Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

NEin zur Flexibilisierung der Dienstleistungen:

Bolkestein zu Fall bringen!

Arbeitermacht-Flugblatt, Infomail 245, 8. Februar 2006

„Eine unheilige Allianz der Besitzstandswahrer und der Steinewerfer,“ sah der Hamburger CDU-Europaabgeordnete Jarzembowski am Werk, als die Hafenarbeiter erfolgreich das neo-liberale „Port Package II“ zu Fall brachten.

Das Port Package hätte den Dockern die Privatisierung von Diensten, massive Verschlechterungen der Löhne und Arbeitsbedingungen und die Zerstörung ihrer gewerkschaftlichen Organisationen gebracht.

Da empört sich ein CDUler, dem der "Besitzstand" der Arbeitenden ein Graus ist, das Eigentum der Kapitalisten aber heilig. Er empört sich über Steine und möchte Zehntausende in Armut und Elend stoßen.

Genauso verlogen und scheinheilig wie Jarzembowski kommt die „Dienstleistungsrichtlinie" daher, benannt nach ihrem Erfinder Bolkestein. Im Namen der Schaffung von Zehntausenden Arbeitsplätzen (bei gleichzeitiger Zerstörung anderer) werden die Rechte und Löhne von Millionen Arbeitenden in Europa angegriffen.

Erfolg der Hafenarbeiter

Das Port Package konnte wie schon 2003 dieses Jahr erneut erfolgreich abgewehrt werden. Warum? Erstens, weil 40.000 HafenarbeiterInnen nicht auf bloße Proteste vertrauten, sondern koordiniert in den großen Häfen wie Hamburg, Le Havre, Rotterdam und Antwerpen streikten.

Zweitens, weil sie ihren Kampf auch gegen die EU-Zentralen richteten und vor dem Parlament in Strassburg den Abgeordneten Dampf machten; weil sei begannen, ihrem Protest eine internationale, gesellschaftliche und politische Dimension zu geben.

Genau das brauchen wir auch gegen die Bolkestein-Richtlinie! Sie ist ein zentraler Bestandteil des europaweiten Angriffs auf alle Lohnabhängigen, der in der Agenda von Lissabon 1999 festgelegt wurde.

Von der Richtlinie, die am 14. Februar ins EU-Parlament kommt, sind rund 70 Prozent aller Arbeitsverhältnisse in der EU betroffen. Unter Dienstleistungen werden dabei alle möglichen Tätigkeiten verstanden - Bau, Transport, Öffentlicher Dienst, alle Formen der Leiharbeit (inklusive der Leiharbeitsjobs in der Industrie).

Im Zentrum der Richtlinie steht das „Herkunftslandprinzip“. Danach können Unternehmen in anderen EU-Staaten unter den Bedingungen aktiv werden, die im Staat ihres Firmensitzes gelten. Die Folge davon wäre, dass mehr Unternehmen ihren Sitz in Staaten mit niedrigeren Standards verlegen und der Wettlauf um die niedrigsten Löhne, Steuern und sozialen Absicherungen zwischen den Mitgliedstaaten weiter angeheizt würde.

Hintergrund der Angriffe

All das ist kein „Versehen“ oder „Unvernunft“ der EU-Kommission. Sie bedient damit die Interessen des europäischen, nicht zuletzt des deutschen Kapitals im Kampf um höhere Profite und besser Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt.

Die Vereinheitlichung des europäischen Marktes soll dazu dienen, dass sich grenzüberschreitend neue multinationale Unternehmen herausbilden können. Die Privatisierung bislang staatlich organisierter Bereiche soll neue lukrative Sphären für Anlage suchendes Kapital schaffen und möglichst große Kapitalmengen auf den internationalen Finanzmärkten anziehen.

All das ist für das Kapital nur möglich durch einen europaweiten Angriff auf die Lohnabhängigen:

durch massive Reduktion der Lohnkosten, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, kurz: Erhöhung der Ausbeutungsrate großer Teile der Arbeiterklasse und Verschärfung der Konkurrenz unter den Lohnabhängigen;

durch die Zerstörung vorhandener Rechte der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen.

Welcher Weg?

Die Aktionen der Hafenarbeiter zeigen, in welche Richtung wir gehen müssen. Die Spitzen der europäischen und deutschen Gewerkschaften bewegen sich jedoch in eine ganz andere Richtung. Statt einem klaren NEIN zu Bolkestein wollen DGB und der Europäische Gewerkschaftsbund nur „nachbessern.“ So heißt es im Aufruf:

„Wir brauchen einen Binnenmarkt für Dienstleistungen, der zugleich den Interessen und dem sozialen Schutz der  Beschäftigten dient.“

Ebenso gut könnte der DGB einen Kapitalismus fordern, der Ausbeutern und Ausgebeuteten gleichermaßen nutzt. Solches Wunschdenken hilft nur denen, die ohnehin über die Macht in der Gesellschaft und im Staat verfügen - der herrschenden Kapitalistenklasse!

Ähnlich unnütz sind die Verweise der Gewerkschaftschefs Sommer und Bsirske auf die Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Arbeitskräfte.

Solche Argumente steigern nicht die Kampfbereitschaft - sie spalten. Sie leisten sozialchauvinistischer Standortlogik Vorschub, statt den Kampf gegen den Kapitalangriff international zu koordinieren. Die Argumente von Sommer und Bsirske richten sich nicht an die Beschäftigten und Erwerbslosen aller Länder, sondern an die „eigenen“ Unternehmer, die die Arbeitsproduktivität der „eigenen“ ArbeiterInnen nicht ausreichend würdigen würden.

Es ist daher auch kein Wunder, dass der DGB-Aufruf außer der Aufforderung an die EU-ParlamentarierInnen, gegen die Richtlinie zu stimmen, keine weitere Handlungsperspektive enthält.

Dabei wissen wir, dass auf die ParlamentarierInnen und ihre Versprechen kein Verlass ist. Selbst wenn sie unter dem Druck der Straße gestern gegen Port Package gestimmt haben oder jetzt gegen Bolkestein stimmen mögen, so ist klar, dass das für uns nur eine Atempause ist, bis die nächste Richtlinie auf den Tisch kommt.

Wie weiter?

Die letzten Monate zeigen, dass es wachsende Unzufriedenheit, aber auch Kampfbereitschaft und Aussicht auf Erfolg gibt. Die Vereinheitlichung, Koordinierung und politische Ausrichtung dieser Kämpfe ist und bleibt die Schlüsselfrage in der gegenwärtigen Situation.

Während die in den einzelnen Ländern gut organisierten Hafenarbeiter (deren gewerkschaftlicher Organisationsgrad z.B. in Deutschland über 90 % beträgt) aufgrund ihrer besseren internationalen Verbindung, aber auch ihrer großen ökonomischen Druckmöglichkeiten recht gute Chancen gegen die Angriffe des Kapitals haben, sind andere Branchen und Sektoren noch viel mehr auf gemeinsame Aktionen angewiesen.

So z.B. die Beschäftigten in den von Schließung bedrohten Betrieben wie AEG in Nürnberg, Samsung, CNH oder JVC in Berlin.

Das betrifft auch die Beschäftigten in den von Angriffen bedrohten Klinika und Krankenhäusern, bei denen der Streik natürlich ein weniger scharfes ökonomisches Mittel darstellt als z.B. die Lahmlegung der größten Häfen Europas.

Die Vereinheitlichung und Koordinierung der Kämpfe ist jedoch keineswegs nur ein organisatorisches oder Vernetzungsproblem. Es ist vor allem ein politisches.

Erstens, weil der Angriff auf verschiedene Bereiche - sei es die Dienstleistungsrichtlinie, Port Package oder die Schließung von Betrieben alle Teil einer umfassenden Offensive von Kapital und Regierungen auf die Lohnabhängigen sind. Diese Angriffe können letztlich nur erfolgreich abgewehrt werden, wenn der Widerstand selbst über einzelne Betriebe oder Branchen hinausgeht, einen gesellschaftlichen, politischen und internationalen Charakter annimmt.

Zweitens, weil er nur erfolgreich abgewehrt werden kann, wenn die Proteste über symbolische Aktionen, gelegentliche Großdemos oder Warnstreiks hinausgehen. Es bedarf europaweit koordinierter Streiks, politischer Massenstreiks bis hin zum Generalstreik!

Politische Ausrichtung

Zweifellos ist das heute noch ein langer Weg. Es ist vor allem ein langer Weg, weil die in der Bewegung dominierenden gewerkschaftlichen und politischen Kräfte - vom linken Flügel der SPD, der PDS über die Gewerkschaftsbürokratie bis hin zur europäischen Linkspartei, der WASG-Führung oder attac einer solchen politischen Orientierung entgegenstehen.

Sie wollen die Bewegung letztlich immer auf ein Mittel für einen „vernünftigen“ Kompromiss mit der herrschenden Klasse, für eine andere bürgerliche Politik zurechtstutzen.

Zweifellos führt in der aktuellen Situation und angesichts ihrer Dominanz über die Bewegung und ihre Aktionen kein Weg daran vorbei, in den Mobilisierungen, auf Aktionskonferenzen, in der WASG usw. Forderungen an diese Führungen zu stellen und - wo sie sich dafür aussprechen oder real mobilisieren - mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Aber diese Zusammenarbeit muss immer auf die gemeinsame Aktion und die Mobilisierung für gemeinsame Ziele (z.B. Bolkestein zu Fall zu bringen) beschränkt sein. Die Kritik an diesen Führungen und ihrer reformistischen Politik, die letztlich in die Sackgasse führen, darf dabei nicht verschwiegen werden!

Vor allem geht es darum, eigene Kampfstrukturen zu propagieren, bei Aktionen und Demos dafür zu agitieren und diese auszubauen:

eine Basisbewegung gegen die Bürokratie in Gewerkschaft und Betrieb;

Aktionskomitees in den Stadtteilen;

eine bundesweite und internationale Koordinierung des Kampfes;

eine neue Arbeiterpartei, die gegen Kapitalismus und für die sozialistische Revolution kämpft!

Leserbrief schreiben   zur Startseite

Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::