Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Berlin: BSH-Schließung abgewehrt

Widerstand lohnt sich!

Markus Lehner, Neue Internationale 104, Oktober 2005

Ende August zog die Firmenleitung des Bosch/Siemens/Hausgerätewerks (BSH) den Beschluss zur Einstellung der Produktion im Gartenfelder Werk zurück. Das zeigt, dass die Aufnahme des Kampfes bei BSH auch in der dort scheinbar aussichtslosen Position richtig war.

Viele „Experten“ auch in Gewerkschaftskreisen erklären uns immer wieder, dass angesichts von Globalisierung und Standortkonkurrenz nur noch Zugeständnisse und Kapitulationen möglich wären - entschlossener Kampf gegen die Erpressungen des Kapitals jedoch nur zur Standortschließung führen würde. Das Beispiel BSH zeigt, dass wir gegenüber den scheinbar allmächtigen Konzernlenkern sehr wohl zur Gegenwehr in der Lage sind.

Dabei liegen die Erfolgsfaktoren bei BSH auf der Hand:

(1) Die Belegschaft ist kampfbereit und konnte während des Konflikts ihre gewerkschaftliche Organisation nochmals erhöhen.

(2) Die KollegInnen wurden von Anfang an (Verkündung des Schließungsbeschlusses Anfang Mai) über die Lage informiert und damit auch die Bereitschaft zum Kampf aufgebaut. So war es nicht möglich, dass die BR-Führung mit der üblichen Geheimniskrämerei den Widerstand ersticken konnte, um danach nur noch über die „erzielten Kompromisse“ in einer Betriebsversammlung zu informieren.

(3) Über mehrere Wochen wurde durch wiederholte Arbeitsniederlegungen die Bereitschaft zum Streik gegen die Werksschließung demonstriert.

(4) Die Unterstützung durch andere BSH-Standorte war eine Neuerung und hat dem Konzern deutlich gemacht, dass ein Streik bei BSH-Gartenfeld für sie schnell zum Flächenbrand werden könnte. Was wäre erst erreichbar, wenn eine internationale Koordinierung von Protest gelingen würde!

(5) Auch die Solidarität über den BSH-Konzern hinaus hat Wirkung gezeigt. Dazu zählen sowohl die Aktionen anderer Berliner Betriebe, als auch die Aktivitäten des Solidaritätskomitees. Nicht zuletzt hat der Faktor „Öffentlichkeit“ wahrscheinlich am Ende eine wichtige Bedeutung gehabt: ein heftiger Streik bei BSH mitsamt Solidaritätsaktionen kurz vor der Bundestagswahl war den Konzernstrategen rund um den neuen CDU-Chefberater Pierer wohl zu heiß.

Schwächen der Strategie

Auch wenn die Rücknahme der Schließung ein erster Erfolg ist, muss die Strategie von Betriebsrats- und Gewerkschaftsführung kritisch gesehen werden. Der Rückzieher der Unternehmensleitung kam ja überraschend, nachdem die Betriebsratsführung kurz zuvor den Kampf um alle Arbeitsplätze für „nicht mehr realistisch“ erklärt hatte und auf die Vorbereitung von Sozialplanverhandlungen bzw. ein „Management-buy-out“ umgeschwenkt war.

Das war auch schon vorher in der Tendenz die offizielle Strategie gewesen: Da es in Deutschland kein Streikrecht gegen Werksschließungen bzw. Kündigungen gibt, soll über Tarifforderungen (um die legale Streiks zu führen sind) der Preis für die Schließung so hoch getrieben werden, dass die Konzernleitung die Werkschließung aufgibt. Der legale Arbeitskampf um die Transferleistungen sollte das Cover für die politische Kampflinie „Erhalt aller Arbeitsplätze bei BSH“ sein.

Nach der plötzlichen Aufgabe dieses politischen Ziels bleib nur noch die hohe Sozialplanforderung, für die weiterhin mit Streik gedroht wurde. Dieser Drohung hat die Unternehmensleitung nun zwar nachgegeben - aber um den Preis, dass sie nun auf die Angebote für eine Kostenreduktion am Standort Gartenfeld zurückkommen will.

Damit könnte der Erfolg mit erneuten Angriffen auf Arbeitszeit- und Lohnregelungen, also einem weiteren Senken von Tarifstandards erkauft sein. Dazu kommt noch die Ungewissheit, wann die nächste Schließungsdrohung kommt. Somit ist der Kampf bei BSH-Gartenfeld noch lange nicht vorbei! Noch dazu droht weiterhin ein Ausspielen zwischen den verschiedenen Standorten, insbesondere Nauen (die KollegInnen dort dürfen natürlich nicht zu den Leidtragenden einer „Lösung“ in Gartenfeld werden).

Hiermit wird auch die Zweischneidigkeit der Strategie deutlich. Wenn doppelgleisig einerseits „legale“ Forderungen und Angebote aufgestellt werden, andererseits das eigentliche „nicht-legale“ Ziel des Kampfes um alle Arbeitsplätze nur hinter vorgehaltener Hand genannt wird, so ist ein rascher Ausverkauf des Kampfes, ohne dass die Belegschaft viel Möglichkeit zum Nachdenken und Dagegenhalten hat, sehr viel einfacher.

Außerdem wird die Mobilisierung von Öffentlichkeit umso schwieriger, je mehr die eigentlichen Ziele versteckt werden, und es scheinbar nur um die besseren Abfindungen geht. Dabei ist es gerade der Kampf um den Erhalt aller Arbeitsplätze, der für alle anderen Betriebe genauso wie für Erwerbslose, den Kampf in Gartenfeld zum exemplarischen Konflikt mit dem Kapital macht.

Deshalb kommt jetzt besonders darauf an, dass wir als gewerkschaftliche Basis uns selbst organisieren, dass Basiskomitees gebildet werden, die Forderungen aufstellen und alle Verhandlungsschritte begleiten. Kein Verhandlungsergebnis ohne Urabstimmung!

Einen Ausweg aus der doppelzüngigen Arbeitskampfstrategie gibt es nur, wenn wir den entschlossenen Kampf gegen das Verbot von Streiks bei Kündigungen aufnehmen. Keine der parlamentarischen Parteien wird uns dabei voranbringen – die SPD hat entgegen ihren Wahlversprechen nicht mal den Paragrafen zur „kalten Aussperrung“ abgeschafft. Das Streikrecht muss von uns erkämpft werden, ob durch Aktionen in den Betrieben oder darüber hinaus: Nehmen wir uns unser Recht!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 104, Oktober 2005

*  Generalangriff abwehren! Neue Arbeiterpartei erkämpfen!
*  Gewerkschaftslinke: Wann, wenn nicht jetzt?
*  Wofür kämpfen? Generalangriff stoppen!
*  Linkspartei nach der Wahl: Fraktion oder Aktion?
*  Heile Welt
*  Prekäre Arbeit und industrielle Reservearmee: Arm trotz Arbeit
*  BSH-Schließung abgewehrt: Widerstand lohnt sich!
*  Israels Rückzug aus Gaza: Brosamen von Scharon
*  G8-Gipfel 2007: Imperialismus pur!
*  50 Jahre Bundeswehr: Zapfenstreich abpfeifen!
*  Irak-Verfassung: Nein zur Farce des Imperialismus!
*  Verfassungsentwurf im Irak: Frauen und Religion