass die „Transformation der Lebensweise“ den kapitalistischen Krisen entgegenwirken kann.

Und DIE LINKE?

DIE LINKE ist mit 5,4 Prozent wieder im hessischen Landtag vertreten. Dabei sind laut Wahlanalysen 20.000 WählerInnen der LINKEN von 2008 nicht mehr zur Wahl gegangen. Der SPD konnte die LINKE lediglich 5.000 Stimmen abnehmen. In den größeren Städten konnte sich die LINKE behaupten oder leicht zulegen, ebenso in den südhessischen Wahlkreisen, während es in den ländlichen Wahlkreisen Nordhessens Verluste gab. 18 Prozent der Arbeitslosen haben die LINKE gewählt (die SPD 34 %) und 12% der ArbeiterInnen und Angestellten. Dass die LINKE angesichts der Krise und des Desasters der SPD nicht stärker zugelegt hat, liegt nicht nur an den internen Querelen, sondern v.a. daran, dass sie (bundes)politisch oft nur das etwas linkere Pendant der SPD ist, dass sie kaum Mobilisierungsstärke hat und zudem in der aktuell brisanten Palästina-Frage untätig ist und die Parteispitze außerdem Israel unterstützt.

Die Krise der SPD schreitet ungehemmt fort. Der rechte Parteiflügel, der sich in Berlin in der Parteiführung durchgesetzt hat, hofft jetzt auf die anderen Wahlen, um eine „Trendwende“ bis zur Bundestagswahl einzuleiten. Mit Hessen bricht eine Bastion der SPD weg, die in den sechziger Jahren für Ergebnisse zwischen 40 und 50 Prozent gut war.

Die SPD von heute hat vieler ihrer sozialen Bindungen zur Arbeiterklasse verloren. Über den Gewerkschaftsapparat, einen Teil der Vertrauensleute und das Gros der Betriebsräte übt sie noch – einen allerdings immer noch dominanten - Einfluss auf die Klasse aus. Unter dem Druck der Verwertungsprobleme und umso mehr der Krise wird ihr Spielraum für „sozialpartnerschaftliche“ Kompromisse immer kleiner.

Immer mehr WählerInnen wenden sich von den „Volksparteien“ ab. Da auch die CDU das zweitschlechteste Ergebnis seit 1970 einfuhr, verfügen die beiden großen Parteien nur noch über knapp 60 Prozent der Wählerstimmen. In den vergangenen Wahlen waren es meist zwischen 70 bis fast 90 Prozent.

Viele wenden sich aber auch von allen Parteien ab. Die Wahlbeteiligung ist die niedrigste in Hessen seit 1946 mit nur 58 Prozent.

Das zeigt einen wachsenden Frust mit den vorhandenen Parteien wie auch mit dem gesamten bürgerlich-parlamentarischen System. Die extreme und faschistische Rechte stagnierte oder verlor. Die NPD liegt bei 0.9 Prozent wie im Vorjahr. Die Wählerschaft der Republikaner halbierte sich auf 0,6 Prozent.

Doch das kann sich ändern, wenn es nicht gelingt, die Frustration, die Wut der Bevölkerung über die wachsende politische und soziale Misere in Aktion, in Widerstand gegen die drohenden Angriffe von schwarz-gelb in Hessen und der Bundesregierung zu verwandeln.

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