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Bericht einer Beschäftigen der Uni-Klinik Tübingen

Streik im Krankenhaus

Infomail 228, 11. Oktober 2005

Seit dem 05.10.05 sind die nichtwissenschaftlichen Beschäftigten der 4 Unikliniken Baden-Württemberg im Streik.

Die Arbeitgeber der Universitätskliniken sind aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgetreten mit dem Ziel, eigene Tarifverträge auszuhandeln, die deutlich schlechter für die Beschäftigten sein sollen, als es der reformierte BAT (TVöD) ist. Interessant ist das für die Vorstände der Kliniken deshalb, weil sie als Anstalten des Öffentlichen Rechts Gewinne einfahren können.

Der BAT ist zum 31.01.2005 gekündigt und seit dem laufen schleppend die Verhandlungen. Ver.di als Verhandlungsführer der Beschäftigten bestand zunächst auf gemeinsame Verhandlungen der vier Klinika und als das entschieden war, bestand sie darauf, zuerst über Arbeitszeit und Lohn zu verhandeln.

Die Forderungen sind:

Erhalt der 38,5 Stunden/Woche

Erhalt des Urlaubsgeldes

Erhalt des Weihnachtsgeldes in Höhe von 2004 nach BAT gezahlt

50 Euro mehr Lohn pro Monat

25 Euro mehr Lohn für Azubis

Schon davon, im Juli 2004, wurde von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder der Arbeitszeittarifvertrag gekündigt und alle Neueingestellten arbeiten seit 1. Juli 2005 41 Stunden/Woche, bekommen kein Urlaubsgeld mehr und nur ein abgesenktes Weihnachtsgeld.

Wir fordern also nur die Rücknahme der schon vorhandenen Verschlechterungen plus minimale und dringend nötige Gehaltserhöhungen.

Nach einigen Warnstreiks in diesem Jahr sind die Arbeitgeber von der 41 Stunden/Woche abgerückt und bieten 40 Stunden/Woche für alle Beschäftigten. Das ist aber für uns inakzeptabel! 38,5 Std/Woche für Alle, dabei bleiben wir!!

Nachdem die Tarifverhandlungen am 20.09.05 für gescheitert erklärt wurden, führte ver.di vom 26.09. bis 29.09. in allen vier Klinika die Urabstimmung durch.

Das Ergebnis war eindeutig: über 90 % der Mitglieder stimmten für Streik!! Es war eine klare Ansage: Es reicht!! Wir lassen uns nicht alles gefallen.

Wie lief der Streik in den ersten drei Tagen?

An der Uniklinik Tübingen war von Anfang an geplant das gesamte Klinikum zu bestreiken.

Die Woche der Urabstimmung wurde genutzt für Abteilungsversammlungen und die Beschäftigten wurden informiert und mobilisiert. Das hat sehr gut funktioniert. Viele sind in diesen Tagen ver.di Mitglied geworden und wollten aktiv werden. Sie haben sich Unterstützung bei den Vertrauensleuten am Klinikum geholt, um sich gegenüber den Leitungen und Ärzten durchzusetzen.

Am 05.10. morgens um 5.30 standen die Streikposten vor den Türen, waren vor Ort, wo Beschäftigte unter Druck gesetzt wurden, und überzeugten zögerliche KollegInnen von der Notwendigkeit des Streiks.

Der Klinikumsvorstand verhielt sich arrogant. Er hielt es am Freitag, den 30.09. nicht für nötig eine Notdienstvereinbarung abzuschließen. Und ging davon aus das es sowieso nur eine geringe Beteiligung am Streik gibt.

So wurden kaum Patienten abbestellt für Mittwoch, den 05.10. Es gab eine gute Presse und auch viele Ankündigungen im Radio, so dass die meisten Patienten anriefen, ob ihr Termin stattfand.

Das Staunen der Chefärzte war dann groß, am 5.10.: Kein Personal im OP, Notdienstversorgung auf den Pflegestationen, im Labor, bei der Reinigung, der gesamten Diagnostik, in der Küche, im Lager und beim technischen Betriebsamt.

Es gab dann die Aufforderung des Vorstands, die Ärzte sollten auch pflegerische Aufgaben übernehmen. Aber viele Patienten konnten nicht operiert werden. Und es wurde klar: wir meinen es ernst!!

Es wurde dann am Mittwoch eine Notfallvereinbarung getroffen, alle Patienten die keine Notfälle waren, wurden abbestellt. Es konnten im Laufe des Mittwochs einige Stationen geschlossen werden. So war die Beteiligung am Donnerstag sehr viel besser und wurde auch zum Selbstläufer.

Alle wollten sich beteiligen. An jeder Tür gab es Infostände, ebenso in der Stadt. Es gab zahlreiche Soliadressen aus Tübingen. Die Patienten und Bewohner in Tübingen standen überwiegend hinter uns. Die Chefärzte verstanden die Welt nicht mehr und bezeichneten die Situation als das völlige Chaos und begriffen dann auch: Ohne uns läuft nichts!!

Am Freitag gab es eine Demonstration der Streikenden in die Innenstadt. Mit 2000 Beschäftigten zogen wir in Berufskleidung und mit zahlreichen Transparenten auf den Holzmarkt.

Unterwegs schlossen sich viele unserer Demo an. Es war sehr beeindruckend und die Kundgebung ein großer Erfolg.

Am Montag beraten die Vorstände der vier Klinika, ob sie ein neues Angebot vorlegen. Das Treffen findet in Tübingen statt.

Am Dienstag kommt Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger nach Tübingen!!

Da der Streik sehr gut läuft, und die Beschäftigten weiter in großer Kampfbereitschaft sind, wird in Tübingen am Montag und Dienstag weiter voll gestreikt, am Dienstag werden wir erneut eine Demo in die Stadt machen und Herrn Oettinger einen Besuch abstatten. Nur die Notfallversorgung bleibt gesichert.

Danach will die Uniklinik Freiburg in einen Vollstreik treten.

Bisher haben die Klinika in Heidelberg, Freiburg und Ulm nicht so flächendeckend gestreikt wie in Tübingen. Es gab Ein-Tages-Streiks und Abteilungsstreiks.

Die Beschäftigten sind aber genauso kampfbereit wie in Tübingen und haben massiv gefordert auch in ihren Standorten soweit als möglich alles still zu legen und den Druck auf die Arbeitgeber so stark wie möglich zu erhöhen. Das ist auch nötig, denn, bei aller Kampfkraft die wir zeigen, die Arbeitgeber haben sich noch kein Stück bewegt!!

Es gab in Tübingen ein Flugblatt des Vorstandes mit Gegendarstellung zu den Positionen von ver.di. Das wurde auch gleich wieder mit einem Flugblatt von ver.di kommentiert. Es gab am ersten Streiktag die Drohung, den Streikplatz zu räumen, wenn wir nicht leise wären.

Es gab eine kurze Stellungnahme vom Vorstand in der Zeitung, dass sie Verständnis hätten, aber Streik kein Mittel sei und sie auch Verständnis für ihre Forderungen einforderten. Mehr ist bis jetzt nicht von ihnen zu hören.

Insgesamt nahmen über 5000 Beschäftigte am Streik teil. Der Kampf geht weiter.

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