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Freudenstadt

Polizeigewalt gegen Nazi-Gegner

Korrespondent Freudenstadt, Infomail 310, 15. Mai 2007

13.05.07: Freudenstadt. Rund 200 „Autonome Nationalisten“, die für ihre Gewaltbereitschaft bekannt sind, zogen unter anderem mit „Juden Raus“ - Rufen durch Freudenstadt. Etwa 300 bis 400 Menschen demonstrierten gegen diesen Aufmarsch, den Polizei und Stadtverwaltung am liebsten geheim gehalten hätten.

Platzverweise und Ausschaltung demokratischer Rechte

Wer am Samstagmittag in Freudenstadt am Stadtbahnhof ankam, konnte die unglaubliche Polizeiwillkür, mit der gegen Nazi-GegnerInnen vorgegangen wurde, am eigenen Leibe erfahren. Eine Willkür, von der die Nazis allerdings trotz dutzender Verstöße verschont blieben. Dafür hatten sich mehre Hundertschaften sämtlicher Polizeifarbschattierungen eingefunden, um mit Unterstützung von Hunde- und Pferdestaffeln den Ausnahmezustand, also das kurzzeitige Fehlen von demokratischen Rechten, durchzusetzen.

Die ersten Platzverweise wurden bereits am Bahnhof wie Freilose verteilt - an Personen, die in einer Menschenmenge standen, in der angeblich jemand mit Steinen entdeckt wurde. Hier galt einmal mehr das Prinzip „mitgehangen mitgefangen“, wie ein Polizeisprecher erklärte.

Der Kreisvorsitzende der „Grünen Jugend“ widersprach dieser Darstellung der Tatsachen allerdings heftig. Er stand in einer Gruppe von 10 Jugendlichen direkt vor dem Jugendzentrum, welches sich gegenüber dem Aufmarschpunkt der Nazis befindet, als fast die ganze Gruppe einen Platzverweis bekam. Steine hatte allerdings keiner der Betroffenen dabei, betonte der GJ-Kreisvorsitzende. Die Begründung der Polizei wurde daraufhin kurzerhand geändert in “Personen, die die Demonstration möglicherweise stören könnten, bekommen einen Platzverweis.“

Die Journalistin der Südwestpresse, die diese Komödie mitbekam, wollte daraufhin von den Beamten wissen, warum dies auf diese jungen Leute zutreffe? Es gab keine Antwort - nur den Hinweis auf den Polizeisprecher. Der allerdings war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal in Freudenstadt, sondern noch in Horb, da die Polizei noch am Samstagmorgen annahm, die Demo der Nazis würde dort stattfinden.

Dabei machten die Polizisten auch vor eigenen Leuten in ihrer Verweisungswut nicht halt. Eine Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung Horb, die für die Horber Ortspolizeibehörde arbeitet, wurde beim Versuch, die Straße zum Bahnhof zu überqueren, ebenfalls der Stadt verwiesen. Vermutlich hatte sie auch Steine in ihren Hosentaschen ...

Gegen 13:45 Uhr waren es dann zu viele GegendemonstrantInnen, so dass die Polizei mit ihren Paltzverweisen nicht mehr nachkam. Der öffentliche Druck wurde zu groß und beendete dieses makabre Schauspiel. Auch aus dem benachbarten Horb rückten solidarische Gewerkschafter und KundgebungsteilnehmerInnen der dortigen Bürgerinitiative an. In Horb, wo die Nazi-Demo eigentlich geplant war, hatten verschiedene Gruppen, Vereine und die Stadtverwaltung eine Gegendemonstration und eine Kundgebung organisierte, an der sich rund 1.000 Menschen beteiligten.

Der Nazi-Aufmarsch

Als die Neonazis dann losmarschierten, benutzten sie direkt die Straße - trotz Ankündigung des Oberbürgermeisters, dass sie nur den Gehweg nehmen dürften, da die Straße für Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes auf dem Weg zum Kreiskrankenhaus freigehalten werden müsse.

Während die Polizei diesen klaren Verstoß gegen die Demo-Auflagen durch die Nazis tolerierte, ging sie sofort gegen die AntifaschistInnen vor. Anstatt die Nazis auf den Gehweg zu verfrachten, ging die Polizei daraufhin gewaltsam gegen die friedlichen Gegendemonstranten vor. Teilweise drückten drei Polizisten gleichzeitig einen Nazigegner zu Boden. Daraufhin skandierten die DemonstrantInnen: „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“. Dieser Satz, kann als Fazit dieses Samstags in Freudenstadt stehen.

Die Nazis haben gegen eine Reihe von Demonstrationsauflagen verstoßen, was die Polizei jedoch nicht zum Anlass nahm, einzuschreiten.

So fingen sie schon nach wenigen Metern an „Juden Raus“ zu rufen - mit dem (nach einer Pause) folgenden Zusatz „aus Palästina“. Wegen dieser antisemitischen Parole ermittelt bereits die Münchener Staatsanwaltschaft, in Freudenstadt befand die Polizei allerdings, dass so etwas durch die Meinungsfreiheit abgedeckt ist.

Auch die bürgerliche Presse beklagte nachher, dass die Polizei nicht gegen ausländerfeindliche Parolen der Nazis vorgegangen sei, obwohl ihnen Äußerungen untersagt worden waren, die „Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus“ beinhalten. Nachfolgend zwei Zitate ihrer Kundgebung: „Unsere Großstädte werden von fremden Kulturen überschwemmt“ und „Überfremdung ist die Folge einer Politik, die am Volk vorbeigeht.“ Auf Transparenten stand „Überfremdung stoppen - Multikulti rocken“ und „Den Aufstand wagen - das System zerschlagen.“ Auch zum „Nationalen Sozialismus“ bekannte sich ein Redner.

Während die Nazis also ungestört agitieren durften, wurde jegliche Form von Widerstand von links von der Polizei unterdrückt.

Allerdings gelang es ortskundigen Antifas und demokratisch gesinnten Einwohnern, die Polizeisperren zu umfahren und hinter der Abschlusskundgebung der Nazis, mitten in einem Wohngebiet ein Hupkonzert zu veranstalten. Dieses ging erfolgreich etwa eine Viertelstunde! Offensichtlich wussten die von weit angereisten „Nazisicherheitskräfte“ nicht, wie sie darauf reagieren sollten und so konnte erst ein Freudenstädter Beamter, der einige Zeit brauchte, um mit dem eigenen Dienstfahrzeug zum Ort des Geschehens zu kommen, das Hupkonzert beenden.

Es war schon ein seltsamer Samstagnachmittag im beschaulichen Freudenstadt. Der ansässigen Bevölkerung wurde ihr heiles Bild von der Staatsmacht erheblich zerrüttet.

Es wurden Stadtverweise gegen Menschen, die in Freudenstadt wohnen, ausgesprochen. Es wurden Demonstranten Gewalt angetan, sie wurden verjagt, verfolgt durch die Straßen gehetzt und sie wurden festgesetzt - nicht die Nazis. Die Polizei hat so für die FreudenstädterInnen deutlich gemacht, auf welch „neutralem“ Standpunkt sie steht und wie sie mit demokratischen Rechten von linken und antifaschistischen Kräften umgeht.

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