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Kongo und der deutsche Imperialismus

Ein Platz an der Sonne?

Theo Tiger, Neue Internationale 110, Mai 2006

Rund 90 Jahre nach der Forderung von Wilhelm II., dass Deutschland einen Platz an der Sonne brauche, werden wieder deutsche Truppen in Afrika aktiv sein. Verteidigungsminister Jung bereitet die Öffentlichkeit auf eine Führungsrolle Deutschlands vor, wenn mehr als 500 Soldaten im Rahmen der EU-Eingreiftruppe in Kongos Hauptstadt Kinshasa im Sommer „die Wahlen absichern“. Derzeit werden zwischen UNO und EU noch die Bedingungen ausgehandelt.

Die Geschichte des Kongo ist eine der blutigsten Afrikas. War nach der Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1959 der neu gewählte Präsident Lumumba der Hoffnungsträger der verschiedenen Volksgruppen, so wurde dieser 1961 unter Mitwirkung der CIA ermordet. Sein Nachfolger wurde Mobutu, einer der grausamsten Diktatoren in Afrika, der bis 1997 herrschte.

Objekt der Begierde

Danach übernahm eine Rebellenallianz unter Führung von Laurent Kabila die Regierung im Kongo. Die Nachbarländer Uganda, Ruanda und Burundi fungierten unterdessen als Stellvertreter imperialistischer Wirtschaftsinteressen. Verschiedene „Warlords“ agierten besonders im Osten des Landes, ruandische und ugandische Truppen bewegen sich direkt auf dem Staatsgebiet des Kongo. Daher wird seit 1997 von einem „failed state“, einem Verfall von staatlicher Ordnung und Kontrolle gesprochen.

Seit 2001 herrscht nach einem Attentat auf seinen Vater nun sein Sohn Joseph Kabila. Seine Regierung will nach über 40 Jahren wieder freie Wahlen durchführen. Bislang gibt es keine Anforderung Kabilas´ an die EU, „Wahlbeobachter“ zu schicken. Auch die AU (Afrikanische Union) wurde nicht gefragt, dafür aber die UNO: diese übergibt nun die „Wahlbeobachtung“ an die EU.

Der Kongo besitzt viele Rohstoffe, besonders Diamanten und Gold sowie die Metallerze Colombit und Tantalit. Besonders Tantalit ist äußerst gefragt, wird es doch bei der Herstellung von Handys, Computerchips und Videokameras verarbeitet. Gerade in der Diamantenförderung ist der militärische Einfluss der Nachbarn, speziell Ruandas, sichtbar geworden. War Ruanda in den 90er Jahren noch gar nicht als Diamantenexporteur bekannt, so ist es heute der drittgrößte Exporteur. Diese direkte Besetzung des Ostens Kongos wird von keiner europäischen Instanz angegriffen. Das letzte Eingreifen von europäischen Beobachtern in Zentralafrika endete im ruandischen Bürgerkrieg, der auch auf dem Territorium des Kongo ausgetragen wurde und mehr als drei Millionen das Leben kostete. Jetzt geht es der EU um die Kontrolle dieses rohstoffreichen Landes, weil der Bürgerkrieg und die Interventionen der Nachbarstaaten die Exporte gefährden.

Imperialistische Konkurrenz

Gleichzeitig kann die EU ihre Vormachtstellung in Afrika weiter ausbauen. Waren es bislang zumeist französische Truppen, die in Westafrika standen, soll nun die EU eigenständig als militärischer Akteur in Afrika auftreten. Dabei wurde die Offensive des deutschen Verteidigungsministers zumindest in Frankreich kritisch aufgenommen, eine deutsche Führungsrolle in Afrika ist in Frankreich umstritten.

Entscheidend ist aber die Konkurrenz zu den USA - seit vielen Jahren versucht der US-Imperialismus, seine Stellung in Afrika auszubauen. Ein Beispiel ist Äquatorialafrika an der Westküste. Für die Gewährung von Ölrechten dort wird seit 2000 ein Militärdiktator von Washington im Amt gehalten.

Für die EU als imperialistischer Block ist die Kontrolle des „Hinterhofs“, Mittelmeerraum und Afrika überlebenswichtig. Hier muss auch militärische Kontrolle ausgeübt werden, dazu können Wahlbeobachter, oder „humanitäre“ Interventionen mit UN-Auftrag genutzt werden.

Das Beispiel Kongo verdeutlicht nicht nur die Weltmachtambitionen eines sich herausbildenden europäischen Imperialismus - es macht auch chronische Schwächen der Friedensbewegung sichtbar.

Ihre Kritik an militärischen Interventionen wurde und wird oft genug nicht aus einer grundsätzlichen Opposition zur imperialistischen Beherrschung der Welt - egal ob nun mit kriegerischen oder „friedlichen“ demokratischen und diplomatischen Mitteln - hergeleitet.

Auch das ist ein Grund, warum die Opposition gegen den bevorstehenden Kongo-Einsatz noch recht schwach ist - dient er doch vorgeblich der Herstellung demokratischer Verhältnisse im Land.

Die Gewerkschaften sowie alle Abgeordneten von PDS.Linkspartei, SPD und Grünen, die vorgeben, gegen den Einsatz zu sein, fordern wir auf, nicht nur im Bundestag dagegen zu  stimmen, sondern auch offen zur Aktion auf der Straße aufrufen.

Nein zum Militäreinsatz im Kongo! Sofortiger Abzug aller Truppen aus dem Ausland!

Protest- und Widerstandsaktionen gegen den Einsatz durch Blockaden, Massendemos, Streiks zur Verhinderung von Truppen- und Materialtransporten!

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Nr. 110, Mai 2006

*  Weltlage: Krise und Klassenkampf
*  Streik im Öffentlichen Dienst: Eine weitere Teilniederlage
*  WASG Berlin: Spreu und Weizen
*  Parteitage WASG/PDS: Neue Arbeiterpartei statt Top Down Projekt
*  Heile Welt
*  Iran: Vor einem neuen Krieg?
*  Kongo und der deutsche Imperialismus: Ein Platz an der Sonne?
*  20 Jahre Tschernobyl: Globaler Störfall
*  70 Jahre Revolution in Spanien, Teil II: Volksfront gegen die Revolution
*  Frankreich: Da war mehr drin!
*  Italien: Prodi hat gesiegt - fürs Kapital