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Deutsches Sozialforum

Reformpalaver oder Anti-Kapitalismus?

Infomail 330, 18. Oktober 2007

Wenige Monate nach den Mobilisierungen von Heiligendamm trifft sich das 2. Deutsche Sozialforum (DSF). Ort und Datum sind kein Zufall. Wie schon Erfurt ist auch Cottbus ein Ort, wo soziale Probleme, v.a. die Arbeitslosigkeit, besonders groß sind.

Doch der große zeitliche Abstand zwischen den Treffen des Deutschen Sozialforums belegt, dass es deren OrganisatorInnen nicht etwa darum geht, die Mobilisierungen voran zu bringen und eine kontinuierlich arbeitende, bundesweit koordinierte Struktur zu schaffen. Auch der Tagungsort wurde leider nicht nur wegen der sozialen Probleme ausgewählt, sondern auch weil es hier weder eine starke Linke noch eine aktive Arbeiterbewegung gibt, die die OrganisatorInnen wie z.B. die Anti-G8-Demos in Rostock/Heiligendamm unter Druck setzen könnten.

Imperialistische Offensive

Den Spitzen von attac und ihren Funktionärs-Partnern aus den NGOs, der Linkspartei und dem Gewerkschaftsapparat geht es um etwas ganz Anderes.

Sie wollen eine Bewegung, die sie politisch kontrollieren; sie wollen eine Bewegung, die in Programm und Praxis in den Grenzen des Systems und seiner „grundgesetzlich-demokratischen“ Spielregeln bleibt; sie wollen eine Bewegung, die als Manövriermasse für reformistische Politik dient.

Heiligendamm bot guten Anschauungsunterricht dafür. Es war schon Skandal genug, dass das DSF nicht vor den Mobilisierungen tagte, um diese bundesweit in Schwung zu bringen, sondern erst Monate danach. Als der Staat vor und während des G8-Gipfels die Bewegung terrorisierte und massiv demokratische Rechte brach, stellten sich attac-Führer wie Peter Wahl nicht etwa klar gegen den Staatsterror - nein, sie mahnten zur „Besonnenheit“, wollten vermitteln und lehnten es offen ab, sich mit den direkt betroffenen Teilen der Bewegung - also v.a. linken und subjektiv antikapitalistischen Kräften - zu solidarisieren.

Dahinter steht die Illusion, dass der Staat, wenn man ihm nur genügend „Friedfertigkeit“ demonstriere, sich ebenfalls so verhielte. Heiligendamm - und genügend andere Ereignisse - zeigen hingegen, dass dem nicht so ist. Schäuble und Co. wollen jede Art von Protest und Widerstand gegen ihr System und dessen Auswirkungen kriminalisieren und bekämpfen.

Heiligendamm war jedoch kein Erfolg für den Staat - und auch nicht für die reformistischen Spitzen der Bewegung. Trotz Repression gab es große Proteste, das Bewusstsein war linker und antikapitalistischer als bei vielen Aktionen der letzten Jahre und als bei den großen Anti-G8 Protesten in Schottland im Jahr 2005.

Doch es gab auch ernste Schwächen. So waren die Gewerkschaften, also die organisierte Arbeiterklasse, fast nicht vertreten. Doch anstatt die DGB-Spitzen öffentlich energisch zur Unterstützung der Proteste aufzufordern und ihre Passivität anzuprangern, wollten Peter Wahl und Co. die DGB-Bürokraten nicht verärgern. Die Möglichkeit, die Anti-G8-Proteste mit dem zeitgleichen Telekom-Streik zu verbinden, wurde vertan. Der „Gegengipfel“ - von attac u.a. Reformisten parallel zu den Besetzungsaktionen organisiert - war ein Flop. Die Chance, Ziele, Strategie und Perspektiven der Bewegung offen zu debattieren, wurde - wie schon während der Vorbereitung von Heiligendamm - von den informellen Führern abgeblockt.

Bilanz

Die bundesweiten Demos im September gegen den Afghanistan-Einsatz und gegen Schäubles Überwachungs-Pläne waren hinsichtlich der Beteiligung schwach. Auch das zeigt, dass die soziale Bewegung ist in den letzten Jahren weder stärker noch aktiver geworden ist. Sie ist kein ernsthafter Faktor im  Klassenkampf, der über Proteste hinaus in der Lage wäre, seine Ziele auch gegen den Widerstand von Staat und Kapital durchzukämpfen. Die „Anti-Globalisierungs-Bewegung“ ist kaum mit der Arbeiterbewegung und deren Kämpfen (Streiks, Besetzungen) verbunden.

Was sind die Ursachen dieser Schwäche?

Trotz der „Vielfalt“ der sozialen Bewegung, die sicher auch eine Stärke ist, wird sie informell von einer Crew reformistischer FunktionärInnen dominiert. Sie sind weder an Mehrheitsbeschlüsse gebunden noch wirklich rechenschaftspflichtig ihrer Basis gegenüber. Daher auch ihr Beharren auf dem Konsens-Prinzip, mit dem verbindliche Beschlüsse verhindert werden. Das führt auch dazu, dass die heterogene Struktur der „sozialen Bewegung“ nicht zu einer handlungsfähigen Aktions-Einheit verbunden ist, die ihre unterschiedlichen Konzepte offen diskutiert.

Das Ergebnis dessen ist allerdings nicht einfach die „Buntheit“ der Bewegung, sondern die aus der Schusslinie der Kritik und aus der Verantwortlichkeit gegenüber der Basis genommene politische Dominanz von „Prominenten“ aus attac, NGOs, der Linkspartei und dem DGB.

Diese Kräfte repräsentieren aber nicht einfach „die Bewegung“ - sie repräsentieren v.a die Apparate, sie repräsentieren die in vielen NGOs vom Staat ausgehaltenen Funktionäre, sie repräsentieren sozial v.a. die Mittelschichten und die Arbeiterbürokratie.

Im Einklang mit deren Klasseninteressen steht auch ihr Ziel: die Bewegung dafür zu nutzen, auf Staat und Politik Druck auszuüben und kleinere Zugeständnisse zu erreichen. Sie orientieren sich also auf jene Kräfte, die letztlich im Interesse des Kapitals handeln. Daraus ergibt sich auch die Strategie: Proteste, mediale Wirkung, Kungeln der Apparate usw.

Auf einen Nenner gebracht läuft diese Politik auf die Reform des Kapitalismus hinaus - die „andere Welt,“ die möglich ist, soll eine modifizierte kapitalistische sein.

In Cottbus nimmt auch das Thema EU breiten Raum ein. Doch dabei geht es nicht etwa um die Frage, wie die weitere Formierung der EU zu einem imperialistischen Block unter Führung Deutschlands bekämpft werden kann. Stattdessen wird die Illusion geschürt, dass diese aggressive, rassistische und vom Monopolkapital beherrschte EU „sozialer, friedlicher, demokratischer“ gemacht werden könne. So werden nicht nur der Klassencharakter und das reaktionäre Ziel der EU ausgeblendet, v.a. wird die Sackgasse einer „alternativen“ - im Kern natürlich kapitalistischen - Verfassung als Perspektive aufgezeigt, anstatt den Klassenkampf gegen das EU-Projekt und die damit verbundenen Attacken wie Agenda 2010 und Hartz-Gesetze zu forcieren.

Doch all diese reformistischen Heilmittel helfen nicht! Sogar als der Reformismus noch stärker war als heutzutage, ist es ihm nicht gelungen, den Kapitalismus sozialer, friedlicher und  ökologischer zu modeln. Selbst wenn es zeitweilige und begrenzte Reformen gab, so waren diese direkt oder indirekt Ergebnisse von Klassenkämpfen der Arbeiterklasse und nicht von besonders „cleveren“ Reformkonzepten.

Die „Globalisierung“ - die letzte Phase der imperialistischen Weltordnung - zeigt nur drastischer als je zuvor, was Kapitalismus wirklich bedeutet: Unterdrückung, Ausbeutung, Konkurrenz, Vergeudung von Ressourcen, Krieg und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Die vertiefte Krise des Systems, die u.a. in massiver Überakkumulation,  schärferer Konkurrenz oder im „Krieg gegen den Terror“ zum Ausdruck kommt, provoziert aber auch verstärkten Widerstand - nicht nur in der „Dritten Welt“, sondern auch in den imperialistischen Metropolen. Dieses kämpferische Potential kann und muss in einer „sozialen Bewegung“ vereint werden, die nicht nur gegen diese oder jene Seite des Kapitalismus, sondern für den revolutionären Sturz des Kapitalismus insgesamt kämpft! Dafür braucht es aber eine Kraft im Klassenkampf, die alle Erfahrungen des Kampfes verarbeitet, eine Strategie für den Sieg erarbeitet und die Kräfte dafür - die Ausgebeuteten und Unterdrückten, die Arbeiterklasse und die Jugend - organisiert. Diese Kraft kann nur eine Partei sein, die größtmögliche innere Demokratie mit geschlossenem Handeln verbindet. Das bedeutet, eine neue, revolutionäre Arbeiterpartei und eine neue, die 5. Internationale aufzubauen!

Das ist keine Utopie! Auch in Deutschland schrumpft der Einfluss des Reformismus in Gestalt der SPD. Millionen wenden sich von ihr ab, Zehntausende suchten nach einer parteipolitischen Alternative zu ihr. Doch aus der WASG wurde - unter tätiger Mithilfe jener Leute, die auch in den sozialen Bewegungen den Ton angeben - keine neue Linke, sondern nur eine in LINKE umbenannte „alte“ PDS. Anstatt einer lebendigen, energischen Kraft gegen den Kapitalismus entstand nur eine Neuauflage der alten SPD, die den Kapitalismus mitregieren will.

Welche soziale Bewegung?

Was sind unsere Vorschläge dafür, wie es mit den sozialen Bewegungen und dem DSF weitergehen soll?

Offene Diskussion der Erfahrungen von Heiligendamm! Für eine Bewegung, die eine Koordinierung, einen „Selbstschutz“ gegen die Angriffe von Staat und  Bullen gegen Demos usw. schafft. Jeder Teil der Bewegung muss gegen die Repression verteidigt werden!

Für eine demokratisch gewählte und den Mehrheitsbeschlüssen der Basis direkt verantwortliche Koordination von Aktionen. Sie muss alle Teile, Bündnisse, Organisationen der „Bewegung“ repräsentieren. Schluss mit dem Konsensprinzip, das die politischen Differenzen verwischt und verbindliche Festlegungen zu Aktionen verhindert oder erschwert!

Für eine Orientierung auf die Arbeiterklasse und ihre Kämpfe, um eine Verzahnung von „sozialer Bewegung“ und Arbeiterbewegung zu erreichen! Konsequente Kritik an der „Tatenlosigkeit“ der Gewerkschaftsbürokratie und des Parlaments-Kretinismus und der Mitregiererei der LINKEN!

Für die Erarbeitung eines Aktionsplanes gegen die Angriffe von Staat und Kapital im Inneren und des Imperialismus nach außen!

Für die Schaffung einer bundesweiten Aktionseinheit gegen imperialistische Kriege und Besatzung und für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und anderswo!

Wir, die Liga für die Fünfte Internationale (L5I) und deren deutsche Sektion, die Gruppe Arbeitermacht, waren von Anfang an aktiver Teil der internationalen Bewegung gegen kapitalistische Globalisierung und imperialistische Kriege. Wir kämpfen darum, dass diese Bewegung zu einer mächtigen Kraft gegen den Kapitalismus wird.

Doch dazu ist nicht nur Vielfalt, sondern auch politische Klarheit notwendig. Dazu braucht es eine politische Kraft, die den Kapitalismus nicht „zähmen,“ sondern stürzen will: eine neue revolutionäre Arbeiterpartei und Internationale. Dafür treten wir in der Bewegung für ein Programm des revolutionären Sturzes des Kapitalismus und für den Kommunismus ein!

Diskutiere mit uns, kämpfe mit uns, schließ Dich uns an!

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