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DGB-Demo gegen Bolkestein:

Kein Grund zur Entwarnung

Infomail 246, 13. Februar 2006

Der Berliner Tagesspiegel versteht die Welt nicht mehr. 50.000 folgten dem Aufruf des DGB und anderer, gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie zu demonstrieren.

“Dabei haben die Gewerkschaften eigentlich gar keinen Grund mehr, wütend zu sein. Der Bolkestein-Entwurf ist nämlich längst vom Tisch,“ verkündet das Blatt am Sonntag und schließt sich der Desinformationskampagne der bürgerlichen Medien an.

Verschwiegen wird nicht nur, dass die Korrekturen an der Substanz des Entwurfes wenig ändern. Verschwiegen wird auch, dass das letzte Wort über die Dienstleistungsrichtlinie nicht das EU-Parlament, sondern die Kommission hat.

Diese Fakten sind bekannt. Daher demonstrierten 50.000 Menschen, v.a. GewerkschafterInnen, am 11. Februar lautstark in Berlin. Der Zug wurde von mehreren Wagen der Müllwerker angeführt, um so die Solidarität mit dem Streik im Öffentlichen Dienst zu demonstrieren. Außerdem wurden in den Reden und von der Moderation Solidaritätsadressen an die Streikenden bei AEG in Nürnberg und bei Gate Gourmet in Düsseldorf verkündet.

Neben zahlreichen Gewerkschaftsblöcken war als politische Kraft in erster Linie die WASG mit vielen Transparenten dabei (und deutlich sichtbarer als die PDS). Es folgte Solid mit einen relativ großen Block. Praktisch nicht öffentlich präsent waren die SPD oder die Grünen, die sich in früheren Jahren noch gern unter das Gewerkschaftsvolk gemischt hatten. Die RednerInnen von SPD und Grünen wurden ausgepfiffen.

Der Unmut über die Sozialdemokratie wie auch über die kleinbürgerlichen Grünen machte sich auch bemerkbar, als DGB-Chef Sommer in seiner Abschlussrede noch einmal betonte, dass diese Parteien (wie auch der konservative CDA) nicht auszupfeifen seinen, da sie sich doch jetzt als „lernfähig“ erweisen würden.

Mehr noch. Einer der Hauptredner auf der Abschlusskundgebung war Klaus Feuler, Vizepräsident des Deutschen Handwerkskammertages (DHKT). Auch er fordert das EU-Parlament auf, dem Entwurf nicht zuzustimmen – weil Europa gleiche Wettbewerbsbedingungen brauche, während die Dienstleistungsrichtlinie deutsche Klein- und Mittelbetriebe benachteiligen würde.

Statt in ganz Europa gemeinsam gegen jeden Angriff alle Unternehmerfraktion zu kämpfen und international koordinierte Aktionen aller betroffenen Lohnabhängigen voran zu treiben, sucht der DGB wieder einmal den nationalen Schulterschluss mit jenen Ausbeutern, die fürchten, im verschärften Konkurrenzkampf ohne Schutz durch ihren Staat zu unterliegen.

Das zeigte sich auch bei der Mobilisierung. Die Berliner Demo war mit 50.000 gut besucht und lautstark. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass der DGB (und der Europäische Gewerkschaftsbund) die Demo als eine Alternative zur Mobilisierung der sozialen Bewegungen in Strassburg organisiert hatte. Es ist auch kein Wunder, dass ein Unternehmervertreter wie Feuler auf der Abschlusskundgebung sabbeln durfte, während kein/e VertreterIn der sozialen Bewegungen zu Wort kam (es sei denn, man versteht den Grünen-nahen BUND oder den paritätischen Wohlfahrtsverband als solche).

Kein Wunder, denn der DGB will nicht im gemeinsamen Kampf, mit Demonstrationen und politischen Massenstreiks die Dienstleistungsrichtlinie in ihrer Gesamtheit zu Fall bringen, sondern – ähnlich wie bei den unsäglichen Hartz-Gesetzen – Bolkestein am Verhandlungsweg nur „nachbessern.“

„Nachdem klar war, dass die Gewerkschaften in ganz Europa nicht locker lassen und unsere Demonstrationen vom 8. März vergangenen Jahres in Brüssel keine Eintagsfliege war, ist hinter den Kulissen hart verhandelt worden. Bis in die letzten Tage hinein. Und da ist gar  mancher Fortschritt erzielt worden. Dafür sage ich ausdrücklich Dank. Ich sage aber zugleich: Wir müssen wachsam bleiben. Denn erstens ist der zwischen den  Sozialisten und der Europäischen Volkspartei erzielte Kompromiss, der vielen unserer  Forderungen entgegen kommt, noch nicht in Sack und Tüten. Gerade die konservative  Fraktion im Europaparlament ist in dieser Frage nach wie vor tief zerstritten. Zum zweiten: Selbst wenn das Parlament in unserem Sinne entscheiden sollte, ist erst ein Etappensieg erreicht, sicherlich ein wichtiger, aber eben kein endgültiger. Denn dann ist die  Kommission mit Barroso & Co. am Zug. Und das ist eben alles andere als die Garantie für  sozialen Fortschritt.“ (Rede von Sommer auf der Demo am 11.2.)

So läufts also. Würde die etwas abgemilderte Richtlinie durchkommen, wäre „in unserem Sinne entschieden,“ ein „Etappesieg“ errungen worden!

Wer sich dem Durchbruch so nahe wähnt, braucht sich über zukünftige Kampfschritte selbstredend auch keinen Kopf zu machen. Schließlich wird auch in Zukunft so „mancher Fortschritt“ am Verhandlungstisch errungen werden – oder zweifelt jemand an der Wachsamkeit solch verlässlicher Verhandler wie Michael Sommer?

Dabei traten auch auf dieser Demonstration wachsende Unzufriedenheit und Kampfbereitschaft zutage. Die Vereinheitlichung, Koordinierung und politische Ausrichtung der Kämpfe gegen die Angriffe von Kapital, Staat und EU-Kommission ist und bleibt eine Schlüsselfrage in der gegenwärtigen Situation.

Die politische Ausrichtung der Gewerkschaftsführung verdeutlicht jedoch auch: Die Vereinheitlichung und Koordinierung der Kämpfe ist jedoch keineswegs nur ein organisatorisches oder Vernetzungsproblem. Es ist vor allem ein politisches.

Erstens, weil der Angriff auf verschiedene Bereiche - sei es die Dienstleistungsrichtlinie, Port Package oder die Schließung von Betrieben alle Teil einer umfassenden Offensive von Kapital und Regierungen auf die Lohnabhängigen sind. Diese Angriffe können letztlich nur erfolgreich abgewehrt werden, wenn der Widerstand selbst über einzelne Betriebe oder Branchen hinausgeht, einen gesellschaftlichen, politischen und internationalen Charakter annimmt.

Zweitens, weil er nur erfolgreich abgewehrt werden kann, wenn die Proteste über symbolische Aktionen, gelegentliche Großdemos oder Warnstreiks hinausgehen. Es bedarf europaweit koordinierter Streiks, politischer Massenstreiks bis hin zum Generalstreik!

Dazu reicht es nicht, nur Forderungen an die existierenden Führungen zu stellen – es ist auch notwendig, eigene Kampfstrukturen aufzubauen:

eine Basisbewegung gegen die Bürokratie in Gewerkschaft und Betrieb;

Aktionskomitees in den Stadtteilen;

eine bundesweite und internationale Koordinierung des Kampfes;

eine neue Arbeiterpartei, die gegen Kapitalismus und für die sozialistische Revolution kämpft!

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