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Hessisches Sozialforum

Ein anderes Hessen ist möglich? Aber nicht so!

Infomail 280, 10. Oktober 2006

Das 2. Hessische Sozialforum stand unter dem Motto „Ein anderes Hessen ist möglich“. Beim ersten Sozialforum in Frankfurt wurde eine hessische Sozialcharta gegen die Sparpolitik der CDU-Alleinregierung verabschiedet, nun sollte es um die weitere Perspektive des Sozialforums gehen.

Neben unterschiedlichen Gliederungen der Gewerkschaften (IGM, GEW, ver.di) waren auch Vertreter der Erwerbslosenverbände, verschiedene kirchliche Gruppen, attac, BUND und andere Bürgerinitiativen anwesend. Auch zahlreiche StudentInnen waren vor Ort; gerade die Marburger StudentInnen waren Vorreiter der Studentenproteste und der Selbstorganisation der hessischen StudentInnen in diesem Jahr.

Als Einleitung wurde ein Film über das Weltsozialforum gezeigt. Damit sollte an die progressive Idee der Sozialforumsbewegung erinnert werden und das hessische Sozialforum sollte diesem Anspruch nach in dieser Tradition stattfinden – als Sammlungsbewegung gegen den globalen neoliberalen Kapitalismus. So wurden dann auch warme Worte gegen den „Neoliberalismus“ gefunden, von den revolutionären Bewegungen und Verhältnissen in Südamerika berichtet und auch die regionalen Proteste der StudentInnen und Bürgerinitiativen wurden in den globalen Widerstand einbezogen – so weit, so gut.

Interessanter war die Entwicklung der sog. „parteipolitischen Neutralität“ des Sozialforums – neben direkter Anwesenheit von SPD-Landtagsabgeordneten und FunktionärInnen mit dem „Andrea wählen!“-Button beobachtete man den Versuch von Seiten einiger GewerkschafterInnen, zusammen mit SPD und verschiedenen sozialen Gruppen eine stabile Basis für den Landtagswahlkampf 2008 aufzubauen.

Andrea Ypsilanti, SPD-Landesvorsitzende, befindet sich aktuell im Stechen um die Kandidatenkandidatur mit Konkurrent Walter, Fraktionsvorsitzender im hessischen Landtag. Dabei tritt „Andrea“ gerne als „Linke“ in der SPD auf, mit schärferer Rhetorik pro Vermögensteuer will sie gegen den wirtschaftsfreundlichen Walter bei der Basis punkten.

Wäre das Sozialforum wirklich eine Sammlung antikapitalistischer Kräfte gewesen, müssten solche Diskussionen nicht erwähnt werden, doch dieses Forum diente vornehmlich den reformistischen Kräften, um die Basis zu streicheln und Kontakt zu anderen Gruppen, speziell den StudentInnen, aufzunehmen. Als Lösung des Konflikts um die Studiengebühren wusste dann auch ein SPD’ler die Lösung: “Andrea wählen!“. Sobald Ypsilanti Ministerpräsidentin wäre, würde sie sofort das Gesetz zurücknehmen.

Hier wird massiv versucht, die Proteste in reformistische Halbhoffnungen umzuwandeln, wo StudentInnen zu neuen Wählern der Frau Ministerpräsidentin in spe gemacht werden sollen. Gleiches geschieht auch mit den unzähligen kleinbürgerlichen Bürgerinitiativen, die im Land entstanden sind, sei es gegen einen Flughafen, gegen eine Privatisierung, für eine Umgehungsstrecke etc. Für die Gewerkschaften, die von Beginn an die Sozialforen in Deutschland mitorganisiert haben, ist es nur ein logischer Schritt, wenn jetzt „ihre“ Kollegen von der SPD mit dabei sind. Ein paar Grüne und Attacies runden dann die Ideologie ab und sozialer Protest kann kanalisiert werden.

So gab es dann ein „buntes“ Potpourri an politischer Bildung in den angebotenen Workshops: von Energiepolitik, Südamerika, Rüstung, Ausbildung & Studium über MigrantInnenpolitik, Wasserprivatisierung, lokale Verkehrsnetze, Wohnungsprivatisierung, Privatisierung im Gesundheitsbereich bis zum Grundeinkommen, prekärer Arbeit an hessischen Schulen, Selbstorganisation für Erwerbslose, Protest gegen Flughafenausbau, Finanzierung öffentlicher Aufgaben und der Jugendarbeitslosigkeit.

Wenn nur ein vernünftiger Workshop zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben stattgefunden hätte, wäre die Hälfte der Workshops überflüssig gewesen – diese Themen wurden mehrfach aufgesplittert, wie soll da eine vernünftige Vernetzung der Aktiven stattfinden, wenn sie zu unterschiedlichen Antiprivatisierungsworkshops laufen müssen.

Ganz schweigen sollte man lieber über die politische Arbeit dieses Forums. Außer warmen Worten gegen abstrakte „Imperien“ und dem „solidarischen Eintreten für die Armen der Welt“ konnte der Teilnehmer wenig Konkretes aus der Versammlung mitnehmen. Kein Wort darüber, wie der Kampf organisiert werden muss, kein Wort über gemeinsame Aktionen der Arbeiter mit den sozialen Bewegungen, kein Wort über die konkrete politische Zielrichtung des Sozialforums.

Wenn die Sozialforen nicht zur politischen Schaubühne reformistischer Gewerkschaften und Parteien verkommen sollen, müssen die AktivistInnen der sozialen Bewegungen die Kontrolle über die Strukturen bekommen. Dann gibt es keine abendlichen „Koordinierungstreffen“, sondern Wahlen einer politischen Koordinierung, die in der Lage ist, die Kämpfe der verschiedenen Gruppen zu bündeln, und an einer klaren antikapitalistischen Programmatik arbeitet.

Wir brauchen die Sozialforen nicht als quasi Vorfeldorganisationen der Gewerkschaftsbürokratie und Teilen der SPD, wir brauchen eine Zusammenarbeit mit den oppositionellen Kräften in den Gewerkschaften, brauchen Sozialforen, bei denen der Begriff Klassenkampf auch mal im Laufe des Tages genannt wird und die vor allem danach handeln. Erst wenn die Illusionen in einen „besseren Kapitalismus“, in ein „neues“ keynesianisches Modell nicht mehr die Sozialforen bestimmen, können diese auch einen aktiven, konkreten Beitrag zum Klassenkampf leisten.

Wenn das nicht passiert, werden nur wieder Aktive aus den sozialen Bewegungen wie denen der Arbeitslosen, erneut enttäuscht werden und vielleicht ihren politischen Rückzug antreten. Keine SPD (das haben die 7 Jahre Schröder gezeigt), keine Grünen, keine Linkspartei kann uns einen „sozialen Kapitalismus“ bescheren. Es ist das Kapital selbst; über den bürgerlichen Staat bestimmt und verändert der globale Kapitalismus unsere Lebensverhältnisse.

Nur eine entschlossene antikapitalistische und internationale Bewegung kann diesem Angriff etwas entgegensetzen. Dafür waren die Sozialforen auch gedacht – es liegt nun an den revolutionären Kräften, in diesen Foren für eine klare antikapitalistische Programmatik einzutreten.

Die weltweiten Sozialforen können eine Basis für eine neue, die 5. Internationale sein. Die Arbeiterbewegung und die Unterdrückten brauchen heute mehr als jemals zuvor einen globalisierten Widerstand. In der globalen Konkurrenz des Kapitals werden ganze Volkswirtschaften und Kontinente dahingerafft (Afrika), die anderen einem brutalen Wettbewerb um Produktion und Arbeitsplätze ausgesetzt. Seien es Institutionen wie die EU, die WTO, die IWF oder die Weltbank – der Kapitalismus organisiert die verschärfte Ausbeutung auf globaler Ebene.

Die antikapitalistische Bewegung muss eine angemessene Antwort geben, der globalen Konkurrenz muss die internationale Solidarität entgegenstehen, den Profitinteressen des Kapitals die Lebensinteressen der übergroßen Mehrheit der Weltbevölkerung.

Dafür brauchen wir revolutionäre kommunistische Arbeiterparteien, die als Organe der Internationale den sozialen und politischen Kampf in jedem bürgerlichen Staat führen, eine kommunistische Jugend die ihre Kämpfe vernetzt und die Jugendinternationale aufbaut – nur als globale Akteure können wir den globalen Angriff des Kapitals zurückschlagen.

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