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Metall-Tarifrunde

Alles unter Kontrolle der Bürokraten

Infomail 308, 8. Mai 2007

Für Tarifergebnisse gibt es verschiedene Messlatten. Die grundlegende und schwierigste Frage ist die, welches Kräfteverhältnis zwischen Unternehmern und Beschäftigten dieses Ergebnis ausdrückt.

Einfacher zu beurteilen ist die Frage, wie sich die Verkaufsbedingungen für die Arbeiterschaft damit verändern; also die Frage, wie sich die Löhne und Gehälter erhöhen bzw. welche zusätzlichen Zahlungen erfolgen.

Das Ergebnis

Aber auch diese Beurteilung wird von Tarifergebnis zu Tarifergebnis komplizierter, da immer mehr Elemente eingeführt werden. Diese Komplexität, d.h. die schwere Überschaubarkeit von Tarifverträgen für die Beschäftigten allein ist schon ein Erfolg für die Unternehmer und für die Gewerkschaftsbürokratie, die damit eine wirkliche Kontrolle des Ergebnisses erschweren. Es ermöglicht ihnen zugleich, jeweils unterschiedliche Rechnungen aufzustellen und damit die jeweils eigene Klientel durch entsprechende Schönrechnungen zu befriedigen.

Das Tarifergebnis setzt sich aus einer Erhöhung der Lohn- und Gehaltstabellen zusammen, und zwar in 2 Stufen. Einmal findet zum 1. Juni eine Erhöhung um 4,1 % statt, ein Jahr später um weitere 1,7 %.

Zusammen ergibt sich nach einer Laufzeit von 19 Monaten damit eine Erhöhung um 5,87 % der Ecklöhne und damit der gesamten tariflichen Einkommen. Dazu kommen eine Einmalzahlung von 400,- € für April und Mai 2007 sowie ein Einmalbetrag von knapp 4 %, der im August 2008 bezahlt wird.

Das Ergebnis enthält auch eine Flexibilisierungskomponente, wie sie von der „Arbeitgeberseite“ in den letzten Jahren immer wieder verlangt wird. Die 2. Erhöhung um 1,7 % sowie der Einmalbetrag von 4 % können zeitlich verschoben werden und der Einmalbetrag würde sich durch die Verschiebung auch entsprechend verringern. Allerdings ist die Verschiebung der Tabellenerhöhung letztlich nicht zu vermeiden: spätestens zum 1. Oktober 2008 muss sie erfolgen.

Insgesamt stellt sich das Tarifergebnis also so dar, dass mit der 4,1 eigentlich eine - auch so von den ArbeiterInnen erwartete - Zahl steht, die aber durch die lange Laufzeit von 19 Monaten und die bescheideneren Erhöhungen im nächsten Jahr relativiert wird.

Gemessen an den Lohnerhöhungen vergangener Jahre und gemessen an den Lohnerhöhungen in anderen Branchen wie Chemie, ist das Ergebnis der IG-Metall sicher etwas besser. Vergleicht man es aber mit den Steigerungen der Profite in der Metallindustrie in den letzten Jahren und insbesondere mit der Steigerung der Produktivität in diesem Bereich, nimmt es sich eher bescheiden aus.

Die deutsche Metallindustrie befindet sich in einem Konjunkturhoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Gegenüber der ausländischen Konkurrenz hat die deutsche Metallindustrie erheblich Boden gutgemacht. Das die Kapitalisten trotzdem heulen und Bedenken haben, auch nur diese geringen Prozente abzugeben, zeigt, wie hart der Konkurrenzkampf weltweit ist; schon etwas geringere Profitraten sind oft eine Frage des Überlebens.

Im Verteilungskampf ist dieses Ergebnis also mit Sicherheit eine Niederlage; der Anteil der Löhne an den Umsätzen der Unternehmen wird weiter sinken, auch wenn von Seiten der IG-Metall-Funktionäre mit Verweis auf die gesamtgesellschaftliche Produktivitätsentwicklung, die deutlich unter derjenigen der Metallindustrie liegt,  dieses Ergebnis als „verteilungspositiv“ dargestellt wird.

Trotzdem wird dieses Ergebnis von vielen Beschäftigten als Erfolg angesehen, grade weil in den letzten Jahren die Erhöhungen so gering ausfielen, scheint eine Gesamterhöhung von fast 6 % in 1 ½ Jahren ein Schritt vorwärts. Dabei muss man sich allerdings fragen, was dahinter steht, wenn große Teile des einstmals kampffähigsten Teils der Arbeiterklasse in Deutschland mit relativ geringen Erhöhungen so zufrieden sind.

Gesellschaftlicher Kontext

Die umfassende Frage, ob dieses Ergebnis gesamtgesellschaftlich als Erfolg zu werten ist, muss ebenfalls mit einem klaren Nein beantwortet werden. Für dieses Ergebnis gab es keinen wirklichen Kampf. Eine einzige kurze Runde von Warnstreiks reichte aus. Daraus folgt, das eine wirkliche Mobilisierung für die Erfüllung der 6,5 % oder gar für die Forderung, die eigentlich aus den Betrieben kamen und die im Fall der Großbetriebe durchweg darüber lagen, zu einem deutlich höheren Ergebnis hätte führen können.

Gerade, weil in vielen Betrieben die Auftragsbücher voll sind und die Auslastung hoch, hätte ein Streik, selbst einer von wenigen Tagen, erheblichen Druck ausüben können. Ein solcher Streik wäre nach der Niederlage im Kampf gegen die Rente mit 67 und den Auseinandersetzungen um ERA in den Betrieben mit Sicherheit auch ein gutes Mittel gewesen, um das Selbstbewusstsein und die Kampfkraft der MetallerInnen zu erhöhen und hätte für die kommenden Auseinandersetzungen die Startposition erheblich verbessert. Diese Chance wurde nicht genutzt und offensichtlich sollte sie auch nicht genutzt werden.

Der Grund dafür, dass die IGM-Führung keine Ausweitung des Kampfes wollte ist nicht nur, weil sie Angst hat, dass dessen Dynamik die Grenzen des „Erlaubten“ sprengt und die Kontrolle der Klasse durch die Bürokratie infrage stellt. Dazu kommt noch, dass die Peters und Co. auch die Große Koalition und damit die Regierungsrolle „ihrer“ SPD nicht in Gefahr bringen wollte.

Ein Aspekt vor allem ist Anlass dazu, den Tarifabschluss nicht einfach als Erfolg buchen zu können. Die von der Gewerkschaftsspitze wie immer auf rein ökonomische Fragen beschränkte Tarifrunde hätte genutzt werden können müssen, um sie mit anderen Bereichen, die vor einer wichtigen Auseinadersetzung stehen, zu verbinden: z.B. mir dem sich abzeichnenden Kampf bei der Telekom gegen die Entlassung bzw. „Ausgliederung“ von 50.000 KollegInnen; sie hätte genutzt werden müssen, um auch andere Forderungen wie z.B. gegen die Rente mit 67, für Arbeitszeitverkürzung und für einen Mindestlohn aufzustellen und einen Kampf darum zu führen. Das hat die Bürokratie erfolgreich verhindert!

So wurde ein angesichts der konjunkturellen Bedingungen recht bescheidener Lohnzuwachs damit erkauft, dass die allgemeine Offensive des Klassengegners auf breiter Front ausgeblendet und damit deren weiterer Angriff erleichtert wird.

Natürlich ist ein ernsthafter Streik um die Erhöhung von wenigen Zehntelprozent nicht wirklich machbar. Die IG-Metall hätte also schon mit einer deutlich höheren Forderung in die Tarifrunde gehen müssen und vor allem Entschlossenheit zum Kampf demonstrieren müssen.

Die einzige Möglichkeit zu einem wirklich energischen Streik wäre ein organisiertes Vorgehen der Basis. Bei der Aufstellung der Forderung müssten Massenaktionen den Tarifkommissionen zeigen, wo es lang geht. Streikkomitees müssten von Anfang an um die Kontrolle kämpfen und die Mitglieder der Tarifkommission müssen jederzeit abwählbar sein. Sie dürfen nur aus Delegierten aus den Betrieben bestehen, im Streik muss die Mehrheit aus Streikbetrieben gestellt werden!

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