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Hamas Wahlsieg

Alles neu?

Infomail 243, 28. Januar 2006

"Die Ergebnisse dürften uns mit einer völlig neuen Situation konfrontieren, die wir beim EU-Außenministertreffen am Montag diskutieren werden“, erklärte EU-Außenminister Solana.

Zweifellos kam der Wahlsieg der Hamas für alle Seiten überraschend. PalästinenserInnen, Israelis und die Imperialisten hatten mit einer Fortsetzung der Fatah-geführten Regierung gerechnet. Schließlich fanden die Wahlen ja auch dazu statt, die Politik von Abbas und Kureia zu legitimieren, also eine dem zionistischen Staat und dem Imperialismus genehme Regierung mit dem Mandat zu weiteren Befriedungsabkommen zu versehen.

„Isolation“ oder „Lernen“

Der Westen hat die „Optionen“ für eine zukünftige Palästinenser-Regierung gleich deutlich gemacht: Entweder akzeptiert eine Hamas-geführte Regierung den bisher beschrittenen Weg „zum Frieden“, genauer zur Befriedung, dann kann auch mit ihr verhandelt werden.

Sie muss dazu nur das tun, was die PLO Ende der 80er Jahre tat - Anerkennung des Staates Israel, Zufriedengeben mit der „Zweistaatenlösung“, bei der der „eigene“ Staat den PalästinenserInnen wie Wüstensand zerrinnt.

Oder die Unterdrückung der PalästinenserInnen in den besetzen Gebieten wird weiter verschärft, die EU-Gelder werden gestoppt usw. Kurzum: die Israelische Regierung erhält für jede Repressionsmaßnahme freie Hand, bis die Palästinenser „zur Vernunft“ kommen, also Hamas die Bedingungen von USA, EU und Israel erfüllt haben oder die Palästinenser eine andere Administration ins Amt setzen.

So neu ist das alles nicht.

Fortsetzung der alten Politik

Dass sich die Hamas resp. eine von ihr geführte Regierung als ein „verlässlicher“ Verhandlungspartner entpuppen kann, gestehen auch die Imperialisten unter der Hand zu.

Auch Arafat und Abbas galten einst als „Terroristen“. Nachdem sie einige „diplomatische“ Vorleistungen erfüllt hatten, waren sie „Partner“, die ihre eigenen Leute verkauften und dafür ein eigenes Staatsgebilde erhielten.

Zweifellos kann sich die Hamas in eine ähnliche Richtung entwickeln, zumal nun ihren Führern die Fördergelder der EU winken, sollten sie deren Bedingungen erfüllen. Unter solchen Voraussetzungen kann sich die Hamas kurzfristig sogar als der zuverlässigere Partner Israels, der USA und der EU erweisen, verfügt sie doch über größere Geschlossenheit und Kontrolle ihrer eigenen Anhänger als die mehr und mehr in rivalisierende Gruppen zerfallene Fatah.

Hinzu kommt, dass der Hamas auch die „soziale Sicherung“, also die Abfederung des in erster Linie durch den Imperialismus und die zionistische Besatzung verursachten Elends zugetraut wird. Solche „engagierte“ Sozialpolitik wird nämlich auch in Zukunft noch gebraucht, haben doch weder Israel noch die Imperialisten vor, die Millionen arbeitslosen und ins Elend gedrückten PalästinenserInnen wieder in Lohn und Brot zu bringen.

Im Gegenteil: die Regierung Scharon hat mit dem Mauerbau und der von ihr vorgesehenen „Befriedung“ (Abzug der Siedler aus Gaza; gleichzeitige Festigung der Kontrolle über weite Teile der Westbank) auch eine stärkere Separierung von palästinensischer und israelischer Bevölkerung vorgesehen. So ist in den letzten Jahren, also praktisch schon seit dem Ende der ersten Intifada, die Beschäftigung palästinensischer ArbeiterInnen aus den besetzten Gebieten auf ein Minimum gesunken - und keine israelische Partei, die irgendwie für die Regierung in Frage kommt, hat vor, diesen Prozess rückgängig zu machen.

Kein Grund zum Jubeln für die PalästinenserInnen

Der Wahlsieg der Hamas verdeutlicht, dass die große Masse der PalästinenserInnen von der Politik der Fatah-geführten Administration die Nase voll hat.

Ein Teil der Stimmen für Hamas war zweifellos ein Ausdruck des Protests - nicht nur mit der Korruption und Vetternwirtschaft von Abbas und Co., sondern natürlich auch mit der „Friedenspolitik“, den permanenten Zugeständnissen an den zionistischen Staat.

Zweifellos hat auch die unversöhnliche Haltung der Hamas gegenüber Israel Stimmen gebracht.

Der Grund dafür liegt nicht darin, dass die Masse der PalästinenserInnen mit der politischen Lösung übereinstimmt, die die Hamas befürwortet - die Schaffung eines reaktionären islamistischen Staates. Der Grund liegt auch nicht darin, dass die Masse der PalästinenserInnen durch und durch antisemitisch wäre und deshalb der antisemitischen Hamas ihre Stimme gegeben hätte.

Vielmehr liegt sie an zwei anderen Faktoren:

Erstens ist der Bevölkerung bewusst, dass die Korruption und Vetternwirtschaft der Autonomiebehörde zwar abstoßend, nicht jedoch die eigentliche Ursache ihrer Misere darstellt. Die Hamas hat viele Stimmen erhalten, weil sie offen die Verantwortung Israels und des Imperialismus für das Elend, für 90 Prozent Arbeitslosigkeit in großen Teilen der Besetzten Gebiete usw. angesprochen hat.

Zweitens zeigt das Wahlergebnis die Krise der palästinensischen Linken. Diese hat sich zu lange hinter der Fatah versteckt und konnte keine eigene, antizionistische und sekulare, geschweige denn sozialistische Perspektive im Kampf für einen gemeinsamen Staat von PalästinenserInnen und JüdInnen weisen.

Zweifellos wird die politische Herrschaft der Hamas in der nächsten Periode v.a. die PalästinenserInnen in den Besetzten Gebieten treffen - sie, v.a. die Frauen, werden unter einer verschärften Islamisierung leiden. Im Falle eines Ausverkaufs an den Imperialismus wird die Hamas gegen palästinensische KritikerInnen eines solchen schärfer vorgehen als dies die Fatah tat (oder zu tun vermochte).

Widersprüche bleiben

Gleichzeitig bleiben aber die sozialen und nationalen Gegensätze, ja sie werden sich in der nächsten Periode verschärfen.

Wer immer die nächste israelische Regierung stellen wird, wird entweder „unilateral“ den Mauerbau und die Politik Scharons fortsetzen - mit oder Zustimmung der palästinensischen Regierung.

Der Imperialismus - ob USA oder EU - wird diese Politik voll unterstützen. D.h. aber auch, dass sich die Auswirkungen der Unterdrückung in Palästina weiter verschärfen. Zugleich werden auch die sozialen Gegensätze in Israel anwachsen.

In dieser Situation muss sich die palästinensische Linke neu konstituieren. Gegen die Islamisten und Nationalisten muss eine neue, sozialistische Arbeiterpartei aufgebaut werden, die auch enge Verbindungen zu Anti-ZionistInnen in Israel unterhält – eine Partei, die den Kampf gegen Imperialismus, Zionismus und Kapitalismus führt mit dem Ziel eines gemeinsamen sozialistischen Staates in Palästina.

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