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UNO, NATO, EU, Bundeswehr

Raus aus dem Libanon!

Martin Suchanek, Neue Internationale 114, Oktober 2006

Mit überwältigender Mehrheit - 442 von 559 Stimmen - beschloss der Deutsche Bundestag die Entsendung eines Marineverbandes samt Unterstützungs- und Reserveeinheiten in den Nahen Osten.

Insgesamt werden 2.400 Soldaten im Rahmen der UN-Mission in den Libanon geschickt, um die Küstengewässer und den libanesischen Luftraum zu „sichern“.

Aushebelung der Souveränität des Libanon

Dem Einsatz war ein mehrwöchiges Tauziehen um die Befugnisse der deutschen Marine vor der libanesischen Küste voraus gegangen. Die Bundesregierung verlangte, dass der Libanon seine international verbürgten Rechte aufgeben und die staatliche Verfügung über sein Küstengebiet Bundeswehreinheiten überlassen müsse. Beirut hingegen bestand auf eigener Kontrolle der nationalen Küstengewässer, in welche die deutsche Marine nur nach libanesischer Anforderung einlaufen dürfe.

Schließlich setzte sich die BRD durch. Die deutsche Marine hat das geforderte „robuste Mandat“, also das Recht, Seefahrzeuge in der Kontrollzone anzuhalten, zu untersuchen und bei Widerstand durch Beschuss fahrunfähig zu machen.

Die Auseinandersetzung um das deutsche Mandat verdeutlicht, dass die UN-Operation - wie jede andere „Friedensmission“ - die staatliche Souveränität einschränkt.

Die von Frankreich geleitete UN-Mission knüpft an die Kolonialgeschichte an und stärkt den europäischen Einfluss in der Region, mit mehr als 2.000  italienischen Soldaten, der deutschen Marine und französischem Kommando erhält der europäische Imperialismus ein militärisches Standbein im Nahen Osten.

Umgekehrt wird der imperialistische Vorposten im Nahen Osten - der zionistische Staat Israel - natürlich in keiner Weise in seiner Souveränität eingeschränkt. Israel, der Aggressor im Libanon-Krieg, der am libanesischen Widerstand unter Führung der Hisbollah scheiterte, und seine imperialistischen Schutzmächte USA und EU versuchen nun auf diplomatischem und militärischem Gebiet zu erreichen, was Israel auf dem Schlachtfeld nicht geschafft hat.

Auch wenn die Entwaffnung der Hisbollah durch die UN-Truppen mehr Schein als Sein wird, so bedeutet die Stationierung französischer, deutscher, italienischer und anderer Truppen praktisch die Errichtung eines imperialistischen Vorpostens im Libanon. Die britische „Militärhilfe“ für die libanesische Armee verfolgt ebenso das Interesse, den imperialistischen Einfluss zu stärken.

„Greater Middle East“

Wie US-Außenministerin Condoleezza Rice bei Beginn des Libanon-Krieges betonte, waren die mit Israel abgestimmten Militärschläge als "Geburtswehen eines neuen Mittleren Ostens" zu verstehen, zu dem man "vorwärts schreiten" wolle, statt "zum alten zurückkehren." Laut diesem Konzept eines "Greater Middle East" muss die gesamte Region neu aufgerollt werden, wobei sowohl diplomatische und subversive als auch militärische Mittel zum Einsatz kommen dürfen.

Die Besetzung des Libanon eröffnet die Möglichkeit, bis an die Grenzen Syriens vorzurücken, das dortige Regime durch militärischen Druck zu schwächen und Iran, den Hauptgegner der USA, eines Verbündeten zu berauben.

Gegenüber Damaskus kommt den maritimen deutschen Kampfverbänden die beabsichtigte Drohfunktion zu. Sie patrouillieren in direktem Kontakt zu syrischen Marineeinheiten. Damit gerät der Mittelmeerzugang Syriens in eine Zange der NATO: im Norden durch türkisches Militär, im Süden durch das deutsche.

Vom Standpunkt des deutschen Imperialismus ist der Einsatz im Libanon sowohl ein Schritt, den eigenen politischen Einfluss zu vergrößern, wie auch zur Aufrüstung und Schaffung einer schlagkräftigen Eingreiftruppe im Rahmen der sich formierenden EU.

„Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen“, erklärte Kanzlerin Merkel daher auch in der Bundestagsdebatte. Verteidigungsminister Jung verknüpft sie gleich mit der Forderung nach neuen Rüstungsprojekten.

„Schutz Israels“

Wie schon im Krieg gegen Jugoslawien werden auch im Libanon die Verbrechen des Faschismus bemüht, um neue Verbrechen des deutschen Imperialismus - in Afghanistan, Kongo usw. bis zum Libanon - zu rechtfertigen.

Offener als in anderen Besatzungseinsätzen wird die Parteilichkeit des deutschen Imperialismus auch gleich offen mitgeliefert. Wenn es um die Interessen des israelischen Staates geht, „sind wir,“ so Merkel vor dem Bundestag, „nicht neutral und wir wollen auch gar nicht neutral sein.“ Die Gegner des Einsatzes aus dem bürgerlichen und grünen Lager fürchten nur, dass sich dieser Kurs nicht durchhalten lasse - eine „Befürchtung,“ die sich angesichts des engen Bündnisses mit den USA und Israel nicht bewahrheiten wird.

Mit einem Widerspruch eigener Art plagt sich freilich die PDS herum, muss sie doch erklären, warum die ihre mitregierende italienische Schwesterpartei - Rifondazione Communista - dem italienischen Truppeneinsatz zugestimmt hat.

Doch auch sonst ist die Ablehnung durch die PDS keineswegs gegen die imperialistische Politik gerichtet; sie jammert vielmehr, dass der deutsche Imperialismus eine Chance zu einer „anderen Politik“ vertan hätte:

„Deutschland hätte ein politischer Vorreiter im Friedensprozess werden können. So werden wir es nicht. Deutschland wird nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Konflikts.“ (Flugblatt der Bundestagsfraktion)

Angesichts der bestehenden politischen, militärischen und wirtschaftlichen Positionen, Deutschlands ist es natürlich ein starkes Stück für „Linke“, zu unterstellen, dass die BRD bislang kein Teil des Konflikts gewesen sei. Ganz auf dieser Linie redet die PDS freilich auch jetzt einem schlichtenden Engagement des deutschen Imperialismus das Wort: Eine „ständige Nahost-Konferenz in Berlin ähnlich der  KSZE“ soll „den Friedensprozess wirksam in Gang“ setzen.

Der WASG-Bundesvorstand äußert sich ganz ähnlich, wenn auch etwas linker. Er verurteilt wie die PDS-Führung und die Bundestagsfraktion den Kampfeinsatz und kritisiert korrekterweise, ähnlich wie Lafontaine die Waffenlieferungen Deutschlands an Israel.

Er kritisiert auch, dass der Gaza-Streifen „heute einem großen Gefängnis gleicht” und “in der Westbank die Entrechtung und Verdrängung der Palästinenser unvermindert weitergeht.”

Indem sie der Regierung Merkel jedoch in erster Linie vorwirft, “Deutschland zum Vasallen der USA” zu machen, unterschlägt sie ähnlich der Bundestagsfraktion die eigenständigen und gerade durch den Bundestagbeschluss forcierten imperialistischen Interessen Deutschlands.

Einer imperialistischen Bourgeoisie, die es mit einer solchen Opposition zu tun hat, braucht nicht bange zu werden. Wer den deutschen Imperialismus mit guten Ratschlägen statt mit Widerstand bekämpfen will, führt den vorhandenen Unmut gegen imperialistischen Krieg, Aufrüstung und Besatzung in eine Sackgasse.

Krieg und Angriff im Inneren

Diese Politik der Linkspartei-Fraktion hat mit dazu beigetragen, dass die Kundgebungen der „Friedensbewegung“ gegen den Marineeinsatz bisher leider mickrig ausfielen.

Dabei wird die Offensive des Imperialismus weitergehen - mit mehr Einsätzen nach Außen, mit neuen Beschaffungsaufträgen und mit mehr Repression im Inneren.

Die Hetze gegen „Islamisten“, das Verbot von Fahnen der Hisbollah oder von Bildern ihres Chefs Nasrallah, die Hetze gegen die „Kofferterroristen“ oder die Panikmache wegen „Racheaktionen“ gegen den Papst - all das ist Teil einer inneren rassistischen Mobilisierung und Aushebelung demokratischer Rechte, v.a. von MigrantInnen.

Der Kampf gegen diese imperialistische Politik muss zu einer zentralen Aufgabe der sozialen Bewegungen, der Arbeiterbewegung, von PDS und WASG werden, insbesondere der sich dort formierenden Linken.

Sozialraub, Privatisierungen, Arbeitszeitverlängerung und Tarifbruch: all das ist nur die andere Seite des Generalangriffs auf die Ausgebeuteten und Unterdrückten, dessen militärische und politische Komponente bei der Schaffung eines europäischen imperialistischen Blocks wir beispielhaft am Libanon sehen.

Ein solcher Kampf muss um klare politische Forderungen geführt werden und mit Aktionen, die wirklich einen praktischen Effekt haben können und über bloßen Protest hinausgehen.

Kein Einsatz der Bundeswehr! Sofortiger Abzug aller imperialistischen Truppen aus dem Nahen und Mittleren Osten!

Der Widerstand gegen die Besatzung ist kein Verbrechen, sondern legitim! Nein zu allen Verboten gegen den palästinensischen, irakischen oder libanesischen Widerstand!

Die Vorbereitungsversammlung des europäischen Sozialforum im November, die Konferenz der sozialen Bewegungen im Dezember und die Anti-G8-Konferenz in Rostock müssen die Frage des Kampfes gegen die imperialistische Besatzung auf die Tagesordnung setzen und gemeinsam bundes- und europaweite Aktionen planen, die über Symbolik und Kundgebungen hinausgehen: Massendemonstrationen, Blockaden und Streiks zur Unterbrechung der Nachschubwege.

Nieder mit den Besatzern!

Deutschland ist im Libanon - wie schon in Afghanistan - Teil einer imperialistischen Besatzungsmacht. Wir fordern den sofortigen und bedingungslosen Rückzug dieser Truppen!

Die Besatzung dient der Unterdrückung des libanesischen Volkes, vor allem der Arbeiterklasse und der Bauern, richtet sich gegen ihre grundlegenden politischen und sozialen Interessen. Jeder Widerstand der libanesischen Bevölkerung und aller Organisationen des Widerstandes gegen diese Besatzer ist legitim - ob durch politische Massendemonstrationen und Blockaden von logistischen Einrichtungen oder auf militärischer Ebene.

Im Konflikt zwischen den Imperialisten und dem libanesischen Widerstand sind wir nicht neutral, darf die Anti-Kriegsbewegung nicht neutral sein: Solidarität mit den Unterdrückten! Nieder mit den Besatzern!

Keine Kollaboration mit den Anti-Deutschen!

Es wäre allerdings falsch, die Linkspartei.PDS- und die WASG-Führung als einzige Probleme zu betrachten, vor denen die Anti-Kriegsbewegung steht. Immerhin lehnen sie, wenn auch mit illusorischem Blick auf den deutschen Imperialismus, die Kriegseinsätze ab und kritisieren die Parteinahme für den US-amerikanischen und pro-westlichen Gendarmen Israel. Das ist auch eine Grundlage dafür, warum eine Einheit in der Aktion mit diesen Kräften gegen Besatzung und Krieg möglich und notwendig ist.

Die Positionen der „anti-deutschen Linken“ im Krieg sind da von einem ganz anderen Kaliber als jene der Führungen von WASG oder PDS. Die der Anti-Deutschen sind offen rassistisch und pro-imperialistisch. Sie ergreifen Partei für die reaktionäre Besatzungspolitik Israels und stellen sich auf die Seite der Unterdrückung des palästinensischen oder libanesischen Widerstandes.

Sie verunglimpfen jede Kritik am Zionismus als Anti-Semitismus, indem sie bewusst die Bekämpfung des reaktionären, auf rassistischen Grundlagen basierenden zionistischen Staates mit Anti-Semitismus gleichsetzen, als ob der Kampf gegen einen rassistischen Vorposten des Imperialismus gleich dem Kampf gegen die jüdische Bevölkerung wäre.

Mit den anti-deutschen Provokateuren, die im Grunde mit der Linken nichts zu tun haben, sondern nichts weiter als rassistische und „intellektuelle“ Büttel des Imperialismus sind, gibt es keine Einheit in der Aktion. Sie müssen bekämpft werden - gerade auch in den Linken, wenn z.B. ihre Ableger in der Berliner PDS die Demonstration gegen den israelischen Angriff auf den Libanon nach rechts rücken und dort das Existenzrecht Israels als Grundlage für eine gemeinsame Demonstration durchdrücken wollten.

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Nr. 114, Oktober 2006