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Sudan und der Imperialismus

"Humanitäre" Intervention?

Jürgen Roth, Neue Internationale 93, September 2004

Am 30.7.2004 hat der UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf der USA angenommen, der dem Sudan Sanktionen androht, wenn er die Dschanschawid-Reitermilizen nicht entwaffnet. Die Resolution enthält eine Klausel, welche die ‘Unterbrechung’ von Wirtschaft, Verkehr und Kommunikation oder diplomatische Maßnahmen - also Sanktionen - zulässt.

Am 22.7. gab der britische Premier Blair grünes Licht für Pläne zu einem möglichen militärischen Einschreiten im Sudan mit der Entsendung von bis zu 5000 britischen Soldaten.

UN-Resolution

Die UN-Resolution fordert das sudanesische Regime auf, innerhalb von 30 Tagen die als Dschanschawid-Milizen bekannten Verbände zu belangen, da sie der Ermordung von Tausenden Zivilisten in Darfur beschuldigt werden. Bereiten die Imperialisten also ein weiteres ‘humanitäres’ Eingreifen vor, um einen ‘Schurkenstaat’ zu beseitigen?

Im Sudan prallen verschiedene imperialistische Interessen aufeinander, die sich um die Festigung des Zugriffs auf die wertvollen Mineralvorkommen, vor allem aber im Kampf um die Ölvorkommen des Südens des Landes entzünden. Der Sudan verfügt über 2 Mrd. Barrel Ölreserven und gegenwärtig werden trotz des Krieges täglich 250.000 Barrel gefördert.

Die bedeutendste Firma in dieser Hinsicht war in den letzten Jahren das vergrößerte Nil-Öl-Konsortium. Den größten Anteil daran hält die British Petrol Amoco. Im August 1999 wurde eine 2500 km lange Pipeline eröffnet, welche die südlichen Ölfelder mit dem einzigen Hafen Port Sudan am Roten Meer verbindet.

Sobald das Öl floss, stellten die USA auch ihre Unterstützung für die Rebellen im Süden ein. Nun versucht Bush, ein Friedensabkommen durchzusetzen, um sich in Ruhe an der Plünderung des Öl-Schatzes beteiligen zu können.

Seit dem 11.9.2001 ist die herrschende Klasse der USA desillusioniert über die instabile und unzuverlässige Herrscherfamilie der Saudis und die Schwierigkeiten bei der “Befriedung” des Nahen Ostens. Deshalb haben die Ölkonzerne und das US-Militär ein starkes Interesse am Öl des südlichen Saharagürtels entwickelt.

Die USA, die natürlich bemüht sind, die ausgedehnten Ölfelder im Südsudan zu kontrollieren, ziehen heute den Dialog mit der Regierung in Khartum und die Lockerung von bestehenden Wirtschaftssanktionen vor, nachdem sie bis vor kurzen noch die "Rebellen" im Süden unterstützt oder angebliche sudanesische "Terrorzentren" bombardiert hatten.

Um ein Abkommen zwischen der Regierung und den Rebellen im Süden zu unterstützen, haben sie nun die Regierung in Karthum mit 116 Millionen US Dollar unterstützt und ihr weitere 300 Millionen versprochen. Ägypten, der Hauptverbündete der USA im Nilbecken, wäre außerdem verärgert über ein US-Eingreifen auf Seiten der Darfurrebellen. Weder Ägypten noch den USA ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt an einer Aufteilung des Sudan gelegen.

Deutsche Interessen

Unter dem Deckmantel einer 'humanitären' Intervention könnte auch der deutsche Imperialismus seine Interessen vermehrt ins Spiel bringen. Zur Zeit hat die Zentralregierung in Khartum die Kontrolle über den Ölfluss. Die einzige Pipeline führt nach Norden über eine Raffinerie in der Nähe Khartums zum Roten Meer.

Die Förderlizenzen liegen zu einem ungewöhnlich hohen Anteil in Händen asiatischer Ölkonzerne. Um das Ölmonopol zu knacken, falls sich die Zentralregierung gegenüber den imperialistischen Großmächten als nicht zuverlässig genug erweisen sollte, bietet sich der Bau neuer Pipelines an. Frankreich, das schon immer einen starken Einfluss auf den Südsudan auszuüben versucht, favorisiert eine durch sein Einflussgebiet nach Doba in den Tschad und von dort über Kamerun bis zum Atlantik.

Deutschland liebäugelt mit dem Bau einer Eisenbahnlinie und einer Pipeline nach Kenia und Uganda. Mittels eines neuen Schweißverfahrens kann die Firma Thormählen (Bad Oldesloe) den Bau konkurrenzlos preisgünstig anbieten. Dies wäre auch im Interesse der USA und Britanniens, eine zusätzliche Option sozusagen!

Eine Aufteilung in verschiedene Einflusszonen und die Abtrennung des Südens aufgrund der 'Unberechenbarkeit' Khartums böte den Deckmantel für diese Projekte und eine gesteigerte Aneignung des Ressourcenreichtums im Sudan. Außenminister Fischer verlangt zeitgleich mit diesen Plänen von der sudanesischen Regierung die Einstellung der Kampfhandlungen, andernfalls könne die Diskussion ”sehr viel ernster” werden.

Hinzu kommt, dass auch China und Russland ihre Interessen im Sudan geltend zu machen versuchen und dabei auf die "Einheit des Landes" setzen.

Kampf ums Öl

Die Einflussnahme durch die USA, die EU-Staaten, China und Russland ist die Fortsetzung jahrhundertealter kolonialer und imperialistischer Politik, die zu in ihrem Gefolge zu willkürlicher Grenzziehung, Zerstückelung, Balkanisierung und zum Aussielen einer nationalen, ethnischen oder religiösen Gruppierung gegen die andere geführt hat.

Die Regierung in Karthum vertritt natürlich auch eigenen Interessen im Namen der "nationalen Einheit" wie die "Rebellen" im Süden dies im Namen der "Unabhängigkeit" und "Autonomie" tun. In der Substanz geht es um den Anteil nationaler oder regionaler Eliten am Ölgeschäft, dessen Löwenanteil sich die verschiedenen Imperialisten sichern wollen. Das wäre auch das wirkliche Ziel jeder "humanitären" Intervention - egal ob mit oder ohne UN-Mandat.

Die menschlich Katastrophe, die sich im Süden des Landes heute abspielt würde, dadurch nicht beseitigt - ebenso wenig wie die Besetzung Afghanistans die Unterdrückung der Massen beendete. Sie würde nur zur Verschärfung der imperialistischen Durchdringung und Ausbeutung des Landes und zur Kontrolle der Ölvorkommen durch die großen multinationalen Konzerne führen.

Die Tragödie, die eine Million Menschen zu Flüchtlingen gemacht und zur Terrorisierung der Bevölkerung geführt hat, wird nicht durch den Imperialismus oder eine seiner Marionetten gestoppt werden können. Das hieße wirklich nur, den Bock zum Gärtner machen zu wollen.

Daher: Nein zur imperialistischen Intervention!

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Nr. 93, September 2004

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