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Flucht

Stopp den Abschiebungen nach Afghanistan – Schluss mit dem barbarischen Zynismus der Bundesregierung!

Svenja Spunck, Infomail 948, 6. Juni 2017

Bei zwei Anschlägen in Kabul starben in der vergangenen Woche mehr als 200 Menschen. Der erste Anschlag ereignete sich im Diplomatenviertel, ein zweiter während der Trauerfeier für die Opfer des vorherigen. Noch im Februar diesen Jahres verteidigte der deutsche Innenminister de Maizière die Abschiebung von Geflüchteten nach Afghanistan damit, dass die Zivilbevölkerung „zwar Opfer, jedoch nicht Ziel von Anschlägen der Taliban“ sei.

Nach den letzten Anschlägen wurde zwar ein zeitweiliger Abschiebestopp beschlossen. Dessen Begründung folgt jedoch weiter der zynischen, menschenverachtenden Logik der bisherigen Politik. Die Abschiebungen wurden nicht etwa ausgesetzt, weil irgendjemand in der Bundesregierung zu der Einsicht kam, dass Afghanistan eventuell doch kein sicheres Herkunftsland sein könnte, sondern weil bei einem der Anschläge auch die deutsche Botschaft beschädigt wurde. Man wolle in einer solchen Situation den BotschaftsmitarbeiterInnen den bürokratischen Aufwand nicht zumuten, der durch die Abschiebungen entsteht.

Fadenscheinig und zynisch

Dieser Vorfall ist nur eine von vielen abartigen Entscheidungen im Rahmen der Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Nachdem der Skandal um den rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. bekannt wurde, der sich als syrischer Geflüchteter ausgab, Asyl gewährt bekam und einen Anschlag durchführen wollte, sollten viele Asylanträge neu geprüft werden. Dabei geht es jedoch nicht um die abgelehnten Anträge, die Menschen in den sicheren Tod schicken, sondern um die bewilligten. Es könnte ja sein, dass man einen Geflüchteten zu viel aufgenommen hat, der eigentlich nur aus Lust auf einen Tapetenwechsel mit einem Schlauchboot nach Europa geschippert ist.

Wie fadenscheinig die Argumente des BAMF oder des Innenministers sind, zeigen Einzelfälle der Abgeschobenen umso deutlicher. Viele Jugendliche, die über viele Jahre hinweg in Deutschland gelebt haben, die Sprache lernten, eine Ausbildung absolvierten und Arbeit gefunden haben, werden von heute auf morgen in ein Land zurückgeschickt, in dem die pure Existenzlosigkeit auf sie wartet. Besonders skandalös ist der Fall der aus Afghanistan geflohenen Familie Nazari in Bayern. Sie legten Klage gegen die drohende Abschiebung ein. Während diese noch geprüft wird, bekam der jüngste Sohn Yasin bereits einen Abschiebebescheid – er ist fünf Monate alt. Das Argument lautete, da er in Deutschland geboren ist, habe er keine politische Verfolgung in Afghanistan erlitten. Deshalb liege kein Grund für Asyl bei ihm vor. Sein 15-jähriger Bruder leidet an Leukämie und befindet sich in Chemotherapie, dennoch soll die Familie getrennt werden.

Die Gretchenfrage wäre nun, sind die MitarbeiterInnen des BAMF Schreibtischtäter oder erfüllen sie nur ihre Vorgaben, die an anderer Stelle beschlossen werden? Natürlich trägt derjenige, der einem Säugling einen Abschiebebescheid ausstellt, Mitschuld daran, wenn dieser vielleicht nicht einmal seinen ersten Geburtstag erlebt, weil Afghanistan eben kein sicheres Herkunftsland ist! Dennoch muss sich der Widerstand gegen die politisch Verantwortlichen richten, in diesem Fall die deutsche Bundesregierung. Wenn Jens Spahn (CDU) meint, man könne Afghanen abschieben, da man der Bundeswehr schließlich auch zumute, dort zu sein, ist das ebenso verächtlich, als würde man Menschen in einem brennenden Haus vorwerfen, heraus zu rennen, obwohl die Feuerwehr auch hineingeht. Nun löscht aber die Bundeswehr eben nicht den Brand, sondern sie legt ihn. Es sind die Politik der NATO und der deutschen Bundesregierung, die nach wie vor zur Destabilisierung der politischen und sicherheitstechnischen Lage in Afghanistan beitragen. Deshalb sind zwei Forderungen unabdingbar: Abzug aller Truppen aus Afghanistan und offene Grenzen für alle Flüchtenden! Wenn die deutsche Botschaft schon überfordert sein sollte, dann wegen einer Ausstellung unbefristeter Visa, die jedem und jeder ermöglicht werden sollten, um sein oder ihr Land verlassen zu können.

Seit Monaten finden Proteste gegen die Abschiebungen nach Afghanistan statt, die im Wesentlichen von afghanischen Geflüchteten organisiert sind. Wir rufen dazu auf, sich an diesen Aktionen zu beteiligen.

Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord – Bleiberecht für alle, jetzt sofort!

Aktion in Berlin:

Mittwoch, 7. Juni, 18 Uhr Innenministerium Berlin, Alt-Moabit 140

„Dass es euch um Menschen geht, ist so sicher wie Afghanistan!“

Berliner Bündnis gegen Abschiebungen nach Afghanistan

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