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SAV tritt auch im Osten in die LINKE ein

Keine sozialistische Alternative

Hannes Hohn, Infomail 382, 21. September 2008

Am 11. September erklärte die SAV auch im Osten ihren Eintritt in die LINKE, nachdem ihre Mitglieder davor nur im Westen in der Partei aktiv waren. Diese Änderung ihrer Position provoziert die Frage, ob die alte Haltung der SAV falsch war oder die neue? Unsere These: beide Positionen falsch sind. Das möchten wir im Folgenden genauer erläutern und belegen.

Die Vorgeschichte

Als mit der Fusion mit der PDS zur LINKEN das Ende der WASG besiegelt war, entschied sich die SAV dafür, in Westdeutschland in die LINKE einzutreten, im Osten jedoch nicht. Wie begründete die SAV damals diese Taktik? Sie meinte, dass wegen der Schwäche der PDS und der relativen Stärke der WASG im Westen die LINKE dort nicht einfach eine “PDS mit neuem Namen sei”, sondern eine Formation, deren politisches Profil stark von den neuen Kräften aus der WASG geprägt und deren Charakter daher noch “offen” sei.

Im Osten hingegen gab es diesen Zustrom neuer Kräfte nicht in diesem Maße, was auch bedeutet, dass der PDS-Apparat die Partei fest im Griff hat. Zudem war bzw. ist die PDS in Berlin (wie schon zuvor in Mecklenburg-Vorpommern) als Koalitionspartnerin der SPD direkt und aktiv an Sozialabbau, Tarifbruch, Privatisierungen usw. beteiligt. Das führte auch dazu, dass die PDS deutlich, ja in Berlin tw. dramatisch an Zustimmung und Ansehen verlor.

Die damalige Einschätzung der SAV, dass die LINKE quasi eine in einen Ost- und Westteil “gespaltene” Partei sei und daher auch ihr politischer Kurs und ihre weitere Entwicklung noch “offen” wären, war allerdings schon damals falsch. Mit der Fusion ist vielmehr der schon in der WASG wesentliche Einfluss links-reformistischer, dem Gewerkschaftsapparat nahe stehender Kräfte z.B. um Klaus Ernst und Lafontaine, zum bestimmenden Moment geworden.

Gerade im Westen ist der Charakter der LINKEN als reformistische Partei dadurch sogar noch ausgeprägter als im Osten.

Die Politik jeder reformistischen Partei, deren Funktionäre weitgehend von der Basis unkontrolliert agieren und kaum rechenschaftspflichtig sind und wo das Programm meist wenig konkret und nach allen Seiten auslegbar ist, wird von der Führung und deren Apparat bestimmt. In der PDS/LINKEN trifft das z.B. auf die Fraktionen im Bundestag und in den Landtagen zu. Oft genug zeigte sich, dass die PDS-Führung auch Beschlüssen von Parteitagen zuwider handelte, wenn es der politische Pragmatismus, die “Regierungsfähigkeit” und die Anpassung an die SPD erforderten. Gerade in der PDS mit ihrer überalterten und weitgehend nach außen inaktiven Basis ist es dem Apparat leicht möglich, so zu agieren, wie er es für richtig hält. Die vornehmliche Orientierung auf Parlamentarismus und Wahlen befördern das noch.

Insofern ist ganz klar, dass die Politik der PDS wie der LINKEN von der Führung um Gysi und Lafontaine bestimmt wird - und zwar bundesweit. Das permanente Genörgel, die folgenlose Kritik, die passive Unzufriedenheit der Basis mit der Spitze ändern daran gar nichts, sondern sind eher Normalität in reformistischen Parteien.

Die These der SAV vom “offenen” Charakter der Partei war immer eine Behauptung, die von der Realität der PDS/LINKEN absolut nicht abgedeckt war.

Der “Sündenfall” der Berliner PDS, aktiv neoliberale Regierungs-Politik zu betreiben, wurde von der SAV zwar erkannt und auch heftig kritisiert, zugleich aber nicht als notwendige Folge der politischen Ausrichtung und des reformistischen Charakters der Gesamtpartei gesehen. Dabei zeigte sich die Unhaltbarkeit dieser Position auch schon früher dort, wo sie das Gleiche vertrat wie in Berlin - ohne selbst zu regieren. Als Beleg sei hier nur die Privatisierung von Wohnungen in Dresden mit Zustimmung der dortigen “oppositionellen” PDS-Fraktion genannt.

Mit ihrer Einschätzung der angeblichen “Offenheit” der PDS hat die SAV dazu beigetragen, den wahren Charakter dieser Partei zu verschleiern. PDS/LINKE (deren Apparat, Führung, Programm und Mitgliedschaft zum größten Teil mit dem der früheren PDS identisch sind) ist klar reformistisch. Sie war und ist eine bürgerliche Arbeiterpartei, d.h. eine Partei, die sich sozial hauptsächlich auf die Arbeiterklasse - genauer, auf relativ priviligierte arbeiteraristokratische Schichten - stützt, in Programm, Führung, Apparat und Praxis jedoch eine klar bürgerliche, pro-kapitalistische Partei ist. Daran ändern auch die bisweilen geäußerten unverbindlichen sozialistischen Phrasen nichts. Die Politik der PDS wie der LINKEN bewegt sich ganz klar in den Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft, sie folgt deren Spielregeln und anerkennt deren Grundlagen wie Privateigentum, Marktwirtschaft und Lohnarbeit.

Bezeichnend für die Position der SAV war zudem deren offensichtliche innere Widersprüchlichkeit: einerseits kritisierte die SAV die bürgerliche Politik der PDS, andererseits suggeriert sie, dass alles noch offen wäre. Dieses Problem versucht die SAV auf zwei Arten zu lösen. Erstens verweist sie auf ein Potential an linken, kämpferischen, antikapitalistischen Kräften in der PDS/LINKEN; zweitens verweist sie auf die wachsende Hinwendung der Massen, auf den wachsenden Einfluss der PDS/LINKEN. Kraft dieser zwei Faktoren könne, so die SAV-Argumentation, die LINKE nach links gedrängt werden bzw. zu einer wirklich aktiven, kämpferischen, sozialistischen Partei werden.

Nun sagen manche Leute, welche die SAV und ihre Entrismus-Politik schon länger kennen, dass die SAV selbst nicht an ihre Thesen glaubt und sie nur als Vorwand zur Rechtfertigung ihres Entrismus benutzt, der wiederum nicht die Partei nach links, sondern nur die eigene Mitgliederzahl nach oben bringen soll. Sollte dem so sein, müsste sich die SAV den Vorwurf gefallen lassen, ihren “Erfolg” auf politischen Lügen aufzubauen. Bekanntlich haben solche Tricksereien gerade in der deutschen Linken oft stattgefunden - aber noch nie für dauerhaften Erfolg gesorgt ...

Doch schauen wir uns beide Argumente genauer an. Gibt es einen linken, antikapitalistischen, klassenkämpferischen, sozialistischen, revolutionären ... Flügel in der LINKEN? Nein! Sicher gibt es Linke - also links vom mainstream Stehende - in der LINKEN. Doch das Markenzeichen all diese Kräfte und Gruppierungen (Kommunistische Plattform, Marxistisches Forum, Marx21, Antikapitalistische Linke usw.) war immer, jeden entschiedenen Kampf  gegen die reformistische Führung abzulehnen, jeder praktischen Initiative auszuweichen, kein alternatives Programm vorzulegen usw. usf. Man mag gegen Gysi, Bisky, Lafontaine und Co. sagen, was man will - sie ziehen ihr Projekt jedenfalls mit einer Konsequenz durch, die all ihren linken KritikerInnen komplett abgeht.

Diese Halbherzigkeit, diese “Kritik” auf unmarxistsiche Art, die damit verbundenen Illusionen in den (Links)Reformismus der “Linken” in der PDS waren auch ein wichtiger Grund dafür, warum es der PDS-Führung so leicht möglich war, sich immer mehr nach rechts (z.B. Frage der Regierungsbeteiligung) zu bewegen und de facto rein sozialdemokratische, also (links)bürgerliche Politik zu praktizieren.

Auch die fast völlige Konzept- und Tatenlosigkeit der “Linken” in der PDS bezüglich des Entstehens und dann der Fusion mit WASG spricht Bände über diese “KritikerInnen”. Wir kommen weiter unten noch einmal auf das “linker Flügel-Argument” der SAV zurück.

Nicht weniger oberflächlich und falsch ist die Annahme der SAV, dass der wachsende Einfluss der LINKEN (v.a. bei Wahlen) und die Gewinnung neuer Kräfte dazu führen würden, den Charakter der LINKEN zu ändern. Es stimmt sicher, dass viele LINKE-WählerInnen aufgrund ihrer Enttäuschung über die SPD, Erwartungen in die LINKE haben und hoffen, mit ihrer Stimme etwas gegen Sozialabbau, Kriegspolitik usw. zu erreichen. Es mag sogar stimmen, dass ein Teil dieser neuen Kräfte die LINKE von links kritisiert und bewusst versucht, sie durch eine Mitgliedschaft in der LINKEN grundsätzlich zu verändern.

Dazu muss aber festgestellt werden, dass das Gros der neuen Kräfte, die aus der WASG zur LINKEN kam, ganz bewusst deren Programm, Politik und Führung zugestimmt hat.

Sicher ist die neue LINKE nicht nur eine PDS+, auch wenn der bürokratische Apparat, der die Partei kontrolliert und in den letzten Jahren aufgrund der Wahlerfolge der Partei deutlich gewachsen ist, im Kern aus der alten PDS stammt.

Das „Neue“ an der Partei die LINKE ist, dass sie der PDS als reformistischer Partei eine wichtige Komponente hinzugefügt hat, die für die PDS unerreichbar war: nämlich Teile der westdeutschen Arbeiterbürokratie und -aristokratie. In der Tat gibt es einen Zuwachs nicht nur an WählerInnen, sondern auch an Mitgliedern aus der unteren und mittleren Funktionärsriege der Gewerkschaften und von Betriebsräten. Umso größer ist das Stillschweigen der LINKEN gegenüber der Co-Managementpolitik der Gewerkschaftsführungen geworden.

Waren Gewerkschaftsfunktionäre noch in überschaubarer Zahl der WASG beigetreten, so kommen sie jetzt zahlreicher zur LINKEN, weil sie als reformistische, ihrem Wesen nach sozialdemokratische Wahlpartei Erfolg hat und gleichzeitig die sozialpartnerschaftliche Tagespraxis dieser Funktionäre in keinster Weise in Frage stellt, sondern ohne Wenn und Aber unterstützt.

Die Methode “Alter Wein in neuen Schläuchen”, die Neuauflage der alten SPD-Politik der 1960er /70er war auch die Ursache dafür, dass es bis jetzt eben zu keinem stärkeren Zustrom neuer klassenkämpferischer Kräfte aus der gewerkschaftlichen und betrieblichen Basis in die LINKE gegeben hat. Die inkonsequente, bremsende Haltung der LINKEN zu konkreten Kämpfen der letzten Zeit leistete dem noch Vorschub.

Die SAV suggeriert außerdem auch immer wieder, dass sie - früher in der WASG, dann in der Berliner BASG (einem Teil der Berliner WASG), nun in der LINKEN - für ein sozialistisches Programm gekämpft hätte und dafür eingetreten wäre, dafür Kräfte auch organisatorisch zu sammeln. Doch die Wahrheit sieht anders aus.

In der WASG stand die SAV auf dem linken Flügel, vertrat allerdings selbst nur ein links-reformistisches Programm. Selbst dieses zog sie dann zugunsten einiger “Verbesserungsvorschläge” am reformistischen Programm des WASG-Vorstands zurück. Als dann gegen die reformistische Fusion mit der LINKEN in Gestalt des Netzwerks Linke Opposition (NLO) ein Gegenpol entstand, war die SAV anfangs mit dabei. Doch recht schnell stieg sie aus diesem Projekt aus – zugunsten des Eintritts in die LINKE im Westen bzw. der Mitarbeit in der BASG in Berlin.

Diese Politik offenbart nicht nur das typisch zentristische Schwanken der SAV, diese Politik boykottierte auch offen die Möglichkeit, mit dem NLO eine bundesweite Struktur aufzubauen, die ein Attraktionspol für linke, kämpferische, antikapitalistische Kräfte werden konnte. Der Ausstieg der SAV als größter Kraft darin hat dem Projekt dann frühzeitig einen herben Rückschlag versetzt.

Die Mitarbeit der SAV in der BASG als “Alternative” zum NLO war von vornherein in jeder Hinsicht eine Halbheit. Politisch linksreformistisch und nur auf Berlin begrenzt war die BASG zum Aufbau einer bundesweiten klassenkämpferischen Struktur links vom Reformismus und in Opposition zur LINKEN und deren Kurs total ungeeignet, ja direkt entgegengesetzt.

Entgegen ihrer eigenen Sicht, hat die SAV mit ihrem Kurs objektiv immer dafür gesorgt, dass a) die Kritik am Reformismus selbst im Linksreformismus steckenblieb und b) die Formierung einer bundesweiten Struktur als politische und organisatorische Alternative zum Reformismus blockiert wurde.

Vom halben Eintritt zum kompletten Fehltritt

Welche Gründe nennt die SAV für ihren Eintritt im Osten? Zunächst verweist sie auf die Politik der LINKEN, die momentan linker ist als die der SPD. So heißt es in der offiziellen Stellungnahme der SAV zum Eintritt (wohlgemerkt geht es hier darum zu begründen, was sich an der LINKEN politisch geändert hat, dass ein Eintritt im Osten nunmehr plausibel ist):

“Viele engagieren sich in und mit der LINKEN für einen Mindestlohn, gegen jede Form von Privatisierung und gegen Kriegseinsätze. Die Linkspartei hat diese Themen auf die Tagesordnung gesetzt.”

Den Mindestlohn fordert auch die SPD. Und was heißt es, dass die Linkspartei Privatisierung, Hartz IV usw. auf die Tagesordnung setzt? In der Praxis ihrer Berliner Landesregierung heißt es z.B., dass Hartz IV, Privatisierungen usw. praktisch umgesetzt werden. Genauso blauäugig ist die Einschätzung der SAV, die LINKE sei “gegen Kriegseinsätze.”

Die LINKE hat oft genug die Position vertreten, dass sie sich “humanitäre” Kriegseinsätze unter UNO-Flagge durchaus vorstellen kann. Bei der Abstimmung zum Bundeswehr-Einsatz im Kongo stimmten z.B. mehrere LINKE-Abgeordnete nicht gegen diesen Einsatz!!

Hinter diesen Positionen steht die Haltung der LINKEN-Führung, dass die “Ordnung der Weltgeschicke” durchaus dem Imperialismus zugestanden wird. Ist das Anti-Kriegs-Politik??!!

Noch schwerer wiegt aber, dass die LINKE gegen die imperialistische Kriegspolitik Deutschlands praktisch nicht oder kaum mobilisiert. Und selbst wenn sie es tut, dann in einer Weise, die das Entstehen einer starken und kämpferischen Bewegung verhindert. Ihre Politik führt dazu, dass die Bewegung über Protest nicht hinauskommt und politisch dem Reformismus und dem “linkeren,” “pazifistischeren” Flügel des Kapitals untergeordnet wird.

Diese „Anti-Kriegs-Politik“ der LINKEN ist völlig zahnlos, verschleiert die systembedingten Ursachen von Kriegen - und wird keinen einzigen davon verhindern! Doch für einen Eintritt in diese Partei reicht der SAV schon, dass die LINKE etwas “auf die Tagesordnung setzt”!!

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die SAV mit keinem Wort erwähnt, dass es im Apparat (und auch der Basis) der LINKEN durchaus Teile gibt, deren außenpolitische Konzepte sich immer mehr denen der SPD oder der Grünen – also offenen Kriegsunterstützern – nähern.

Auch die jüngste Grundsatzrede Gysis anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung Israels passt in diesen Kontext. Gysi verteidigt dort ganz eindeutig das Existenzrecht Israels, also eines zionistischen, rassistischen, aggressiven Kriegs- und Unterdrückungsstaates  - eines Kettenhundes des Imperialismus in der Region. Zudem enthält Gysis Statement eine klare Absage an jeden antiimperialistischen Kampf. Das hätte Joschka Fischer auch nicht besser sagen können. Vor allem aber: Wer aus der Spitze der LINKEN hat Gysi offen widersprochen? Niemand!!

Auch innenpolitisch sieht die Lage nicht besser aus. Auf Landesebene und auf kommunaler Ebene exekutiert die LINKE tagtäglich bürgerliche Politik. Die LINKE stellt ca. 2.000 Bürgermeister, die – was sonst? – den Kapitalismus auf unterer Ebene verwalten. Die SAV weiß das und kritisiert das. Daraus – und aus dem Umstand, dass es gegen diese Politik eben keine relevante Opposition, geschweige denn wirklichen Widerstand in der Partei gibt – zieht die SAV aber nicht den Schluss, dass die LINKE eine verfestigte (und keine offene oder nach links verschiebbare) reformistische Partei ist.

Die SAV steht nach wie vor zu ihrer These, dass der politische Charakter der LINKEN noch veränderbar, noch offen wäre:

“Trotz der Erfolge auf Wahlebene schöpft die Linkspartei heute das Potenzial nicht aus. Sie brauchte zum Beispiel ein halbes Jahr, um als Bundespartei den Streik der Lokführer Unterstützung zu geben. Sie schreckt bislang davor zurück, gegen die Gewerkschaftsbürokratie Position zu beziehen.” (ebenda)

Noch klarer zeigt sich das in folgendem Zitat:

“Viel steht auf dem Spiel. Entsteht mit der Linkspartei eine Kraft von Hunderttausenden, die in die kommenden Kämpfe entschlossen eingreift, den Widerstand politisch stärkt und eine Perspektive gibt, wie eine Gesellschaft frei von kapitalistischen Krisen und Kriegen erreicht werden kann? Oder schlägt DIE LINKE einen Weg ein, bei dem sie zwar auf der Wahlebene kurzfristig weiter zulegt, aber vor dem Konflikt mit den Herrschenden zurückschreckt und sich vom Establishment einwickeln lässt wie SPD und Grüne?” (ebenda)

Anders als die SAV meint, ist diese Frage schon längst entschieden. Seit nunmehr ca. 18 Jahren PDS/LINKE sollte wohl klar sein, was diese Partei ist und was sie tut - eine reformistische Partei, die den Kapitalismus verwaltet.

Die Politik von Führung und Apparat der LINKEN entspringt deren bewusster reformistischer Strategie und ist nicht einfach ein “Versäumnis”. Selbst die klare Benennung dieses Umstandes kommt für die SAV nicht in Betracht – kein Zufall, weil sich ansonsten ihr ganzes Entrismus-Projekt als illusorisch entpuppen würde.

Die SAV verweist gern auf ihr Mitglied K. B., Aktivist an der Berliner Charité. Monatelang kämpften er und seine KollegInnen gegen die Kürzungspläne des Berliner “rot/roten” Senats. Nun muss er in die LINKE eintreten, ohne dass diese von ihren Plänen auch nur einen Millimeter abgewichen wäre. Will er künftig als LINKE-Mitglied gegen seine eigene Partei kämpfen?! Und wie vermittelt er das seinen KollegInnen?!

Doch die SAV zieht noch eine andere Karte aus dem Ärmel: die Hinwendung der Massen zu ihr. Doch auch hier verschweigt die SAV das zentrale Problem, dass diese Massen in ihrer großen Mehrheit selbst ein reformistisches – also ein bürgerliches – Bewusstsein haben. Sicher kann und wird es auch Konflikte zwischen den Erwartungen und Interessen dieser AnhängerInnen/ WählerInnen der LINKEN und deren realer Politik geben. Das wäre natürlich auch eine Herausforderung für MarxistInnen, in diesen Konflikt einzugreifen. Das will auch die SAV. Doch mit welchem Konzept?

Marxistischer Flügel?

Die Strategie der SAV bzw. ihrer internationalen Tendenz war und ist dadurch gekennzeichnet, dass sie annimmt, die Massen werden unter dem Druck des Klassenkampfes in die Sozialdemokratie (Labourparty) strömen. Daher, so die SAV-Strategie, müssten RevolutionärInnen in diesen Parteien arbeiten und die Massen quasi dort “abholen”, wo sie sind. Daran ist richtig, dass es sein kann – aber nicht muss!! – dass sich die Massen dem Reformismus zeitweilig zuwenden. Falsch ist daran aber vor allem die Schlussfolgerung der SAV, mit einem linksreformistischen Programm dabei zu agieren (“um niemanden abzuschrecken”).

Das bedeutet konkret, dass die SAV es vermeidet, offen zu sagen, was objektiv nötig ist, um den Kapitalismus zu überwinden: die Zerschlagung des bürgerlichen Staates und die Errichtung einer Arbeiter-Regierung, die sich auf Kampforgane der Klasse (Räte, Milizen, Streikkomitees usw.) stützt. Diese zentralen Fragen auszusparen bedeutet aber, den reformistischen Ideologen Gysi, Lafontaine usw. das Feld zu überlassen. Es bedeutet auch, die Massen – und insbesondere deren Vorhut – und nicht zuletzt die eigene Mitgliedschaft zu irritieren, sie politisch im Unklaren zu lassen über die Aufgaben und Herausforderungen des Klassenkampfes.

“Die SAV tritt für den Aufbau eines marxistischen Flügels ein (...)”.

So kennzeichnet die SAV das Ziel ihres Entrismus. Dem steht entgegen, dass dafür kein relevantes Milieu in der LINKEN gibt. Aber es ist eine alte Übung von Zentristen, einen real gar nicht vorhandenen “linken Flügel” dadurch zu kreieren, indem sie selbst diesen Flügel darstellen. Doch selbst wenn es ihn geben sollte oder wenn es ein Milieu gibt, das in die LINKE strömt, erweist sich das Programm der SAV als völlig ungeeignet dafür, aus diesem Milieu einen marxistischen Flügel zu schaffen.

Wir können das so klar sagen, weil dem SAV-Programm für einen marxistischen Flügel ein wichtiger Bestandteil fehlt: der Marxismus.

“Die SAV tritt für den Aufbau eines marxistischen Flügels ein, der für folgende Positionen in der LINKEN kämpft:

- Ablehnung jeder Form von Sozialkürzungen, Stellenstreichungen und Privatisierungen

- Nein zu Regierungsbeteiligungen mit Sozialabbau-Parteien – egal ob über Koalitionen oder Tolerierung. Stattdessen Einzelfallentscheidungen bei jeder Abstimmung im Parlament, immer abhängig von den Interessen der arbeitenden Bevölkerung

- Austritt der LINKEN aus dem rot-roten Senat in Berlin

- Aktive Teilnahme an Kämpfen auf der Straße und in Betrieben. Für Massenmobilisierungen und Widerstand, um die Angriffe der Herrschenden zu stoppen

- Gegen Krieg und Imperialismus: Stopp aller Auslandseinsätze der Bundeswehr – auch unter UN-Mandat

- Sozialismus nicht als Fernziel: Der Kampf für Verbesserungen muss mit dem Kampf für eine sozialistische Demokratie verbunden werden. Wir wollen weder die Diktatur der Banken und Konzerne noch die Herrschaft einer abgehobenen, privilegierten Bürokratie wie in der DDR

- Für innerparteiliche Demokratie: Jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von Funktionären. Für einen durchschnittlichen Tariflohn für alle Mandatsträger und Hauptamtlichen” (ebenda)

Hier können wir den “Marxismus” der SAV gut sehen: ein Marxismus, der die Enteignung der Klasse der Bourgeoisie nicht kennt; ein Marxismus, der Machtorgane der Klasse nicht kennt; ein Marxismus, der keine Aussage zum Staat trifft!!!

Hie reden Leute übers Meer, ohne vom Wasser zu sprechen!

Neben diesen gravierenden inhaltlichen Mängeln dieses Programms fällt auch auf, dass die SAV nichts dazu sagt, wie der Klassenkampf geführt werden soll – mit welchen Taktiken, mit welchen Losungen, mit welchen organisatorischen Schritten.

Es ist an sich allen einigermaßen politisch denkenden GewerkschafterInnen klar, dass Proteste und vereinzelte Streiks gegen die Generaloffensive des Kapitals nicht ausreichen. Das ist auch der SAV klar. Sie schreibt:

“Konfrontiert mit Massenentlassungen und verschärftem Sozialkahlschlag sind erbitterte Klassenauseinandersetzungen zu erwarten. In diesen Konflikten stellen sich politische Fragen in aller Schärfe.” (ebenda)

Trotzdem fehlt hier – wie auch sonst oft – eine klare Kampfperspektive der SAV. Diese müsste z.B. auf die Notwendigkeit von politischen Massenstreiks bzw. eines Generalstreiks hinweisen. Doch in den letzten Jahren plädierte die SAV höchstens für einen begrenzten 24Stunden-Streik. Selbst das fehlt hier.

Fazit

Das Projekt der SAV, einen “marxistischen Flügel“ in der LINKEN aufzubauen, ist zunächst auch ein Zeichen dafür, dass die früheren “Projekte” der SAV (BASG) gescheitert sind. Die Absage an das Projekt NLO zugunsten der BASG hat letztlich nichts gebracht, die Chance auf den Aufbau eines bundesweiten klassenkämpferischen linken Netzwerks wurde untergraben und vertan.

Auch die Taktik des Eintritts nur im Westen hat sich als falsch herausgestellt. Wenn schon, dann hätte der Eintritt in die LINKE gleich bundesweit erfolgen müssen. Doch bezeichnenderweise geht die SAV mit keinem Wort auf ihre bisherige Politik ein. Was kümmert mich mein Geschwätz von Gestern? Diese Methode “Augen zu und durch”  ist allerdings schon von jeher das Markenzeichen der SAV und anderer Zentristen.

Der Entrismus der SAV ist seinem Ziel, seiner Methode, seinem Programm nach ungeeignet, einen “marxistischen” Flügel in der LINKEN zu bilden. Nach der erfolgreichen reformistischen Fusion von WASG und PDS ist die Dynamik Richtung einer Umgruppierung in der Linken und in der Arbeiterklasse bezüglich einer neuen Partei zurzeit zum Erliegen gekommen. Die LINKE-Reformisten haben sich durchgesetzt. Insofern ist auch die Erwartung, in dieser gefestigten und vom Apparat kontrollierten Partei eine Opposition aufzubauen, eine Illusion.

Die Politik der SAV führt nicht Kräfte im Kampf gegen den Reformismus zusammen, sondern ordnet diese dem (linken) Reformismus unter.

Jedes ernsthafte Mitglied der SAV sollte mit dieser Politik und der SAV brechen!

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