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Spotliight Programmatik

Generalstreik

Hannes Hohn, Neue Internationale 177, März 2013

Die allgemeine Krise stellt einen Generalangriff auf die gesamte Arbeiterklasse dar. Auch die Massenproteste und Streiks der letzten Monate in Europa haben die Frage, wie die gesamte Klasse auf die Attacke reagieren kann, welche Rolle ein Generalstreik dabei spielt, auf die Tagesordnung gesetzt. Nachdem es am 14. November in mehreren EU-Staaten koordinierte Generalstreiks gab - zum ersten Mal in der europäischen Geschichte - scheint gar ein europaweiter Generalstreik möglich.

Tendenzen

Seit Ausbruch der Krise 2008 zeigte sich jedoch auch immer wieder, dass eintägige Generalstreiks, keinen Erfolg haben, weil Kapital und Regierungen unter dem Druck der Schulden und Spardiktate kaum Spielraum für Kompromisse haben. Der befristete Kampf ist keine Machtprobe des Widerstands, sondern letztlich eine groß angelegte Protestaktion, eine symbolischer Aktion, die nützlich sein kann zur Sammlung der Kräfte, aber natürlich weiß jede Regierung, weiß die Bourgeoisie, dass die Beschäftigten am nächsten Tag wieder auf der Matte stehen.

Das wirft die Frage auf, wie unter diesen Bedingungen Generalstreiks geführt werden müssen, um erfolgreich zu sein.

Massen- und Generalstreiks können natürlich nicht einfach proklamiert werden. Einerseits setzen sie eine objektive Zuspitzung des Kampfes, eine Konfrontation voraus, wo die Arbeiterklasse zu einem der stärksten Kampfmittel greifen muss, um einen bestimmten Angriff oder ein Bündel von Angriffen abzuwehren bzw. einen Kampf voranzubringen. So spielte beispielsweise der Generalstreik oder die Drohung damit eine entscheidende Rolle, um die Mubarak und Ben Ali in Ägypten bzw. Tunesien zu unterstützen.

Darin zeigte sich, dass die Massen durchaus in eine solche Richtung drängen, dass ein Generalstreik auch ein wichtiges Moment hat, das von unten erwächst. Aber selbst in Ägypten und Tunesien wäre es natürlich verkürzt, ja letztlich falsch, diese Bewegungen einfach als „spontan“ hinzustellen, spielten doch in Tunesien die Gewerkschaften bzw. in Ägypten die schon bestehende oppositionelle Gewerkschaftsbewegung eine entscheidende Rolle.

Mit einem bloßen Aufruf zum Generalstreik durch die Linke ist es also bei weitem nicht getan. Der Generalstreik ist - gerade in den Ländern Europas, wo wir es mit historisch verwurzelten Massengewerkschaften und Parteien zu tun haben - immer auch mit der Frage der Führung und der Einheitsfront verknüpft. Um Massen zu mobilisieren, braucht es direkten Einfluss auf sie - organisatorisch wie politisch. Einen solchen Einfluss haben aber eben nur die Massenorganisationen der Klasse, insbesondere die Gewerkschaften, die direkt im Betrieb präsent sind.

Ein Generalstreik ist eine höchst zentralisierte Aktion. Deshalb spielen die Führungen und der Apparat der Gewerkschaften eine entscheidende Rolle. Das heißt keineswegs, dass nur sie ihn ausrufen und organisieren können - aber ihr Einfluss kann nie einfach umgangen werden. Es braucht vielmehr der politischen der politischen und organisatorischen Vorbereitung durch Forderungen an bestehende Führungen zum Handeln und die Agitation für Basisstrukturen wie Aktionskomitees und deren Vernetzung. Selbst wo solche Bewegungen gegen den Willen der offiziellen Führung ausbrechen, müssen weiter bewusst Taktiken angewandt werden, um deren weiter bestehenden, wenn auch geschwundenen Einfluss ganz zu brechen.

Streik und Generalstreik

Ein Generalstreik (und im Prinzip jeder Streik) ist deswegen ein besonders wirksames Kampfmittel,  weil er die Produktion von Profit, unterbricht - ja, das Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens empfindlich stört. Insofern entfaltet er eine soziale Kraft, die weit größer ist, als bei bloßen Protesten. Daraus folgt aber auch, dass ein Generalstreik nicht ewig dauern kann, weil die Gesellschaft nicht permanent unter einer solchen sozialen Spannung leben und nicht längere Zeit den Ausfall der Versorgung mit wichtigen Gütern verkraften kann. Führt also der Generalstreik nicht nach einer gewissen Frist zum Erfolg, werden die Kräfte erlahmen, das Bewusstsein sinkt, der Druck immer größerer Teile der Gesellschaft auf die Streikenden steigt.

Dazu kommt, dass natürlich auch Staat und Kapital gegen den Streik mobilisieren - mit Streikbrechern über die Medien und die Justiz bis zum Einsatz von Polizei oder Armee, um den Streik abzuwürgen oder gar gewaltsam niederzuschlagen.

In der Regel entzünden sich Streiks an ökonomischen oder Tariffragen. Es gab und gibt aber auch immer wieder Situationen, wo es auch oder v.a. um politische Fragen geht und ein Streik nicht im Rahmen legaler Tarifrunden geführt werden kann.

Ein Generalstreik - allerdings nicht ein auf einen oder zwei Tage begrenzter - stellt die Frage der Macht: Welche Klasse bestimmt die Geschicke der Gesellschaft, welche Klasse übt die Macht aus?

Die Reformisten, die in der Regel mittels bürokratischer Apparate (in Kooperation mit Betriebsräten und reformistischen Arbeiterparteien wie SPD oder Linkspartei) die Gewerkschaften und deren Kämpfe kontrollieren, werden versuchen, diese Zuspitzung zu vermeiden oder zu beenden.

Wie kann die Klasse dann aber die von einem Generalstreik aufgeworfene Machtfrage zu ihren Gunsten lösen und den Ausverkauf ihres Kampfes vermeiden?

Erstens ist es dafür notwendig, dass die Basis in Betrieben und Gewerkschaften selbst direkt darüber bestimmt und kontrolliert, wofür und wie gestreikt wird. Dazu braucht es u.a. Basisversammlungen, die eine Streikführung wählen, konkrete Ziele und einen Mobilisierungsplan erstellen. Angesichts der Repression durch den bürgerlichen Staat oder die Faschisten ist dabei die Frage von Selbstverteidigungsstrukturen eminent wichtig.

Gerade ein Generalstreik braucht eine Führung auf nationaler Ebene. Soll diese nicht der Bürokratie einfach überlassen bleiben, müssen die Kampf- und Basisstrukturen zu einer landesweiten Struktur koordiniert werden. V.a. aber bedarf es einer revolutionären Gewerkschaftsfraktion oder wenigstens einer klassenkämpferischen Basisbewegung, um die Bürokratie unter Druck zu setzen und sie schließlich als Führung zu ersetzen. Ansonsten ist es fast zwangsläufig, dass die Bürokratie den Kampf demobilisiert und dadurch die Herrschaft des Kapitals und das Fortbestehen des Kapitalismus absichert.

Arbeiterregierung

Doch auch der militanteste und massivste Generalstreik - selbst mit einer wirklich klassenkämpferischen Führung - wird meist sein Ziel verfehlen, wird die Doppelmacht in der Gesellschaft nicht zu Gunsten des Proletariats auflösen, wenn er nicht dazu führt, die Staatsmacht zu ergreifen, d.h. eine Arbeiterregierung zu etablieren, die nicht neben, sondern anstatt der alten bürgerlichen Regierung regiert. Die Stärke dieser Arbeiterregierung aber kann nur und muss darauf basieren, dass sie sich auf Massenmobilisierungen, Streikkomitees, Streikposten, Milizen und Rätestrukturen stützt.

Nur auf diese Klassenmacht gestützt, kann dann der bürgerliche Staatsapparat zerschlagen, die Bourgeoisie enteignet und die Tür zum Sozialismus aufgestoßen werden.

Eine solche Orientierung aber ist mit den „normalen“ reformistischen, „sozialpartnerschaftlichen“ Strukturen, Führungen und Konzepten der Gewerkschaften unmöglich. Es setzt den Kampf in den und um die Gewerkschaften, für deren Demokratisierung und politisch-strukturelle Neuausrichtung voraus.

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Nr. 177, März 2013
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*  Spotlight Programmatik: Generalstreik
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