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Palästina

Israel und USA zetteln Bürgerkrieg an

Simon Hardy, Neue Internationale 122, Juli/August 2007

Die Machtübernahme der Hamas im Gaza-Streifen als Putsch zu bezeichnen, ist ein zynischer Scherz. Es sind die USA, Israel und ihr Lakai Abbas, die einen permanenten Staatsstreich gegen die demokratische Wahl des palästinensischen Volkes führen.

Mahmoud Abbas, der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, hat den Notstand ausgerufen und die seit drei Monaten regierende Einheitsregierung von Ministerpräsident Ismail Hania (Hamas) abgesetzt. Diese Maßnahme erfolgte nach sieben Tage lang anhaltenden Kämpfen zwischen Hamas-Milizen und Anhängern des Präsidenten, bei denen etwa 110 Menschen umkamen. Als schließlich die Hamas das Gebäude für Präventive Sicherheit und das Hauptquartier des Geheimdienstes in Gaza unter ihre Kontrolle gebracht hatten, war ihnen dadurch die Kontrolle über den gesamten Gaza-Streifen sicher.

Als Ergebnis dessen wurden die Palästinensergebiete aufgeteilt, wobei der Gaza-Streifen von der Hamas kontrolliert wird, während sich die West-Bank noch immer unter der Kontrolle von Abbas und der Fatah befindet.

Die Hamas verfügt über schlagkräftige Milizen, die Izz al-Din al-Qassam Brigaden, die etwa 15.000 Mitglieder zählen. Präsident Abbas verfügt in der West Bank über eine wesentlich höhere Streitkraft, wozu neben der 5.000 Mann starken Präsidentengarde, deren Ausbildung und Bewaffnung die USA mit 43 Mill. Dollar unterstützt haben, auch 30.000 Mann der Nationalen Sicherheitskräfte sowie eine ebenso viele Polizisten u.a. Sicherheitskräfte zählen. Zusätzlich arbeiten die einige Tausend Mann starken, halb-unabhängigen Al-Aqsa-Brigaden mit den Sicherheitskräften zusammen.

Abbas: Diener Israels und der USA

Dieser blutige Konflikt führt offensichtlich zu großer Verzweiflung bei vielen PalästinenserInnen und ihren UnterstützerInnen in der Region und weltweit. Genauso offensichtlich ist aber, dass er im zionistischen und imperialistischen Lager für Erleichterung sorgt. Ihre Politik, nämlich die Verweigerung der Anerkennung der Hamas-Regierung, obwohl deren Wahlsieg international anerkannt wurde, wie auch die Durchführung einer grausamen, kollektiven Bestrafung des palästinensischen Volkes durch den Stopp jeglicher Unterstützung, hat bittere Früchte getragen.

Es muss auch gesagt werden, dass auch die katastrophale Politik beider Flügel der palästinensischen Führung ein Grund für den Konflikt ist. Im Falle der Fatah liegt das Problem in der verräterischen Zusammenarbeit mit dem Imperialismus, dem Zionismus und deren arabischen Komplizen, namentlich den Regimen von Saudi-Arabien, Jordanien und Ägypten.

Aber auch die islamistische Politik der Hamas macht es trotz ihres kontinuierlichen bewaffneten Widerstandes gegen Israel unmöglich, einen Grossteil der palästinensischen Volksmasse für sich zu gewinnen - vor allem die sekulären, christlichen und nicht-“fundamentalisischen“ muslimischen Elemente.

Der Wahlsieg von Hamas im letzten Jahr drückte die breite Ablehnung der PalästinenserInnen für den „Friedensvertrag“ aus, der von Israel und den USA angeboten und von Abbas und der Fatah akzeptiert wurde. Aber dieser Wahlsieg war keine Stimme für einen von der Hamas geführten islamischen Staat. Es gibt tatsächlich keinen Grund, warum die Mehrheit der PalästinenserInnen, sozusagen als Preis für den Widerstand gegen Israel einen klerikalen Totalitarismus ertragen sollte.

Die Palästinensische Nationalbewegung ist in einer tiefen Krise. Der Nationalismus der Bourgeoisie (Fatah) hat sich als Führung der Kapitulation entlarvt. Die Hamas wiederum, die noch immer mit der Waffe in der Hand Widerstand leistet, hat gezeigt, dass sie das palästinensische Volk nicht unter dem Banner dieses Widerstandes vereinen kann. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens zum Ziel noch schlimmerer zionistischer und imperialistischer Blockaden und anderer repressiver Maßnahmen werden wird. Die Hamas dient dabei als Vorwand - gemeint sind der Widerstand und der Widerstandswille des palästinensischen Volkes, den Zionisten und Imperialisten brechen wollen.

Es ist dringender denn je, dass die weltweite, pro-palästinensische Solidaritätsbewegung das Ende dieser Blockaden und Attacken fordert und dafür auf die Straße geht!

Egal, welche Differenzen wir mit der Hamas haben - es ist klar, wo alle revolutionären und antiimperialistischen Kräfte im gegenwärtigen Konflikt stehen müssen. Während Abbas und die Fatah-Spitze die Politik der Kapitulation vor Israel und den imperialistischen Großmächten repräsentieren, steht Hamas an der Spitze jener Kräfte, die den Widerstand gegen die Besatzung fortführen. Ohne ihre politischen Ziele und reaktionären Ideologien auch nur im geringsten zu teilen, unterstützen wir den militärischen Kampf von Hamas gegen Abbas-treue Kräfte und verteidigen sie gegen die Repression durch Zionismus und Imperialismus. Ebenso klar ist, dass wir alle palästinensischen Anstrengungen gegen die israelischen Streitkräfte unterstützen - sei es von Hamas oder von anderen Organisationen.

Das Scheitern der Zwei-Staaten-Lösung

Der Zusammenbruch der palästinensischen Einheitsregierung und der Ausbruch eines Bürgerkrieges zwischen Hamas und Fatah sind die logische Folge der gescheiterten Politik der “Zwei-Staaten-Lösung”. Eine solche Lösung, die von Israel und seinem amerikanischen Sponsor geduldet wird, besteht in der Errichtung von isolierten „Bantustans“, die von der Apartheidmauer umzingelt sind. Israels Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahre 2005 - angeblich, um den PalästinenserInnen mehr Freiraum für eine Selbstverwaltung zu gewähren - hat es dem zionistischen Staat in Wirklichkeit ermöglicht, einen Hebel zu erlangen, mit dem sie den palästinischen Widerstand aufbrechen und gegen sich selbst richten können.

Die Hamas ist die größte politische Partei im Gazastreifen. Ihre Unterstützerbasis besteht v.a. aus den BewohnerInnen der überfüllten Slums und Flüchtlingslager. Aber der Sicherheitsapparat unterstand der Kontrolle der Fatah, die ehemals die führende Rolle im palästinensischen Widerstand inne hatte, nun aber verachtet wird - und zwar nicht nur aufgrund ihrer Korruption, sondern auch wegen ihrer offenen Rolle als Agenten für die USA und Israel.

Die Übernahme der Gesamt-Kontrolle im Gaza-Streifen wird von der Hamas einfach als Ausübung der Regierungsmacht gesehen, die ihr als Ergebnis der palästinensischen Wahlen im Januar 2006 zusteht. Tatsächlich aber tappte die Hamas in eine wohl vorbereitete Falle, als sie sich einverstanden erklärte, im Rahmen eines „Staates“ zu regieren, der sich unter der Kontrolle von Imperialismus, Zionismus und dessen palästinensischen Agenten befindet und sich die Fatah ihrerseits weigerte, der von der Hamas geführten Regierung auch die Kontrolle über den Sicherheitsapparat zu gewähren.

In Gaza setzte die Fatah Mohammed Dahlan ein, der sich mit seiner eigenen Armee von „Sicherheitspersonal“ als Kriegstreiber in Szene setzte, mit der Ziel, die Bevölkerung in Zaum zu halten und zu gewährleisten, dass der „Friedensprozess“, also die Kapitulation gegenüber Israel, funktioniert.

Israel rückt damit seinem Ziel, die Militanten in Gaza zu isolieren und drei voneinander getrennte Gebiete in der West Bank mit einer Mauer zu umgeben, immer näher, womit es alles fruchtbare Land annektiert hätte und die Palästinenser mit den „Bantustans“ Vorlieb nehmen müssen. Dieser „Staat“ wäre dann eine übervölkerte, nicht zusammenhängende Reihe von Kantonen, die meisten davon mit Boden minderer Qualität, die der meisten Wasserressourcen beraubt wurden, von israelischen Militärstrassen durchkreuzt werden und mit bewaffneten zionistischen Siedlungen durchsetzt sind.

Dieser „Staat“ wird anfällig sein für andauernde militärische Einfälle durch das israelische Militär, wirtschaftlich nicht überlebensfähig und von internationaler Unterstützung abhängig, um halbwegs am Leben zu bleiben.

Kurz: auf lange Sicht ist dies ein mörderischer Versuch, das palästinensische Volk als nationale Gemeinschaft mit einem wie auch immer gearteten unabhängigen Staat zu zerstören. Warum setzen die Zionisten ihre rassistische Siedlerpolitik fort? Ganz einfach, weil trotz all des US-gesponserten Siedlertums, die jüdische Bevölkerung nur knapp den Großteil der Bevölkerung in ganz Palästina ausmacht. Die jüdische Bevölkerung von Israel zählt 5.313.000 Menschen, während die Zahl der PalästinenserInnen bei etwa 5.218.000 liegt (3,9 Millionen in der West Bank und Gaza sowie 1,3 Millionen in den Gebieten, die schon vor 1967 von Israel übernommen worden waren). Hinzu kommen etwa 4,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge in den umliegenden arabischen Staaten Jordanien, Libanon, Saudi-Arabien und Ägypten. Der zionistische Staat kann nur überleben, wenn er diese Menschen vertreibt und sie ihres Landes beraubt.

Wir lehnen die „Zwei-Staaten-Lösung“ ab, bei der der Staat Israel weiter existiert und daneben - in den verarmten Gebieten des Gaza und der Westbank - ein palästinensischer Zwergstaat errichtet werden würde. Dies würde die Festigung der Vertreibung durch die Schaffung eines kleinen, wirtschaftlich abhängigen Staates Palästina neben dem Staat Israel bedeuten.

Die einzige Lösung ist ein gemeinsamer, bi-nationaler ArbeiterInnenstaat in Palästina im Rahmen einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens, in dem AraberInnen und JüdInnen gleichberechtigt zusammen leben. Nur ein solcher - auf sozialistischer Grundlage geschaffener - gemeinsamer bi-nationaler Staat aller in Palästina lebenden Araber und Juden kann die extreme soziale Ungleichheit und die in der Vertreibung und Unterdrückung von Millionen PalästinenserInnen wurzelnde nationale Unterdrückung aufheben.

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Nr. 122, Juli/Aug. 2007
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