Globalisierung, Antikapitalismus und Krieg

Ursprünge und Perspektiven einer Bewegung

Das Buch zur Bewegung
120 Seiten, € 6
Verlag global red

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Wie kam es dazu?
Die Politik der Globalisierung

Globalisierung
Eine neue Form des Kapitalismus?

Von der Antiglobalisierung zum Antikapitalismus
Eine Bewegung, viele Möglichkeiten

Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
ATTAC und Porto Allegre
Peoples Global Action
Reclaim the Streets
Ya Basta!
Die internationale Arbeiterbewegung

Ist ein neuer Reformismus möglich?
AutorInnen der Antiglobalsierungs-Bewegung

Susan George
David C. Korten
George Monbiot
Kevin Danaher
Naomi Klein
Walden Bello
Pierre Bourdieu
Elmar Altvater
John Zerzan

Vom Wunsch zur Wirklichkeit
Wie die antikapitalistische Bewegung siegen kann!

 

 

 

Vorwort

Die Bewegung gegen den globalen Kapitalismus, die mit den erfolgreichen Protesten von Seattle 1999 in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit rückte, hat in den letzten Jahren eine dramatische politische Entwicklung durchgemacht.

Sie wuchs nicht nur zahlenmäßig rasch an. Auch ein innerer Differenzierungsprozess setzte ein - wie das bei jeder Massenbewegung, die sich auf verschiedene soziale Klassen und Schichten stützt, der Fall sein muss.

In Göteborg und Genua wurde die Bewegung mit einer bis dahin in den kapitalistischen Metropolen für sie unbekannten Repressionswelle überzogen. Carlo Guiliani starb in den Straßen von Genua, erschossen von der Polizei.

Diese Repression verstärkte auch die innere Differenzierung in der Bewegung, die sog. Gewaltdebatte rückte ins Zentrum. Die Frage nach den Zielen der Bewegung trat mehr und mehr in den Vordergrund.

Der Anschlag auf das World Trade Centre vom 11. September warf eine andere Frage auf: die Frage nach der politischen Strategie der anti-kapitalistischen Bewegung im Krieg.

Bisher hatte sie den globalen Kapitalismus oder seine Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen in der "Ersten" wie "Dritten" Welt im Visier. Die radikalsten Teile der Bewegung haben erkannt, dass das System des Kapitalismus Ursache aller großen Probleme der Menschheit ist, dass diese unlösbar sind, ohne das System selbst in Frage zu stellen und schließlich zu stürzen.

Auch wenn die Kapitalismuskritik vieler AktivistInnen oft genug kleinbürgerlich-utopischen Charakter hat, so ändert das nichts am fortschrittlichen Charakter der Bewegung. Der Anti-Kapitalismus hunderttausender Jugendlicher und Arbeiter ist eine erfrischende Erscheinung nach der konterrevolutionären Entwicklung der frühen 1990er Jahre.

Es wäre jedoch politisch kurzsichtig, die Augen vor den Schwächen dieser Kapitalismuskritik zu verschließen, weil diese, sollten sie nicht in der Diskussion überwunden werden, der Bewegung früher oder später auf die Füße fallen müssen.

Der imperialistische Krieg gegen Afghanistan zeigt das ganz deutlich. Ohne Analyse des Klassencharakters dieses Krieges, ohne einen Begriff des Imperialismus als des aktuellen Stadiums der kapitalistischen Entwicklung kann eine klare, revolutionäre Haltung zur Kriegsfrage nicht entwickelt werden.

Dementsprechend hat die Bewegung nicht einheitlich auf den Krieg von USA, NATO, BRD und ihrer Alliierten reagiert. Nur eine kleiner Teil hat eine anti-imperialistische Haltung eingenommen, trat für die Niederlage der imperialistischen Aggressoren und, trotz des reaktionären Taliban-Regimes, für die Verteidigung des halb-kolonialen Afghanistans ein.

Viele sind zu einer "neutralen" Haltung gekommen, einige verteidigen gar den Kampf der "Demokratie" gegen die "Diktatur", der "Zivilisation" gegen den "Terrorismus". Die anti-kapitalistische Bewegung muss anti-imperialistisch werden!

Die meisten Texte des vorliegenden Buches wurden vor dem 11. September und vor Ausbruch des imperialistischen Krieges gegen Afghanistan veröffentlicht. Wir haben daher diesem Buch eine internationale Erklärung revolutionärer KommunistInnen zum Krieg angefügt.

Alle anderen Texte erschienen ursprünglich in englischer Sprache in der Broschüre "The anti-capitalist movement. A guide to action." Die Texte sind Ergebnis des politischen Eingreifens und der Diskussion im Rahmen einer internationalen trotzkistischen Strömung, der "Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale", in der BRD durch die Gruppe Arbeitermacht und in Österreich durch den ArbeiterInnenstandpunkt vertreten.

Die Übersetzung wurde zwar mehrmals Korrektur gelesen. Wir bitten jedoch, sprachliche Schwächen und Anglizismen zu entschuldigen. Alle Zitate sind Übersetzungen von uns.

In Sprache und Schreibweise haben wir uns um einen möglichst verständlichen Ausdruck bemüht. In der Publikation wird die Innen-Schreibweise verwandt, um die Bedeutung beider Geschlechter in der Gesellschaft und im politischen Kampf herauszustreichen. Wir haben allerdings darauf verzichtet, wo das politisch weniger wichtig ist (z.B. bei FaschistInnen) oder wo es die Lesbarkeit deutlich erhöht (zusammengesetzte Hauptwörter).

Viel Spaß beim Lesen wünschen die Herausgeber

 

 

 

Wie kam es dazu?

Die Politik der Globalisierung

Globalisierung ist überall. Globalisierung steht für die Zerstörung aller Barrieren, die das Profitsystem in seinem internationalen Wirken behindern. Globalisierung steht für revolutionäre Technologien, die Zeit und Raum auflösen, also die Faktoren, die einst die Arbeitsweisen des Systems bestimmten. Globalisierung steht für die Erosion der Löhne und Arbeitsbedingungen in den industrialisierten Ländern mit der kaum verschleierten Drohung der großen Konzerne, ihre Produktionsstätten in die billigeren Regionen der sog. Dritten Welt zu verlagern. Globalisierung steht für Konzentration der Macht in den Sitzungssälen der großen Konzerne, weit abseits gewählter Parlamente. Sie steht für einen massiven Machtzuwachs globaler Institutionen wie IWF, Weltbank und WTO. Wie ist es dazu gekommen? Wie konnte es soweit kommen?

Ein entscheidendes Moment in der Entstehung der Globalisierung war der Triumph der USA über die Sowjetunion in den späten 1980er Jahren. Kurz darauf begann eine neue Generation von globalisierungsfreundlichen Intellektuellen, die Denkfabriken, die akademischen Institutionen und die Kolumnen bedeutender Zeitungen zu beherrschen.

Die alte Garde der Kremlspezialisten und der außenpolitischen Realisten wurde in den 1990er Jahren in Pension geschickt, um den "Globalisten" Platz zu machen, deren Aufgabe einfach war: den Sieg des freien Marktes über die Staatsintervention in der Wirtschaft zu feiern. Thomas Friedman, Jeffrey Gerten, Daniel Yergin und eine Menge anderer überschwemmten die Regale der Buchläden mit ihren Lobhudeleien auf die US-amerikanische Führung, auf US-amerikanische Werte und vor allem auf das Recht - eigentlich die Pflicht - der USA, diese ihre Werte in die restliche Welt zu exportieren.

George Bush proklamierte eine "Neue Weltordnung", und in einem Anfall von Begeisterung behaupteten die Prediger der Globalisierung, dass es keine Konflikte zwischen Nationen mehr gebe - zumindest sei die Außenpolitik nicht mehr davon bestimmt. Sie meinten, die USA könnten nun ihre Macht nutzen, die "Demokratie" auf dem ganzen Erdball zu fördern. Sie hatten jedoch eine merkwürdige Vorstellung von Demokratie: Nämlich jedes Land in ein globales Wirtschaftssystem mit klaren Regeln zu zwingen, die mit der Zeit an den Regierungen vorbei direkte Bindungen zwischen Bürgern und Konzernen schaffen würden.

Fukuyamas berühmte These, dass wir das "Ende der Geschichte" erreicht hätten, war der Höhepunkt dieser Denkrichtung. Die Kriege im Irak und in Somalia in den frühen 1990er Jahren brachten jedoch ein unsanftes Erwachen. Der Blickwinkel verengte und verschob sich: Man konnte einfach nicht mehr länger von den USA verlangen, einer gesetzlosen, chaotischen und undankbaren Welt Recht und Ordnung sowie Respekt vor den Menschenrechten aufzuzwingen. Aber die USA konnten sich auch keinen Rückzieher leisten. So hieß die neue Linie der amerikanischen Diplomatie: gezielte militärische Operationen neben der offenen Unterstützung von US-Konzernen. Clintons Handelsminister Ron Brown fasste dies unter dem Begriff "kommerzielle Diplomatie" zusammen. Es handelt sich dabei um eine "Mischung von Außenpolitik, Regierungsgewalt und geschäftlichen Vereinbarungen". Ohne militärischen Rivalen "ist das Geschäft die natürliche Grundlage der Außenpolitik".

Diese neue maßgebliche Ideologie geht davon aus, dass die USA so mächtig sind und ihr "american way of life" derart überlegen ist, dass sie die Pflicht haben, anderen Nationen ihre Interessen aufzudrängen und aktiv in Konflikte einzugreifen, um ihre nationalen Interessen zu sichern. Die Gurus der Globalisierung sagten, es sei nun an der Zeit, für den amerikanischen Weg zu kämpfen als den einzig möglichen, Geschäfte zu machen.

Die Regierungen unter Bush und Clinton schöpften in den 1990er Jahren ihren Sieg über die UdSSR voll aus. Sie legten die Route für die rasante Restauration des Kapitalismus in der Ex-UdSSR und den osteuropäischen Ländern fest; sie drückten neue Regeln für den Welthandel durch; sie verwandelten die UNO in ein Instrument unter vollständiger Kontrolle des Pentagon und profitierten auch noch wirtschaftlich von der Wirtschaftskrise in Asien Ende der 1990er.

Die USA setzten nie da gewesene und unbeschränkte Gewalt gegenüber den Ländern der dritten Welt ein, die sich weigerten mitzuspielen. Sie haben ihr Zögern überwunden und im Balkankonflikt durch die Intervention mit Streitkräften mehrere Verträge durchgesetzt. Globalisierung ist also nicht nur eine spontane Tendenz, angetrieben von Technologie und Wirtschaft. Sie steht auch für das Durchsetzen der ökonomischen, politischen und kulturellen Vorherrschaft der einzigen Hypermacht der Welt, der mächtigsten imperialistischen Nation auf diesem Planeten. Die großen Konzerne, die Clinton ins Amt hievten, wurden reichlich belohnt: Ihr Vermögen und ihre Macht wuchsen in den 1990ern schneller denn je seit den 1950ern.

Das Clinton-Regime verkörperte den Triumph der Wall Street über die Main Street. Die Vertreter der Finanzmärkte und der Investmentbanken erlangten während der beiden Regierungsperioden der Demokratischen Partei deutlich mehr Einfluss. Um 1995 belief sich der Stand des Auslandsvermögens der US-Konzerne auf mehr als 600 Milliarden US-Dollar, rund dreimal soviel als zehn Jahre zuvor. Die Exporte kletterten von 9% auf 13% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Financial Times brachten es auf den Punkt: "US-Konzerne, die früher den Weltmarkt bloß als Absatzmarkt für ihre Überschussproduktion gesehen haben, erkennen nun plötzlich, dass ein Drittel oder gar die Hälfte ihres Absatzes bald im Ausland gemacht wird." Mit diesem Griff nach der Weltkugel ging eine Außenpolitik einher, entschlossen darauf ausgerichtet, das im Ausland befindliche US-Vermögen zu schützen.

Die Wall Street profitierte in den 1990ern in zuvor nie gekannter Weise von Spekulationen mit konvertiblen Währungen, von Einnahmen durch das Management von Privatisierungsprogrammen ehemals staatlicher Unternehmen und einer Welle von Fusionen und Firmenaufkäufen, die höher war als je zuvor. Der Rubin-Clinton-Kredit für Mexiko in Höhe von 38 Milliarden US-Dollar 1994/95 - unter Umgehung des Kongresses - war ein Geschenk an die Wall Street-Aktionäre, die bei Zahlungsunfähigkeit der mexikanischen Regierung massive Verluste erlitten hätten. Clinton ging mit seiner Politik der Freien Märkte noch über die früheren Regierungen hinaus. Die traditionellen IWF-finanzierten Strukturanpassungsprogramme zielten auf Länder ab, die sich in Zahlungsschwierigkeiten befanden. Clinton beugte sich dem Druck der Unternehmer und ging einen Schritt weiter und auch die ärmsten Länder der Welt wurden der "Marktdisziplin" unterworfen, um ihre Ressourcen und billigen Arbeitskräfte den US-Konzernen zugänglich zu machen.

Die Waffe dieser Zeit war es nicht, Notdarlehen zu verweigern, die eine Währung stabilisieren oder eine Schuldenkrise beheben könnten, sondern mit dem Rotstift an die offiziellen Hilfsprogramme zu gehen. Anlässlich eines Besuchs in Afrika 1998 erklärte Clinton, "trade not aid", also "Handel, nicht Hilfe" sei von nun an Uncle Sams Beitrag, um die Armut auf dem Kontinent zu beseitigen. In der Tat war von 1991 bis zu der Zeit, als Clinton den Kontinent besuchte, die offizielle Pro-Kopf-Hilfe von 32 auf weniger als 19 US-Dollar gesunken. Die Kürzungen bei den Hilfsleistungen würden durch Investitionen der US-Konzerne wettgemacht - vorausgesetzt natürlich, dass die afrikanischen Regierungen ihre staatlichen Unternehmen privatisierten, Steuern und Abgaben senkten. Clinton weigerte sich sogar, öffentliche Gelder zur Bekämpfung der AIDS-Krise in Afrika zu spenden, und zwang so diese Länder, sich den 'Rettern' in den Konzernen zuzuwenden.

Möglicherweise war Clintons größtes Vermächtnis in Sachen Globalisierung, die Verwandlung von zwei Schlüsselpfeilern der Nachkriegsordnung, GATT und UNO, in noch offenere Instrumente der US-amerikanischen Weltpolitik.

 

Vom GATT zur WTO

1944 verhinderten die USA die Schaffung einer internationalen Handelsorganisation mit aller Macht, da sie im Hinblick auf Handels- und Zollabkommen eine lose Organisation bevorzugten, das GATT (Allgemeines Abkommen über Zölle und Handel). Mittels des GATT gelang es den USA, eine Liberalisierung des Handels zu fördern und gleichzeitig die Schutz- und Subventionspolitik für die Landwirtschaft in den USA und anderen entwickelten Ländern aufrechtzuerhalten.

In den 1990ern jedoch wollten die USA diesen Schutz der Landwirtschaft reduzieren. Die Uruguay-Runde der GATT Handelsverhandlungen, die 1986 begann, hatte sich zum Ziel gesetzt, die Handelsbarrieren massiv abzubauen. Sie stimmten auch der Umwandlung des GATT in die Welt-Handels-Organisation (WTO) zu, die 1995 verwirklicht wurde. Die Uruguay-Runde und die Entstehung der WTO waren entscheidende Schritte, um die Handelsinteressen der US-Konzerne zu fördern.

Investitionsbeschränkungen wurden in den 1990ern praktisch überall verringert. Seit 1991 wurden rund um den Erdball 570 Regelungen über direkte Auslandsinvestitionen geändert, immer, um Hindernisse für die Profitraffer zu beseitigen. 1997 waren 1.330 bilaterale Investitionsverträge, die 162 Länder betrafen, in Kraft: dreimal mehr als 1992.

Die WTO ist eine geheimniskrämerische Verwaltungsorganisation unter Dominanz der G8-Mächte, in der Konzerne sich dafür einsetzen können, dass nationale Gesetze und Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden können, die die arbeitenden Menschen und die Umwelt vor dem unkontrollierten Zugriff der großen Konzerne schützen sollen. Und vielleicht war es Clintons allergrößte Hinterlassenschaft, die riesigen neuen Märkte Chinas - durch Bestechung und Einschüchterung - an die Schwelle des Beitritts zur WTO zu bringen.

Die Globalisierung brachte auch eine Veränderung der Haltung der USA zu den Organisationen der Dritten Welt mit sich. Sie hatten in den 1960ern der Bildung der UNCTAD zugestimmt - einer Organisation zur Entwicklung der sog. Dritten Welt, die nationale Industrialisierungsmaßnahmen finanzierte, da dies das geringere Übel war gegenüber der Alternative, diese Länder dem Einfluss der Sowjetunion zu überlassen. Aber in 1990ern war die UdSSR Geschichte. Heute sind Organisationen wie die UNCTAD Hindernisse für die Dominanz der US-Konzerne. Die UNCTAD wurde praktisch kastriert.

In der UNO kam der Wandel zwar langsamer, aber dank der Rückgratlosigkeit von Gorbatschow und Jelzin unaufhaltsam. Sie haben sich dabei überschlagen, den USA in den 1990ern die Unterstützung der UNO für ihre imperialistischen Abenteuer zu sichern. Als Dank dafür finanzierten die USA die Restauration des Kapitalismus und sorgten dafür, dass die persönlichen Bankkonten der russischen Autokraten nicht leer wurden. Eine Zeit lang schien es, als würde Clinton US-Interessen hauptsächlich unter dem Deckmantel einer gefügigen UNO durchsetzen. Aber das Desaster der Intervention in Somalia änderte dies schlagartig. Nach Somalia kamen die US-Machtinteressen unverhüllt zum Vorschein. Die USA legten ihr Veto gegen eine zweite Amtszeit von Boutros-Gali als Generalsekretär der UNO ein, da dieser zu kritisch gegenüber der US-Politik war. Clinton beschnitt die Interventionsmöglichkeiten der UNO nach dem Bosnien-Krieg durch die Weigerung, die Schulden der USA über 1,6 Milliarden US-Dollar zu bezahlen.

Die NATO hingegen wurde zum tatsächlichen Weltpolizisten - allerdings zu einem, der von den Hauptverbrechern bezahlt wird. Die NATO war eine Schöpfung des Kalten Krieges, vorgeblich eine Verteidigungsallianz gegen die russische Aggression in Europa. Aber obwohl der Kalte Krieg zu Ende war, wurde die NATO stärker. Die US-Regierung kämpfte für erweiterte Aufgaben und eine globale Rolle der NATO. Sie sprach von der Notwendigkeit, "Druck auf kommunistische Nostalgiker" in Osteuropa zu machen, so die US-Außenministerin Madeleine Albright. 1998 forderte und bekam die NATO das Recht auf militärische Erstschläge - auch nukleare - außerhalb Europas, wo auch immer die USA "Schurken"-Staaten entdecken, die sich ihrer Macht widersetzen. Die Marginalisierung der UNO und die Aufwertung der NATO - das drückt die neue Freiheit und Macht der USA nach dem Kalten Krieg aus: auf der Weltbühne als Erste und ungehindert zuschlagen zu können.

Es wäre allerdings kurzsichtig zu glauben, dass bloß die USA die Globalisierungsideologie lanciert und nur US-Unternehmen von der Ausweitung des Freihandels und der Liberalisierung des Kapitalflusses profitiert hätten. Die europäischen und japanischen multinationalen Konzerne profitierten ebenso und prosperierten, nachdem Uncle Sam die Barrieren für Auslandsinvestitionen und Auslandsexporte niedergerissen hatte.

Die mächtigsten Staaten der EU gewannen auf jeden Fall durch die Öffnung der Ex-UdSSR und Osteuropas, während Japans Großkonzerne in den 1990ern vor allem in Ost- und Südasien ihre Präsenz deutlich ausgeweitet haben, trotz einer stagnierenden Wirtschaft im eigenen Land. Aber die USA führten die Attacke, wischten alle Einwände beiseite, setzten sich in den multilateralen Foren mit allen Mitteln durch, oft gegen die Zweifel und Einwände anderer. Ende der 1990er schienen sie, getragen durch den starken Wirtschaftsaufschwung, unangreifbar. Die Message lautete: Militärische Macht und Reichtum geben uns das Recht, dem Rest der Welt unser "erfolgreiches" Modell aufzuzwingen.

Zum Klang der knallenden Champagnerkorken beim Start neuer dot.com-Firmen begannen die Priester der Globalisierung die Ankunft einer neuen Form von Kapitalismus zu bejubeln: eines Kapitalismus, in dem Technologie und Neoliberalismus die regelmäßig wiederkehrenden Wirtschaftszyklen von Konjunktur und Rezession beseitigt hätten. Aber da sollten sie sich schwer täuschen.

Der Schauspieler, der alles ins Rollen brachte

Die Grundlagen für die Globalisierung wurden in den 1980ern durch Ronald Reagans zweigleisige Politik gelegt - Neuer Kalter Krieg und neoliberale Wirtschaftspolitik. Seit den 1970ern hatten die USA unter ihrer Niederlage gegen das vietnamesische Volk gelitten. Reagan, ein Schauspieler in zweitklassigen Filmen, wurde durch eine Allianz von mächtigen US-Geschäftsleuten und Generälen an die Spitze der Weltbühne gedrängt, um den Rückzug zu stoppen. Durch ein verschärftes Wiederbewaffnungsprogramm half das Pentagon, dem US-Außenministerium, die stalinistische Elite zu aufbrechen, welche die UdSSR beherrschte. Rund um Gorbatschow entstand eine Reformbewegung, aber diese beschleunigte den Zerfall der stalinistischen Kommandowirtschaft, ohne irgendwelche Lösungen für die wirtschaftliche Stagnation zur Verfügung zu haben.

In Lateinamerika und dem Mittleren Osten begannen die USA erneut ihre Diplomatie der Gewehrläufe. Vom CIA ausgebildete und bewaffnete rechte Oppositionelle starteten von Nicaragua bis Afghanistan Bürgerkriege gegen Regimes, die den Interessen der USA im Wege standen. Zu Hause begann Reagan einen umfassenden Angriff auf die organisierte Arbeiterbewegung und zerstörte die Kampfkraft der Gewerkschaften durch eine Serie von rechtlichen Änderungen, welche Streiks verboten und gewählte Führungen abgesetzt haben. Als Folge davon wuchs die neue Generation von ArbeiterInnen heran, die nichts anderes als Deregulierung, Unsicherheit, vorbeugende Massenentlassungen und stagnierende Löhne kannte. Andererseits erholten sich die Profite der großen Konzerne infolge dieser Angriffe deutlich. Reagan nutzte die mexikanische Schuldenkrise von 1982 und deren kurz darauf erfolgte Lösung durch US-Banken, um den IWF in eine Waffe der US-Auflenpolitik zu verwandeln. Genau zu dieser Zeit begann der IWF damit, dutzenden Ländern der Dritten Welt systematisch "Strukturelle Anpassungsprogramme" als Preis für Schulderleichterungen aufzuzwingen. Künftige Kredite wurden an Pakete wirtschaftlicher Maßnahmen mit dem Ziel gebunden, den Staat von wirtschaftlichen Entscheidungen auszuschließen, ausländische Unternehmen zu unterstützen und die Märkte der dritten Welt für ausländische Konzerne zu öffnen. Reagan beendete seine Amtszeit zwar als flegelhafter und geschmähter Wahnsinniger, aber er hatte viel von der verlorenen wirtschaftlichen und politischen Macht der USA wieder hergestellt.

 

 

 

Globalisierung

Eine neue Form des Kapitalismus?

Hat die Globalisierung das Profitsystem grundlegend verändert, oder ist sie lediglich eine Variante des Imperialismus, wie er im 20. Jahrhundert existierte? Vor 150 Jahren sah der Kapitalismus völlig anders aus als heute. Nur eine Handvoll Länder in Nordwesteuropa und Nordamerika waren damals kapitalistisch - während sich die übrigen noch mit den unterschiedlichsten vorkapitalistischen, auf Landwirtschaft beruhenden Gesellschaften abmühten.

Die Manufaktur war die vorherrschende Form kapitalistischer Aktivität; sie fand noch in kleinem Maßstab statt und war für gewöhnlich in Familienbesitz. Die Banken waren nur insoweit an den industriellen Firmen beteiligt, als sie kleinere Kredite verliehen, um die laufenden Ausgaben zu decken, bis die Warenbestände verkauft waren. Der Handel war die Haupt- oder gar ausschließliche Form, die die Wirtschaft international verband. Es gab zwar Kolonien, doch es waren ihre Märkte, und nicht ihre Potenziale, selbst Güter zu produzieren, die in erster Linie ausgebeutet wurden.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, hatte sich der Kapitalismus komplett verändert. In den 50 Jahren vor 1914 breitete er sich unbarmherzig aus und zog alle Nationen in das Geflecht der Märkte hinein. Die typische Form der führenden Firmen waren das Monopol, das Kartell und der Trust - mit nur wenigen Firmen, die den jeweiligen Markt beherrschten. Das gab ihnen die Macht, die Preise festzusetzen, die Zulieferer und den Zugang zu den Märkten zu kontrollieren. Sie waren in der Lage, Innovationen zu verhindern, wenn diese ihre Dominanz gefährdeten. Das war eine qualitative Wende hin zu einer neuen Art des Kapitalismus. Die Welt wurde effektiv unter einer Handvoll mächtiger, kapitalistischer Nationen aufgeteilt, deren große Firmen den heimischen Markt bereits gesättigt hatten und die jetzt fremde Märkte und Rohstoffquellen erobern mussten. Investitionen ersetzten den Handel als die Hauptform internationaler Beziehungen in der Weltwirtschaft - auch wenn sich der Handel im Fahrwasser der Investitionen noch verstärkte. Die frühere Beziehung zwischen Produktion und Finanzwelt wurde umgekehrt. Die Banken hielten sich nicht mehr von der Industrie fern. Sie wurden zur Hauptquelle für Kredite und Investitionen. In vielen Ländern kam es zu einer 'Fusion' zwischen Industrie und Banken. Die Banken suchten jetzt als Besitzer und Anteilseigner nach Macht und Einfluss, um ihr investiertes Kapital zu schützen. In der Beziehung Finanzmacht zu Produktion dominierte jetzt erstere.

Diese neuen, monopolistischen Firmen brauchten jetzt einen ebenso "modernen" Staat - d.h. einen Staat, der in der Lage ist, eine militärische und diplomatische Maschine aufzubauen, mit dem Zweck, ihre Besitztümer im Ausland gegen die Ansprüche ausländischer Konkurrenz und gegen nationale Befreiungsbewegungen zu verteidigen. MarxistInnen nannten dieses System Imperialismus. In das System des Imperialismus sind Konflikte von vornherein eingebaut; Kriege und Revolutionen waren das unausweichliche Resultat dieser neuen Form der Ausbeutung und Unterdrückung.

Im Verlauf des letzten Jahrhunderts blieb die Welt nicht stehen. Manche Länder stiegen in die Riege der herrschenden Mächte auf, andere stürzten ab; einige kleinere Länder, die ganz nach oben wollten, schafften es nicht. Manche Länder, die noch vor 50 Jahren völlig arm und überwiegend agrarisch geprägt waren, sind heute hoch industrialisierte Nationen.

Industrien, die am Anfang des letzten Jahrhunderts zentral waren, fielen zur Mitte des Jahrhunderts in die zweite Reihe zurück und andere wiederum, die bis in die 1950er Jahre nicht groß in Erscheinung getreten waren, dominieren heute in der Profit- und Umsatzrangliste. In den letzten 15 Jahren wurden wir Zeugen der Vollendung in der Entwicklung des imperialistischen Systems, dessen Grundlagen vor 100 Jahren gelegt wurden.

Doch das Wesen des kapitalistischen Systems bleibt dieselbe wie zuvor: Einige hundert Unternehmen und eine Handvoll Länder monopolisieren die Finanzmärkte und Produktionsmittel der Welt und unterwerfen das Leben von Milliarden ihrer Herrschaft mit wiederkehrenden Kriegen, ethnischen Konflikten, wachsender Ungleichheit und der Zerstörung der Umwelt. Die zunehmenden Transaktionen spekulativen Kapitals destabilisieren die Welt wie nie zuvor. Die Globalisierung hat den Imperialismus als Entwicklungsstadium des Kapitalismus nicht ersetzt.

Während die These, dass die Globalisierung eine völlig neue Ära einleitet, zurecht den höheren Grad der Integration in die Weltwirtschaft hervorhebt, schweigt sie höflich dazu, wie diese Integration geschieht. Zum Beispiel verheimlicht sie die Tatsache, dass die Integration zutiefst ungleich ist: eine Handvoll reicher Länder im Norden, die das Gros von Kapital und Handel monopolisiert, was die Zusammenhänge von Ausbeutung, Ungleichheit und Unterdrückung zwischen den G8 und der OECD auf der einen und den restlichen 200 Nationen auf der anderen Seite ständig reproduziert.

Technologie und Globalisierung

Neue Innovationen haben Entfernung und Zeit zu einem schwächeren Hindernis für Ansiedlung und Bewegung von Kapital gemacht.

So liegt beispielsweise der wachsenden Integration der Weltwirtschaft ein Sinken der Transport- und Kommunikationskosten zugrunde. Zwischen 1930 und 1990 fielen die Einnahmen für Luftfracht von 68 auf 11 US-Cent pro Meile (gemessen am Wert des Dollars 1990). Die Kosten eines dreiminütigen Telefongesprächs von New York nach London fielen von 244,65$ auf 3,32$. Zwischen 1960 und 1990 fielen die Kosten einer PC-Speichereinheit um 99%.

Technologie und Deregulierung verbinden sind miteinander in ihrer Wirkung. Die Kosten für eine Einheit Schiffsfracht fielen beispielsweise von Anfang der 1980er Jahre bis 1996 - aufgrund technologischer Neuerungen und eines gestiegenen Konkurrenzkampfes - um 70%.

Doch dieselben technologischen Neuerungen, welche die Flugpreise senken und Zugang zum Internet geben, ermöglichen uns auch einen besser koordinierten Widerstand: Die internationalen Proteste gegen die Gipfel am Anfang des 21. Jahrhunderts sind ein neues Phänomen, das ohne diese Technologien nicht möglich wäre.

Sie verschleiert die Tatsache, dass die stärkere Durchlässigkeit nationaler Grenzen zu einer stärkeren Regionalisierung der Welt und nicht zu einer Globalisierung im eigentlichen Sinn führt, sondern zum Entstehen einer grenzüberschreitenden Industrie in den drei großen Hauptarenen: der NAFTA, der EU und Südostasien. Globalisierung verkörpert also die Verstärkung von bestimmten Aspekten des modernen Imperialismus und nicht eine gänzlich neue Struktur des Kapitalismus.

Doch die Veränderungen in der Form des imperialistischen Systems sind wichtig, weil sie bestimmte Auswirkungen auf die Natur seiner Krisen haben und ebenso darauf, wie sich der Widerstand dagegen formiert.

In diesem Sinn können wir die wesentlichen Aspekte der Globalisierung folgendermaßen zusammenfassen:

• Die Macht der USA hat sichergestellt, dass Handelsbarrieren abgebaut wurden und die Geschwindigkeit und das Ausmaß von Auslandsinvestitionen und des internationalen Handels beschleunigt wurden.

• Veränderungen in der internationalen Finanzstruktur, die eine weitere Internationalisierung der Wirtschaft beförderten, haben zugleich die Stabilität der kapitalistischen Ökonomie untergraben und die Bedeutung von Schulden und Spekulationen in der Mechanik des Kapitalismus erhöht.

• Veränderungen bei den vorherrschenden Geschäftsführungsmodellen, die von vielen führenden multinationalen Unternehmen angewandt werden und die zur Verlagerung von Produktionsprozessen in weniger entwickelte Länder führten.

 

Internationaler Handel

In den letzten zehn Jahren haben wir eine Explosion im Handel erlebt. Während der 1990er Jahre wuchsen in jedem Jahr die Exporte weltweit drei Mal so stark wie die Industrieproduktion. Mit 6% verdoppelte sich das jährliche Exportwachstum gegenüber den Jahren 1973-1990. Während der Jahrzehnte des Nachkriegsbooms hatte es zwar eine Expansion des Handels von rund 9% gegeben, doch das lag nur um 2% über der Expansion des Industrieoutputs. In diesem Sinn kommt - relativ gesehen - heute ein größerer Teil der Produktion als jemals zuvor auf den Weltmarkt.

Das Verhältnis der Exporte zur Industrieproduktion ist im Lauf des Jahrhunderts stetig angestiegen und erreichte in den letzten 25 Jahren Zahlen wie in den Jahren des Nachkriegsbooms von 1950-1970. Das Verhältnis der Exporte zum globalen Output betrug 1913 9%, 1950 7%, 1973 11%, Anfang der 1990er Jahre 14% und letztes Jahr über 20%. Mehr als irgendein anderer Faktor trug das Lobbying der US-amerikanischen Unternehmen zu dieser Entwicklung bei. Seit Mitte der 1980er Jahre führten die Multinationalen Konzerne (MNK) einen wilden Angriff auf die Handelsbarrieren, die sie vom Rest der Welt trennten. Als Ergebnis der multilateralen Handelsvereinbarungen der Uruguay-Runde wurden die durchschnittlichen Zölle auf Importe von Fertigprodukten in fortgeschrittene Volkswirtschaften 2001 auf 4% gesenkt.

Von den Ländern der Dritten Welt verhängte Importsteuern fielen seit 1987 von durchschnittlich 34% auf den heutigen Stand von 14%. Zwischen 1970 und 1997 sprang die Zahl von Ländern, die ihre Importkontrollen von Waren und Dienstleistungen abschafften, von 35 auf 137.

Allein die USA konnten im Verlauf der letzten 90 Jahre den Anteil der Waren und Dienstleistungen, die sie exportieren, verdoppeln; ein Trend, der sich vor allem in den letzten 20 Jahren beschleunigt hat. Doch alle Multinationalen Konzerne sind mehr und mehr auf den Welthandel angewiesen, um ihre Profite zu steigern, und auf die 'economies of scale', die Produktion in immer größerer Größenordnung, um den Vorsprung vor der Konkurrenz zu halten.

In der Dritten Welt herrscht jedoch eine andere Wirklichkeit. Was das Ausmaß der 'Integration' der Ersten mit der Dritten Welt durch den Handel betrifft, so gab es dabei seit den 1960er Jahren einen drastischen Niedergang. Während der Anteil dieser Handelsbeziehung damals 46% des Welthandels ausgemacht hat, lag er 1990 nur mehr bei 27%. Zusätzlich veränderte sich die Natur des Handels, als die Zollmauern abgerissen wurden. Der wachsende Welthandel hat den Bilanzen der multinationalen Konzerne Auftrieb verliehen, doch die Auswirkungen für die Länder des "Südens", deren Handelsregimes liberalisiert wurden, waren im Allgemeinen verheerend.

Die Preise der Waren, von denen ihre Exporte abhängen, sind in den 1990er Jahren extrem verfallen, was die Zahlungsbilanzkrisen verschärfte. Mit der heimischen Industrie und Beschäftigung ging es bergab. Öffentliche Hilfszahlungen wurden mit der Begründung gekürzt, dass der anwachsende Handel dem sinkenden Nationaleinkommen entgegenwirken würde. Doch dem war nicht so.

 

Auslandsinvestitionen

Gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist Japan heute der weltweit führende Exporteur von Kapital. Aber es exportiert weit weniger als jene 5% vom BIP, die Britannien als Auslandsinvestitionen zwischen 1870 und 1913 tätigte. Doch hier ist weniger das Verhältnis der Auslandinvestitionen zum BIP entscheidend, als vielmehr das Verhältnis der Auslandsinvestitionen zu den heimischen Investitionen und zu den Warenexporten.

1996 wurde die Summe aller weltweiten Auslandsdirektinvestitionen (ADI) mit 3.200 Milliarden US-Dollar bewertet. Zwischen 1986 und 1996 wuchsen die ADI doppelt so schnell an wie die Gesamtinvestitionen. Sie wuchsen zwischen 1991 und 1996 um 12% jährlich an, während die weltweiten Exporte nur um 7% stiegen. Das beweist, dass der Antrieb für die Expansion der internationalen Wirtschaft immer noch, so wie vor 100 Jahren, der Kapitalexport ist. Allerdings ist heute die Form der Investitionen anders als damals. Britanniens überschüssiges akkumuliertes Kapital, dass sowohl aus dem Inland als auch aus seinem riesigen Empire herausgesogen worden war, war zum überwiegenden Teil in Form von Schuldscheinen als Darlehenskapital an ausländische Regierungen verliehen worden. Dasselbe galt auch für die anderen "Großmächte".

Heute sind Aktien (Teilbesitz von Unternehmen) gleich wichtig wie Anleihen, doch Auslandsdirektinvestitionen in Werke und Investitionsgüter sind um ein vielfaches bedeutender als beide zusammen. Vor 1914 gingen die meisten ADI in Eisenbahnen oder Bergbau. Heute erstrecken sie sich durch alle Bereiche der Produktion und in wachsendem Maße auch in Dienstleistungen.

Beschränkungen für die Investitionsflüsse wurden während der 1990er Jahre nahezu überall abgebaut. Zwischen 1991 und 1997 gab es weltweit 570 Liberalisierungsmaßnahmen bei Bestimmungen, die Auslandsdirektinvestitionen regeln. Rund 1330 zwischenstaatliche Verträge für Investitionen, die 162 Länder betreffen, gibt es mittlerweile - ein Anstieg um das Dreifache innerhalb eines halben Jahrzehnts.

Natürlich sind Richtung und Ausmaß der Investitionen unter der Kontrolle der reichsten Nationen und der größten Unternehmen. Der Zugang zu den Kapitalmärkten für künftige Investitionen wird ebenso von jenen kontrolliert, die bereits die Märkte beherrschen.

Die Beseitigung von Investitionsbeschränkungen führte in den 1990er Jahren zu einer einschneidenden Veränderung der Gründe, warum Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern. Der Trend, eine Reihe von regionalen oder lokalen Werken zu bauen, um die jeweiligen Märkte zu beliefern, war eine Chance für viele multinationale Konzerne, die hohen Zölle, die Länder auf Importe von Fertigprodukten verhängten, zu umgehen. Zum Beispiel waren viele japanische Investitionen in den USA und in der Europäischen Union eine Antwort auf die Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Exporten. Das gleiche gilt für viele Investitionen in der Dritten Welt - in der Auto- und Lastwagenproduktion beispielsweise.

Zusätzlich ermutigte die Furcht vor Schwankungen der realen Wechselkurse in den 1970er und 1980er Jahren die Ausweitung der grenzüberschreitenden Produktionskapazitäten. Doch in den 1990er Jahren banden viele Länder in Asien und Lateinamerika ihre Währung an den Dollar. In Europa hat der Euro für jene, die innerhalb der Eurozone leben, die Schwankungen der Wechselkurse eliminiert.

Eigentum von Kapital in den 1990ern

In den 1990ern wurde das US-amerikanische Modell des Unternehmenseigen-tums auch in jenen Ländern immer mehr zur Regel, die bislang andere Modelle hatten, wie etwa Deutschland oder Japan. In den USA stehen die Geschäfts-führungen und Vorstände unter einem viel größeren Druck der großen institutionellen Anteilseigner (z.b. Pensionsfonds), die Aktienkurse und die Jahresdivi-denden zu erhöhen.

Das hat mehrere Konsequenzen. Es kommt immer mehr darauf an, Geld zu machen und nicht Produkte. Das heißt, die Finanzen bestimmen alles, nicht die Produktlinie. Das wiederum erzwingt Veränderungen bei den Arbeitsverhältnis-sen, die Stammbelegschaften etwa wurden drastisch reduziert, während die ungesicherten Arbeitsverhältnisse angewachsen sind. Diese Entwicklung wurde in den USA vorangetrieben, weil sie es Unternehmen ermöglicht, schnell und flexibel Kosten zu senken. Zugleich ist sie typisch für die globalisierten Unternehmen, da diese es sich leisten können, sich um so weniger um die Loyalität der Arbeiter-schaft zu kümmern, je weniger ihre Verkäufe und Profite vom heimischen Markt und der heimischen Arbeitskraft abhängen.

Wichtiger ist aber, dass als Ergebnis des immensen Drucks der USA und der EU auf den Abbau von Beschränkungen für den Im- und Export ihrer Produkte in den 1990er Jahren der Durchschnittszoll für Importe bei 7% lag; das ist weniger als ein Fünftel von dem, was er in der 1950er Jahren betrug. Dies bedeutete, dass es keinen Grund mehr gab, in allen Märkten Werke zu bauen, da sie von Übersee aus beliefert werden können. Australien importierte beispielsweise 1987, als die Importzölle noch 57% betrugen gerade 15% der Autos, die es verkaufte. Jetzt betragen die Zölle 22% und mehr als die Hälfte der verkauften Autos sind Importe. Als eine Folge davon konnte Nissan die Autoproduktion in Australien abschaffen.

Eine Konsequenz der Handelsliberalisierung in den 1980ern und 1990ern war, dass das Augenmerk bei den Entscheidungen für die Investitionen der Unternehmen wieder einmal auf die Arbeitslöhne gelenkt wurde - das ist der Grund, warum die Werke des Elektroniksektors von Hongkong nach Taiwan und Korea und jetzt nach Indonesien und China abwanderten. Allgemeiner Trend ist es, mit Blick auf bestimmte Weltregionen Werke zur langfristigen Entwicklung von Produkten in Industriestaaten aufzubauen und dazu eine Kette von niedrig entlohnten Produktionstätigkeiten zu haben, die ziemlich flexibel je nach Bedarf rund um die Welt verlegt werden können.

Die meisten Hightechinvestitionen, die für die Entwicklung der Produkte wichtig und daher der Schlüssel sind, das Monopol des imperialistischen Clubs bei hochwertigen Arbeitsprozessen und -produkten aufrechtzuerhalten, bleiben weiterhin fest in der Hand des "Nordens". Das ist der Grund, warum sich 1995 75% des Mehrwerts aus Produktion der Welt auf zwei Dutzend OECD-Länder verteilte, was es ihnen ermöglichte, die Schere in der Entwicklung gegenüber dem "Süden" aufrecht zu erhalten und sogar weiter zu öffnen.

Zwei Drittel aller Auslandsdirektinvestitionen gingen in den 1990er Jahren in Länder der OECD - ausgehend von vier Fünftel in den 1980er Jahren. Doch in den 1960er Jahren ging noch die Hälfte aller ADI in die Dritte Welt. Diese erneute kleine Hinwendung zu den sogenannten unterentwickelten Ländern, die im Lauf der 1980er und 1990er Jahre stattfand, resultierte daraus, dass Multi-Nationale Konzerne aus OECD-Ländern "konzernintern" in hoch arbeitsintensive Fertigungsstätten investierten, die diesen Konzernen gehörten oder für sie Vertragsarbeit leisteten. Viel Kapital strömte auch in spekulative Bauprojekte.

Die Investitionen in die Dritte Welt waren in den 1990er Jahren sehr ungleich verteilt. China erhielt allein 20% der ADI in die Dritte Welt und die zehn größten Empfänger erhielten den Mammutanteil von 88%. Wie wenig diese Investitionsströme zu einer abgerundeten Entwicklung beitrugen, konnte man sehen, als es 1997 zur Finanzkrise in Asien kam. Der überwiegend kurzfristige Charakter dieser Investitionen wurde auf dramatische Weise illustriert, als das Spekulationskapital aus den krisengeschüttelten Finanzmärkten und Banken in die sicheren Häfen der USA und Europas floh. Dort konnte es fortfahren, einen überhitzten Boom anzutreiben, während die Massen in Asien an Arbeitslosigkeit litten und ihre Ersparnisse verloren.

Das Strickmuster der Investitionsflüsse hat die Globalisierung die Form einer Regionalisierung der Welt annehmen lassen. Die meisten Auslandsdirektinvestitionen fließen jeweils innerhalb der NAFTA, der EU oder Ostasiens und weniger zwischen diesen einzelnen Blöcken.

 

Finanzkapital

Imperialismus bedeutet Herrschaft des Finanzkapitals. Diese Tatsache wird durch die Macht der Finanzmanager innerhalb moderner Unternehmen verdeutlicht: das Hauptanliegen dieser Erbsenzähler ist es, die Aktienkurse hochzutreiben und Profit zu machen - sie beschäftigen sich aber nicht mit dem eigentlichen Geschäft. Der oberste Boss von Corus sagte es so, als er die Schließung des Stahlwerks von Newport in Südwales bekannt gab: "Wir machen keinen Stahl, wir machen Geld".

Die Führungsrolle des Finanzkapitals im Imperialismus ist nichts Neues. Sie rührt von der einfachen Tatsache her, dass im 20. Jahrhundert nur Banken als Quelle für solch große Mengen an Kapital dienen konnten, die nötig waren für die langfristigen, fixen Investitionen, die von den neuen riesigen Unternehmensgiganten getätigt wurden.

Der österreichische marxistische Ökonom Rudolf Hilferding erkannte 1908 diese Führungsrolle als die entscheidende Eigenschaft des "Finanzkapitals", als er die Tendenz der Banken beschrieb, Kredite in Eigentum an Firmen, an die sie verliehen hatten, umzuwandeln, um damit den Wert ihrer Anteile zu sichern.

Doch das Finanzkapital hat seine Position noch mehr gefestigt und ist heute allgegenwärtiger als jemals zuvor. In der Tat ist die Fusion zwischen Finanzkapital und Industrie heute noch ausgereifter als vor 100 Jahren. Die Hegemonie des Finanzkapitals kann im Trend der 1980er Jahre erkannt werden, die Schulden der Unternehmen aus der Dritten Welt in Anteile in der Hand der Kreditgeber umzuwandeln.

Während der letzten zwanzig Jahre haben große industrielle multinationale Konzerne ihr überschüssiges Geld dazu verwendet, sich in Bankaktivitäten einzumischen, Aktien auszugeben und sich über Fonds in Spekulationen zu engagieren - der amerikanische Gigant General Electric ist das bekannteste Beispiel.

Auf der anderen Seite konnten die Finanziers ihre Anteile an einzelnen Unternehmen in riesigen Fonds konzentrieren, die selbst großen Aktiengesellschaften Änderungen in ihrer Geschäftsstrategie diktieren. Während bei Jahreshauptversammlungen der Unternehmen oftmals eine Ansammlung von Rentnern, Besserwissern und Aktionären aus dem Kleinbürgertum auftaucht, findet der wirkliche Dialog zwischen den Unternehmensvorständen und den großen Versicherungen statt.

Der jüngste Aufschwung der Macht und der Dominanz des Finanzkapitals liegt in der Deregulierungswelle begründet, die den Finanzsektor in den 1970er Jahren erfasste. Dadurch verschwanden viele Barrieren, die die Banken davon abgehalten hatten, mit ihrem Kapital alles zu tun, was sie wollten.

Seitens der großen Unternehmen führte eine wachsende Verunsicherung nach dem Ende des langen Booms dazu, dass viele versuchten, den Wert ihrer langfristigen, fixen Anlagen vor den Launen des Wirtschaftszyklus und einer tiefen Rezession mittels einer Reihe neuer Finanzinstrumente (z.b. Optionen, Futures und Derivate) durch Risikostreuung zu schützen. Es war also die Suche nach Stabilität und Sicherheit des industriellen Kapitals, welche zu einem Anwachsen der Finanzoperationen führte. Diese sind daher nicht das bösartige Produkt einer Verschwörung zum Schaden der Industrie, wie einige Ökonomen meinen.

Das industrielle Kapital - sofern es überhaupt Sinn macht, sich so etwas im engeren Sinn vorzustellen - braucht die Dienste der großen Investmenthäuser wie Goldman Sachs, JP Morgan und USB, um den Kapitalmarkt für Investmentfonds anzuzapfen und um Fusionen zu bewerkstelligen. Es braucht außerdem die Finanzmärkte als Weg, industrielle Profite in die Aktienmärkte und andere hochriskante, aber auch hochprofitable Finanzinstrumente zu investieren. Und es braucht die Finanzmärkte, um die geringe industrielle Profitrate, die durch die beinharte Konkurrenz gedrückt wird, die die Liberalisierung freigesetzt hat, auszugleichen. Aber das Wachstum des Finanzsektors barg eine starke Tendenz zur Destabilisierung in sich. Geldkapital hat seine eigene relative Unabhängigkeit und steht unter dem Zwang, Geld zu machen. Seit den 1970ern erreicht es das auf zwei Wegen.

Fusionswahn, Konkurrenzkampf und Kapitalzentralisation

Die 1990er erfanden weder das Monopol, den Konkurrenzkampf, noch globale Unternehmen. Doch die Globalisierung in den 1990ern brachte weitreichende Veränderungen in der Entwicklung aller drei. Monopol und Konkurrenzkampf gehen Hand in Hand. So schrieb etwa Jack Welch, der Vorstandsvorsitzende von General Electric, 1997 in einem Artikel in der Financial Times: "Es gibt einen weltweiten Überschuss von Kapazitäten in fast jedem Sektor. Der Preisdruck ist in jedem Sektor gewaltig. Ein Weg, um diesem Druck zu begegnen, ist das größtmögliche Niveau: Kosten und Einnahmen über die gesamte Welt zu verteilen." Das nennen sie "economies of scale".

Globale Reichweite und weltweiter Absatzmarkt sind heute schnell zur kleinsten akzeptablen Basis geworden, auf der die größten Firmen Profit erwirtschaften (z.b. Autos, Petrochemie, Elektronik, Pharmazie). Der Konkurrenzkampf und die schmalen Gewinnspannen zwingen große Unternehmen dazu, Allianzen zu schmieden und Rivalen zu schlucken. Das Ergebnis dessen ist eine extrem starke Fusionswelle in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Diese beispiellose Welle von Übernahmen wurde durch geringe Zinssätze und Überbewertungen ermöglicht, die der Mittelschicht das Geld aus der Tasche zogen und es den Firmenbankkonten zuführte.

Die USA übernahmen die Führung in den 1990ern was Größen- und Machtzuwachs der Unternehmen betriff, auf Grundlage eines langen Inlandsaufschwungs nach 1991 und weil die mit dem Internet verbundenen Technologien nach 1995 ausgereift waren. 1999 erreichten die Fusionen mit 1730 Milliarden US-Dollar einen Rekordwert; nach von 1630 Milliarden US-Dollar im Jahr 1998. Eine gewaltige Konzentration fand im Energiesektor, bei Fluglinien, bei Investitionsbanken und Zeitungen statt. Weltweit kam es im Jahr 2000 zu Fusionen und Übernahmen im Wert von 3470 Billionen US-Dollar.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts beherrschen weniger, dafür aber größere Mega-Unternehmen einen größeren Anteil der weltweiten Produktion und des Handels als jemals zuvor. Fünf Firmen kontrollieren in jedem der folgenden Sektoren mehr als 50% des Weltmarkts: langlebige Konsumgüter, Stahl, Luftfahrt, Öl, PCs, Medien, Elektronikkomponenten, Fluglinien und Autoindustrie.

In den USA kontrollieren zwei bzw. drei Firmen 90% des Marktes für Computersoftware bzw. Hardware. Das gleiche gilt für die Zivilluftfahrt und die Flugzeugproduktion.

Das Größenwachstum der wenigen hundert führenden multinationalen Konzerne hat ihnen mehr Macht verliehen als je zuvor. Selbst reiche Nationen können ihrem Druck nicht widerstehen. Kanadas Politik beispielsweise, "Generika" (günstige Nachahmungen von Medikamenten) zuzulassen, musste unter dem Druck der Pharmagiganten zurückgenommen werden.

Die Tendenz zu Monopolen bei der Produktion und der heftige Konkurrenzkampf zwischen diesen ist ein inhärentes Merkmal des Kapitalismus. Monopole gab es schon im 19. Jahrhundert. Doch wie groß ihre Macht auch immer war, sie erstreckte sich nur über das eigene Land. Multis waren nicht die Regel und von denjenigen, die existierten, war keiner auf Märkte in Übersee angewiesen, um das Gros ihrer Produktion zu verkaufen, noch brauchten sie globale Ambitionen, um im Konkurrenzkampf zu überleben.

Heute stimmt das nicht länger. Für eine Reihe der größten Spieler, wie IBM oder ICI, hängt mehr als die Hälfte der Einnahmen von Verkäufen im Ausland ab. Nestle tätigt mehr als 98% seiner Verkäufe außerhalb der Schweiz.

Alle Firmen, die Konsumgüter oder Investitionsgüter herstellen, müssen global präsent sein. Selbst diejenigen, die in Marktnischen tätig sind, müssen feststellen, dass sie entweder globale Ambitionen entwickeln müssen, oder dass sie aus dem Spiel sind. Das ist der Grund, warum die Zahl transnationaler Unternehmen auf der Welt von 7.000 im Jahr 1970 auf 40.000 im Jahr 1995 hochgeschnellt ist.

Trotz dieses zahlenmäßigen Anstiegs liegt die wirkliche Macht bei den 300 größten Unternehmen, die ein Viertel der Produktionsanlagen in der Welt besitzen. Ihre Bosse treffen sich in Foren wie dem WEF (World Economic Forum) in Davos, um ihre nächsten Schritte zu planen. Für diese Unternehmenselite wird selbst die Welt schon zu klein und zu eng, um ihre "economies of scale" umzusetzen, mit denen sie ihren Rivalen in Schach halten und die riesigen jährlichen Profite erwirtschaften können, die von den Anteilseignern verlangt werden.

Erstens durch schrittweise Abschaffung von Kontrollen bei den Wechselkursen, die zu einer massiven Spekulation auf Währungsschwankungen einlud. Das führte mehr als irgend etwas sonst dazu, dass heute die meisten Investitionen nicht mehr langfristig, sondern kurzfristig sind. Im Ergebnis werden heute mehr als 1,5 Billionen Dollar täglich im weltweiten Finanzsystem gehandelt - eine extreme Summe verglichen mit dem Wert, der mit realen Gütern umgesetzt wird. Die flächendeckend destabilisierende Natur dieser Art erlaubten Glückspiels konnten wir in ihrer zerstörerischen Auswirkung während der Asien-Krise 1997 erleben.

Zweitens gedeiht das Finanzkapital auf Schulden. Über den Prozess der Rückversicherung - der Schaffung vieler Möglichkeiten und Wege, sich zu verschulden - machen Banken riesige Mengen an Geld, indem sie damit handeln. Natürlich machen sie noch weit mehr Geld, indem sie Geld an verschuldete Länder der Dritten Welt leihen, wobei sie sich sicher sein können, dass - so wie es auch bei der mexikanischen Peso-Krise 1994 war - eine unterwürfige Marionettenregierung Gewehr bei Fuß steht, um die Rechnung zu begleichen, selbst wenn etwas falsch läuft.

Das rasante Wachstum der Schulden in den letzten 15 Jahren ist für den Kapitalismus gefährlich. Der Boom in den USA in den 1990er Jahren wurde zum Großteil über die Verschuldung der Haushalte finanziert - durch individuelle Überziehungen, Hypotheken und Kreditkarten. Sie hat mittlerweile ein beispielloses und unhaltbares Niveau erreicht. Die Anhäufung von nicht rückzahlbaren Schulden der Dritten Welt ruft eine soziale Krise nach der anderen hervor.

Doch die Finanzoligarchie ist so mächtig, dass die weltweiten Institutionen keine sinnvollen Schritte zur Kontrolle oder Beherrschung der Finanzmärkte zu ergreifen vermögen. In den 1990ern kam immer wieder die zerstörerische Natur der Finanzexplosionen zum Vorschein. Alles zusammengenommen ließen diese Entwicklungen selbst einen globalisierungsskeptischen Autor der Financial Times, Martin Wolf, eingestehen, dass "die Integration der internationalen Wirtschaft alles in allem wahrscheinlich weiter fortgeschritten ist als jemals zuvor".

Der Haken ist natürlich, dass diese Entwicklung ungleich war und eine Handvoll Nationen und wenige hundert Multis bereichert, aber Hunderte Millionen Menschen von wirtschaftlicher Tätigkeit ausgeschlossen hat.

Veränderungen in Produktion und Marketing

Singer begann in den 1850er Jahren, in den USA Nähmaschinen herzustellen. Um 1880 produzierte und verkaufte er bereits im Ausland; das größte Werk war in Übersee und er hatte Hauptquartiere in New York, London und Hamburg.

Das war in den nächsten 100 Jahren das Musterbeispiel für Multinationale Unternehmen auf der ganzen Welt. Mit dem Hauptstützpunkt in den USA oder in Europa wurden sie vor Ort durch regionale Zentralen vertreten, von denen die meisten ein gewisses Ausmaß an Autonomie hatten, wenngleich die Grundlinien für das Produktdesign und die Strategie in der Konzernzentrale festgelegt wurden. Sie alle besaßen den Großteil der Werke und der Anlagen, die sie brauchten, um ihre Produkte fertig zu stellen. Japanische Multis kopierten dieses Modell in den 1960ern.

In den letzten 30 Jahren hat sich viel verändert.

Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sahen wir das Entstehen eines riesigen Marktes für Konsumgüter, ausgehend von grundlegenden Nahrungsmitteln. Als dieser Markt gesättigt war, erklomm der Kapitalismus die nächste Stufe: Küchengeräte, Autos, Staubsauger, Radios, TV usw.

Diese Waren waren in der Zwischenkriegszeit noch Luxusgüter und wurden nach dem Krieg Güter des Massenkonsums; andere Haushaltsgüter, z.b. Elektronikgeräte, Fertiggerichte und neue Autos folgten.

Am Ende der 1980er gingen auch diese Märkte in den Industrieländern schnell ihrer Sättigung entgegen. Was also tun, wenn man einer beinharten Konkurrenz ausgesetzt ist, der Druck auf die Gewinnspanne gewaltig ist und die Produktlinie einfach kopiert werden kann?

Es kam die 'Markenrevolution' der 1990er. Es gab für die großen Unternehmen keinen anderen Ausweg, um ihre Profitspannen zu erhöhen, als denjenigen, die KonsumentInnen dazu zu bringen, eine Prämie für den Markennamen zu zahlen. Viele Unternehmen merkten nun auch, dass sie die Produktion in Billiglohnländer der Dritten Welt verlagern können.

Nike ist ein typisches Unternehmen der 1990er, mit einem Markt, einem Management und einer Designabteilung im Mutterland, aber ohne eine einzige Näherin dort. Die ProduktionsarbeiterInnen sind irgendwo in der Dritten Welt. Diese Veränderung beruht natürlich auf einer technologischen Grundlage, da Entfernung und Zeit für Produktionsentscheidungen in den 1990ern immer kleinere Probleme darstellen.

Unternehmen wie Nike, die Vorreiter bei Ausgliederungen waren, haben einige handfeste Vorteile, etwa, dass auf eine veränderte Wirtschaftslage ungehindert reagieren können, da sie keine Werke haben, über die sie direkt verfügen.

Es gibt aber reale Grenzen für diesen Trend. Produktdesign und -entwicklung machen es in vielen Industriezweigen notwendig, eigene Werke und Ausrüstung zu besitzen (z.b.: Flugzeugbau, viele pharmazeutische Unternehmen).

 

 

 

Von der Antiglobalisierung zum Antikapitalismus

Eine Bewegung, viele Möglichkeiten

Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Die Bandbreite und Vielschichtigkeit der neuen Antiglobalisierungsbewegung ist bemerkenswert. Auf dem reformistischen rechten Flügel befinden sich Verbindungen zu NGOs, wie "Fifty years is enough" oder "Drop the Dept", welche die Schuldenlast und die strukturellen Anpassungsprogramme bekämpfen.

Heute gibt es international ungefähr 30.000 NGOs. Der Begriff Nichtregierungsorganisation stammt ursprünglich von den Vereinten Nationen. Die UNO selbst hat etwa 1.500 NGOs offiziell anerkannt. Auf der einen Seite befinden sich Gruppen wie Oxfam, Greenpeace, Mèdicins sans frontiéres, Save the Children, Amnesty international, Christian Aid und der World Wildlife Fund, bei denen es sich um große weltweite Organisationen mit einer großen Anzahl von Angestellten und einem umfangreichen Netzwerk von Ehrenamtlichen, handelt. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich kleine Antiglobalisierungsgruppen, die Webseiten pflegen und die Aktivitäten von Großunternehmen, internationalen Finanzorganisationen oder Regierungen überwachen und verfolgen. NGOs - früher nannte man diese Wohltätigkeits-, Freiwilligenvereine oder Kampagnen - sind fast so alt wie der Kapitalismus selbst.

Direkte Vorgänger der heutigen amerikanischen oder europäischen NGOs bekämpften Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts den SklavInnenhandel. In jüngerer Vergangenheit bildeten NGOs die Speerspitze für das Zustandekommen des Abkommens über das Verbot von Landminen von 1998, der Römischen Verträge für die Gründung des internationalen Strafgerichtshofs und sie stellen die Schlüsselfiguren bzgl. der Versorgung des Kosovo mit Hilfsgütern.

Der Begriff Nichtregierungsorganisation stellt im eigentlichen Sinne eine negative Definition dar - diese soll (theoretisch) alle Organisationen beinhalten, die nicht Teil des Staates sind. In der Praxis schließt diese Definition jedoch politische Parteien, Kirchen/religiöse Vereine und Unternehmen aus.

NGOs sehen sich selbst und ihre UnterstützerInnen als die eigentlichen VertreterInnen der "Zivilgesellschaft". Das Konzept der Zivilgesellschaft stammt aus der französischen und englischen Aufklärung. Dieses Konzept sollte den Bereich des sozialen Lebens beschreiben, der von den wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Individuen und der existierenden Klassen bestimmt wurde. Die Zivilgesellschaft wurde also vom Staat abgegrenzt, der, in dieser Vorstellung, die Interessen aller vertritt.

Für Alexis de Toqueville - ein wichtiger früher Ideologe des politischen Liberalismus - beruhte die Demokratie des frühen 19. Jahrhunderts in Amerika auf einem reichen und vielschichtigen Netz von freiwilligen und nicht-staatlichen Organisationen.

In der Periode des zweiten Kalten Krieges in den frühen 80er Jahren des letzen Jahrhunderts griffen Intellektuelle in Ost- und Westeuropa das Konzept der "Zivilgesellschaft", als Kritik und als ideologische Waffe gegen den kommunistischen Totalitarismus auf. Sie erklärten dieses Konzept zu einem zwangsläufigen Produkt der Marktwirtschaft und zur Voraussetzung für die Entwicklung der Demokratie.

Ab Gorbatschows Präsidentschaft in der UdSSR (1985-91) bis zum Restaurationsprozess der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Entwicklung der Zivilgesellschaft in all den Ländern, die sich bisher der Ausbreitung des US-Modells widersetzt hatten, als Grundlage für die Angleichung an den Westen und die Einführung der Marktwirtschaft angesehen.

Auch Oppositionelle in der Dritten Welt griffen diesen Begriff und sein Ziel im Kampf gegen diktatorische oder Einparteien-Regimes auf. Die Ideologie der Zivilgesellschaft ist in diesem Sinn eine bürgerlich-liberale Ideologie, erschaffen, um die Spaltung der Gesellschaft in Klassen und vor allem den Klassenkampf selbst zu verschleiern. Populisten und SozialdemokratInnen waren jedoch nur all zu willig, diese Form des Liberalismus aufzugreifen, um damit ihre größere Verbundenheit zur bürgerlichen Ordnung als zur Arbeiterklasse zu zeigen.

Gleichzeitig lobten die neoliberalen Regierungen in Nordamerika und Europa die Leistungen der Freiwilligenorganisationen und ermutigten sie dazu, staatliche Sozialleistungen zu ersetzen, untermauert durch das Argument, dass dies die einzige Möglichkeit sei, eine zivilisierte Gesellschaft zu entwickeln. Die Regierungen der G7 und die vielen großen öffentlichen und privaten Wohltätigkeitsstiftungen finanzieren die wichtigsten NGOs und können so einen beträchtlichen Druck auf sie ausüben.

Manche arbeiten praktisch als Vertragsnehmer westlicher Regierungen. Beispielsweise bezieht der US-amerikanische Wildlife Fund mehr als die Hälfte seines Budgets von USAID, um so die Arbeit der Regierung, die sie selbst tun müsste, zu übernehmen. Viele Regierungen wie auch die Weltbank und der IWF sind quasi "verpflichtet" NGOs anzuhören. Die Weltbank zum Beispiel beteiligt NGOs an etwa der Hälfte ihrer Projekte. Die Ausweitung der Befugnisse der NGOs lief praktisch parallel mit der Kürzung der direkten Hilfe der imperialistischen Staaten und mit dem Druck des IWF, öffentliche Ausgaben in den halb-kolonialen Ländern zu kürzen.

Die großen, gutfinanzierten, westlichen NGOs arbeiteten hart daran, die AktivistInnen, die gegen Armut und Verschuldung der Halbkolonien (der sog. Dritten Welt) kämpfen wollen, zu entpolitisieren. Bewußt oder unbewußt streben sie danach, nationale und internationale politische Organisationen und Klassenbewegungen durch eine amorphe "Zivilgesellschaft" zu ersetzen. Ebenso befürworten sie im Endeffekt die "Verwestlichung" der Empfängerländer und -gemeinden - genauer gesagt treten sie für die liberale Demokratie und den Kapitalismus westlichen Typs ein.

Die am weitesten entwickelten NGOs begannen, nationale Regierungen zu umgehen, insbesondere in Afrika, weil sie diese als korrupt und ineffizient ansahen. Obwohl dies tatsächlich nur all zu oft der Fall ist, fehlte ihnen doch die Einsicht, dass die Ursache dafür oft in der Überausbeutung, der Rolle der westlichen Unternehmen, den Geheimdiensten und so weiter zu suchen ist. Sie sind nicht in der Lage zu erkennen, dass zuerst die ArbeiterInnen, armen Bauern und StudentInnen den Herrschenden in den Halbkolonien die Macht entreißen müssen, um die Fragen der Entwicklung in Angriff nehmen zu können. Sie können nicht zu dieser Einsicht gelangen, da sie die Dinge nicht in ihren Klassenzusammenhängen sehen und nicht von ehrlicher und unmittelbarer politischer Anteilnahme ausgehen.

Dies hat zur Konsequenz, dass sie von Anfang an mit Unternehmen und pro-imperialistischen Regierungen Abmachungen treffen. Tatsächlich ähnelt die Art und Weise ihrer Arbeit mehr der alter "wohlwollender" KolonialverwalterInnen oder der von Almosen verteilenden multinationalen Konzernen (MNK). Viele NGOs begannen als unabhängige oder sogar in scharfer Opposition zu ihren Heimatstaaten stehende Organisationen, aber schließlich wurden sie zu ihren Handlangern. Heute verteilen sie die Sozialleistungen, die der Staat abgeschafft hat, erhalten Gelder von ihm und sind somit Vertragsnehmer für "Sozialarbeit".

In den USA arbeiten sie mit MNKs zusammen, um Verhaltenskodizes und Beschäftigungsstandards aufzustellen und beschäftigen inzwischen mehr ArbeitsinspektorInnen als die Regierung. Obwohl sie Missbräuche bloßstellen und veröffentlichen, schwächt die Einbeziehung der NGOs in die Funktionen des Staates ihre Opposition und die Entfaltung von Kampagnen gegen den Staat. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts breiteten sich die NGOs auf internationaler Ebene sehr stark aus. Die Einbeziehung vieler tausender idealistischer junger Leute, das aktivistische Selbstverständnis der NGOs und vor allem die Tatsache, dass alle imperialistischen westlichen Staaten und ihre MNKs zwangsläufig die Hoffnungen und Illusionen der NGOs enttäuschen würden, bedeutete, dass sich, früher oder später, eine Krise zwischen den NGOs und ihren imperialistischen Herren anbahnen würde.

Der Weltgipfel, der im Juli 1992 in Rio de Janeiro abgehalten wurde, war ein entscheidendes Ereignis für die Herausbildung der Tendenz, sich untereinander verbinden und Koalitionen bilden zu können. VertreterInnen von mehr als 1.000 NGOs, ungefähr ein Drittel von ihnen aus Ländern der sog. Dritten Welt, nahmen an diesem Gipfel teil. Noch mehr besuchten allerdings den NGO-Gipfel, das "Globale Forum", der zur gleichen Zeit mit ungefähr 9.000 Organisationen abgehalten wurde.

Diese Versammlungen beschlossen 39 "alternative Abkommen" zu offiziellen Vereinbarungen, die ein großes Spektrum angefangen von Umwelt-, Entwicklungs- bis hin zu sozialen und Menschenrechtsthemen beinhalteten. Somit bedeutete Rio den Beginn der NGOs als mächtige Teilhaber an internationalen Verhandlungen, der Verwendung der elektronischen Kommunikation als demokratisierendes Medium und es warb für den sogenannten " Aktivismus der Bürger und Bürgerinnen".

Nicht zuletzt wurden viele NGO-AktivistInnen und die Kommunikation im Internet durch die bloße Tatsache radikalisiert, dass die meisten Regierungen der industrialisierten Welt unter Führung der USA eine zynische Hetzkampagne gegen die Entscheidungen und Versprechungen, die in Rio unterzeichnet wurden, starteten. Diese Radikalisierung wurde insbesondere durch die Entwicklung des Internets in diesen Jahren ermöglicht.

Prominente AkademikerInnen, JournalistenInnen, und FührerInnen der NGOs spielten bis dahin eine entscheidende Rolle in der Antiglobalisierungsbewegung. In den USA gehören Lori Wallach (von Ralph Nader's "Global Trade Watch for Public Citizen"), Mark Weisbrot vom "Pre-amble Center" in Washington, und Charles Arden-Clarke vom World Wide Fund for Nature in Genua dazu. Hinter ihnen stehen Tausende von AktivistInnen und FürsprecherInnen, die für die NGOs - manchmal allein, manchmal zusammen mit anderen Organisationen - arbeiten. Diese sind es, die die vielen Verhandlungen überall auf der Welt, die oft im Geheimen stattfinden, unter Beschuss nehmen, welche nur das Ziel haben, Regeln für die globale Wirtschaft im Interesse der großen Unternehmen aufzustellen. Diesen AktivistInnen gelingt es oft, Unternehmen, RegierungsvertreterInnen und neoliberale Denkschulen auszumanövrieren, die bisher die alleinige Entscheidungsgewalt hatten.

Die selbsternannte Rolle dieser NGOs besteht darin, in diese Verhandlungen hineinzuplatzen, und sich als VertreterInnen der Zivilgesellschaft und einer demokratischen Alternative darzustellen. Das Problem ist, dass es sich bei ihnen selbst nicht wirklich um demokratische Organisationen handelt. Sie werden privat finanziert und sind, in letzter Konsequenz, ihren Geldgebern und nicht den Empfängern ihrer Hilfe und Kampagnen verpflichtet.

Ihr größter Erfolg bisher war das Nichtzustandekommen des Multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI). 600 NGOs, die eng zusammenarbeiteten, stoppten den Versuch der 29 reichsten Nationen, einschließlich der USA, ein Abkommen über Auslandsinvestitionen zu beschließen. Sie entlarvten, wie das MAI lokale und nationale Gesetze über die Umwelt, die Rechte der Frauen und Minderheiten außer Kraft setzen und die Wirtschaft vieler Länder in der sog. Dritten Welt zerrütten. Die NGOs gewannen und die Gespräche brachen in sich zusammen.

Nach Seattle suchten der IWF und die Weltbank den "Dialog" mit ihren Kritikern - was mehr oder weniger in dem Versuch endete, die bürgerlicheren und angeseheneren NGOs in ein gemeinsames Reformprogramm einzubeziehen, um so die Legitimität dieser zwischenstaatlichen Organisationen, in den Augen derer, die ihren Maßnahmen ausgesetzt sind, noch einmal zu retten.

Argentinien: vier Generalstreiks in einem Jahr

Argentinien erlebte im Verlauf eines Jahres des Widerstandes gegen das Diktat des IWF vier Generalstreiks. Eine Welle von Streiks traf die Regierung von Fernando de la Rua kurz nachdem sie im Dezember 1999 gewählt worden war.

Im März 2000 bot der IWF einen auf drei Jahre befristeten Kredit über 7,2 Milliarden US-Dollar unter der Bedingung an, dass die Regierung mit ihren harten Finanz- und Strukturreformen fortfährt. In dem Übereinkommen wurde insbesondere die Wichtigkeit der "vorgeschlagenen Arbeitsmarktreform und Deregulierung" und "der weiteren Reform des Sozialsystems" hervorgehoben. Kurz gesagt: Angriff auf Arbeiterrechte und noch mehr Sparpolitik.

Das Paket, das die Reformen bzgl. des Arbeitsrechts umfasste, wurde schließlich am 27. April 2000 von einem offensichtlich bestochenen Staat verabschiedet. Aber tausende Demonstranten und Demonstrantinnen versammelten sich, was zu Zusammenstößen mit der Polizei führte. Am 5. Mai 2000 wurde von den Gewerkschaften der erste Generalstreik ausgerufen.

Dieser wurde jedoch von militanten Demonstrationen, Straßenblockaden und Aufmärschen der Arbeitslosen begleitet. Vor allem in Tartagal und Mosconi brach bei ursprünglich friedlichen Blockaden Gewalt aus, nachdem Forderungen der Arbeitslosen nach Unterstützung durch die lokalen Behörden mit dem Argument, sie hätten kein Geld dafür, zurückgewiesen wurden.

Die DemonstrantInnen setzten öffentliche Gebäude in Brand, bevor sie von bewaffneter Polizei beruhigt worden waren, was zu dutzenden Verletzten und vielen Verhaftungen führte. Gemeinden auf dem Land besetzten in einer ähnlichen Situation Straßen und organisierten Proteste. Am 31. Mai 2000 fanden Proteste gegen den IWF-Sparplan statt, die wiederum darin gipfelten, dass 80.000 Menschen die Straßen bevölkerten. Der Auslöser dafür war ein Besuch von IWF- Ökonomen, die die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen durch die Regierung überprüfen sollten.

Die DemonstrantInnen warfen dem IWF vor, eine "Finanzdiktatur" durchsetzen zu wollen und drohten damit, die Zahlung der Steuern zu verweigern, die von 8% auf 22% gestiegen waren.

Am 9. Juni 2000 wurde der zweite 24-stündige Generalstreik von mehr als 7,2 Millionen Arbeitern und Arbeiterinnen befolgt. De la Rua behauptete, dass die Regierung einfach keine andere Wahl hätte als die Ziele des IWF zu verfolgen.

Die argentinische Regierung kürzte entsprechend die geplanten Staatsausgaben drastisch und zwar um 938 Millionen US-Dollar, einsschließlich 590 Millionen US-Dollar für Gehälter im Staatsdienst, um das außer Kontrolle geratene Haushaltsdefizit zu reduzieren. Am 29. August 2000 führten LehrerInnen und WissenschaftlerInnen einen eintägigen Streik durch, um gegen die zwölfprozentige Kürzung ihrer Gehälter zu protestieren.

Vom 23. - 24. November 2000 führten die argentinischen Gewerkschaften einen dritten - diesmal 36-Stunden - Generalstreik gegen das IWF-Paket durch. Die Demonstranten und Demonstrantinnen blockierten Straßen und Brücken in ganz Argentinien und bezogen dabei Arbeitslose und Gemeinden auf dem Land in sehr großem Ausmaß mit ein. In Buenos Aires und anderen Teilen des Landes wurden Straßensperren errichtet, um den Verkehr zu unterbrechen.

Im März 2001 folgte die nächste große Krise. Der Finanzminister Ricardo Lopez Murphy beschloss einen weiteren Sparplan, der vor allem den Bildungs- und den öffentlichen Sektor sowie die Regionalentwicklung betraf, mit Kürzungen des Staatsbudgets in Höhe von 2,2 Milliarden US-Dollar. Diesmal erfolgte der Ausbruch sofort. Am 20. März 2001 besetzten die Studenten und Studentinnen die Universitäten, die Arbeitslosen marschierten auf die Zentren der Städte zu oder errichteten Straßensperren, die Lehrer und Lehrerinnen streikten und am 21. riefen die Gewerkschaften den Generalstreik aus.

Die Krise konnte nur durch den Rücktritt von Lopez Murphy und die vollständige Rücknahme seines Plans entschärft werden.

 

ATTAC und Porto Allegre

Das französische Kürzel ATTAC steht für "Vereinigung für die Besteuerung von finanziellen Transaktionen und die Unterstützung von BürgerInnen". ATTAC wurde im Juni 1998 auf Initiative von Bernard Cassen, dem Direktor von Le monde diplomatique - einer monatlichen Beilage zur bekannten Pariser Abendzeitung - gegründet.

ATTAC besteht aus 70 Organisationen. Diese reichen von Volksbildungsvereinen, Arbeitslosenbewegungen und Bauern/Bäuerinnenbündnissen bis hin zu NGOs und Gewerkschaften. Aber in erster Linie basiert ATTAC auf der individuellen Mitgliedschaft von etwa 35.000 Personen.

ATTAC hat eine nationale Leitung und viele Ortssektionen, die weitestgehend autonom sind. Susan George ist eine der VizepräsidentInnen. Der Führer des Bauernbündnisses, JosŽ BovŽ, ist ebenfalls ein Vize-Vorsitzender und eine wichtige Figur in ATTAC.

Das selbsterklärte Ziel besteht darin, die Öffentlichkeit über die gefährliche Politik des Neoliberalismus zu unterrichten und "die von der Demokratie an die Finanzwelt verlorenen Räume zurück zu erobern". Die Ortsgruppen selbst treffen sich regelmäßig, um über verschiedene Aspekte der vorgebrachten Vorschläge informiert zu werden. ATTAC mobilisierte ihre Mitglieder auf Demonstrationen wie Millau und Nizza im Juni und Dezember 2000. Demonstrationen auf der Straße gehören aber keineswegs zu den Hauptzielen. In erster Linie ist ATTAC eine Denkfabrik - allerdings eine mit einer ausgedehnten Mitgliedschaft und örtlichen sowie nationalen Foren.

Eine internationale Ausgabe von ATTAC wurde bei einem Treffen im September 1998 in Paris gegründet, sie umfasst Organisationen in Brasilien, Mexiko, Südkorea, den Philippinen, Senegal, Belgien, Italien, der Schweiz, Finnland sowie einige internationale Netzwerke und Koordinierungsgruppen.

Im Mittelpunkt der Arbeit von ATTAC steht, wie der Name schon sagt, die Frage der Besteuerung von Kapital, die Wiederherstellung einer demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte. Das macht einen gewissen Unterschied zu den Vereinigungen aus, die in erster Linie die IWF-Strukturanpassungsprogramme, die Verschuldung der dritten Welt oder den Freihandelsplan der WTO bekämpfen. Weil es schwierig ist, Taktiken für solch ein verschwommenes Ziel zu entwickeln, hat ATTAC sein Aufgabengebiet erweitert und diese Bereiche teilweise aufgenommen.

ATTAC setzt sich selbst folgende Aufgaben: "Das Behindern der internationalen Spekulation; die Besteuerung von Kapitaleinkommen; das Bestrafen von Steuerparadiesen; die Verhinderung der Verallgemeinerung von Rentenfonds; Forderung nach Transparenz von Investitionen in abhängigen Ländern; die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für Bank- und Finanzoperationen, damit nicht noch weitere BürgerInnen und KonsumentInnen bestraft werden; das Erreichen der vollständigen Streichung der Schulden der abhängigen Länder; die Freisetzung von Ressourcen zum Nutzen der Bevölkerung und der nachhaltigen Entwicklung."

Die allgemeineren Ziele sind die Folgenden: "die Rückeroberung von Raum, der von der Demokratie an die internationale Finanzwelt verloren gegangen ist; sich der Verdrängung der nationalen Souveränität im Namen der "Rechte" der Investoren und Händlern zu widersetzen; einen demokratischen Raum auf weltweiter Ebene zu schaffen." Kurz gesagt, ATTAC ist eine radikale Bewegung zur Reform des Kapitalismus.

Die Hauptabsicht von ATTAC ist die Einführung einer "Tobin-Steuer". Benannt nach dem amerikanischen Nobelpreisträger und Ökonomen James Tobin. Von ihrem Erfinder wurde sie als Mittel betrachtet, nach dem Zusammenbruch der fixen Austauschraten im Jahr 1971 Stabilität in die Finanz- und Währungsmärkte zu bringen.

ATTAC schätzt, dass die Steuererhebung in einer Höhe von ungefähr 0,1% auf jede Währungstransaktion eine Summe irgendwo zwischen zehn und einigen 100 Milliarden US-Dollar aufbringen würde. ATTAC will, dass diese Erlöse in die Entwicklung der sog. Zweiten und Dritten Welten investiert werden. Aber sie geben zu, dass dies "nicht genug sein wird, um alle Bedürfnisse des Planeten zu befriedigen". ATTAC stellt ebenso fest, dass kein einziges Land diese Steuer erheben könnte, ohne gleichzeitig die Finanzgesellschaften dazu zu bewegen, ihre Operationen dorthin zu verlegen, wo es diese Steuer nicht gibt. Jedoch besteht das Problem in Wirklichkeit darin, dass sie im Kapitalismus nicht einmal gleichzeitig eingeführt werden könnte. Wer sollte das tun? Die Vereinten Nationen? Wer könnte dies erzwingen? Es gibt kein internationales Gesetz dafür aus dem einfachen Grund, dass es keinen weltweiten Staat gibt, der es durchsetzen würde. Zudem dulden alle Regierungen der G8 Steuerparadiese.

Tatsächlich konzentriert sich ATTAC darauf, die EU, die USA und Japan dazu zu bewegen, diese einzuführen. Das Ergebnis wäre eine G7-"Tobin-Steuerzone". ATTAC gesteht ein, dass nicht einmal die EU eine solche Maßnahme allein ergreifen könnte. Wegen des Risikos einer Massenflucht von Kapital, müssten die USA von Anfang an dabei sein.

Das würde nichts anderes bedeuten, als die neoliberalen Wölfe zu Schafhirten zu machen. Aber wer wird sie davon überzeugen? ATTAC sieht dafür keine andere Möglichkeit, als die SchaumschlägerInnen der "Zivilgesellschaft" - nämlich die Intellektuellen, die NGOs - dazu zu bringen, die Regierungen, Banken und Unternehmen dahingehend zu beeinflussen. Kürzlich hat sich ATTAC auf eine Kampagne gegen die ca. 40 bedeutendsten Steuerparadiese weltweit als ersten Schritt, um das eigentliche Ziel zu erreichen, konzentriert. ATTACs bisher größtes Projekt war die Mitbegründung des Weltsozialforums (WSF) in Porto Alegre, Brasilien.

Fast 5.000 Vertreter aus 117 Ländern kamen, darunter 165 prominente Gäste einschließlich Danielle Miterrand - Gattin des französischen Ex-Präsidenten. Eine Reihe akademischer Lesungen wurden vor großem Publikum in der katholischen Privatuniversität der Stadt abgehalten. PolitikerInnen lateinamerikanischer reformistischer Mitte-Links-Parteien - so z.B. Ignacio Luis da Silva (Lula) von der PT und Cuathemoc Cardenas von der mexikanischen PRD sprachen genau so wie SchriftstellerInnen, AkademikerInnen, WirtschaftswissenschafterInnen und Abgeordnete. Sogar "Reformisten an der Macht" sowie einige französische MinisterInnen, tauchten auf. Das war sicher die angesehenste, reformistischste, sogar die bürgerlichste Versammlung, die jemals im Zuge der Anti-Globalisierungsbewegung stattgefunden hat.

Ignacio Ramonet - ein führender Kopf in ATTAC - erklärte in einem Artikel in Le monde diplomatique vom Januar 2001, dass der Zweck des WSF "nicht wie in Seattle, Washington oder Prag der Protest war, sondern dass dieses Mal versucht werden sollte, in einem konstruktiven Geist, einen Rahmen für Theorie und Praxis vorzuschlagen, der es uns ermöglicht, für eine neue Globalisierung einzutreten und festzustellen, dass eine neue, weniger unmenschliche und mehr auf Solidarität aufbauende Welt möglich sei."

Die Diskussionen konzentrierte sich auf die Fragen, ob die Streichung der Schulden der sog. Dritten Welt teilweise oder vollständig an Bedingungen geknüpft oder bedingungslos erfolgen soll; der technischen Machbarkeit der Tobinsteuer; "gerechter oder ungerechter Handel"; der "ökologischen Schuld", welche die reichen Länder bezahlen sollen, um "die Ungleichheit zu verringern"; und der sogenannten demokratischen Volkserfahrung mit dem "partizipatorischen Budget", das die herrschende PT-Stadtregierung in Porto Alegre praktiziert.

Viele Delegierte waren mit den französischen Intellektuellen, die ständig ihre "konstruktiven Vorschläge" zur Reform der weltweiten wirtschaftlichen Institutionen in den Vordergrund rückten und mit dem Fehlen einer Auseinandersetzung über militante Aktionsformen, unzufrieden.

Während das "offizielle" Porto Alegre ein konzertierter Versuch war, zu beweisen, "dass ein anderer Reformismus möglich ist", erhielten die SprecherInnen, die den Sozialismus und die Notwendigkeit des revolutionären Kampfes verteidigten, donnernden Applaus. Ebenso JosŽ BovŽ, als bekannt wurde, dass er verhaftet und mit Abschiebung bedroht wurde, weil er während der Konferenz eine Demonstration anführte, die genetisch veränderte Feldfrüchte vernichtet hatte.

Der Kampf für den Aufbau einer militanten internationalen Massenbewegung gegen den globalen Kapitalismus und Imperialismus ist untrennbar verbunden mit einer scharfen Kritik an den NGOs und dem Sao Paulo Forum (der Organisation der lateinamerikanischen Parteien des dritten Weges), das Porto Alegre mitunterstützte. Ihr Ziel ist - wenn man es ungeschminkt betrachtet - ein "menschlicher" globaler Kapitalismus, nicht sein Sturz und seine Ersetzung. Sogar die Kräfte in Porto Alegre, welche die direkte Aktion gegen genetisch veränderte Feldfrüchte durchführten - die FührerInnen von Via Campesina und JosŽ BovŽ - haben ein reformistisches Programm, auch wenn sie an die Methode der gewaltfreien direkten Aktion gebunden sind. Im Mittelpunkt ihres Programms stehen Sprüche wie "Landwirtschaft ist kein Geschäft" und, dass "Nahrung nicht wie eine Ware behandelt werden sollte, sondern wie ein Menschenrecht". Wie das erreicht werden kann, ohne die Plantagen des Agrarkapitals und die Ländereien der Großgrundbesitzer zu enteignen, ohne die technologischen und wissenschaftlichen Ressourcen den großen Unternehmen zu entreissen, ohne Kooperativen in der bäuerlichen Landwirtschaft zu schaffen, erklären sie uns nicht. Das Positive von Porto Alegre bestand darin, dass es die Möglichkeit zur Versammlung von bestimmten Teilen der antikapitalistischen Bewegung, bot. Aber nur die Lager, die politisch "am Rande" einzuordnen sind, nahmen die militanten Kämpfe während der letzten fünf Jahre gegen die Sparprogramme des IWF in Lateinamerika auf.

Auf der anderen Seite der Stadt kampierten 2.000 Jugendliche und 700 Eingeborene in den Parkanlagen unter weit weniger luxuriösen Bedingungen als französische MinisterInnen wie Chevenement, genossen hatten. Aber man musste schon diese Lager aufsuchen, um irgend eine Art von Radikalität oder aufrichtigem Antikapitalismus zu finden.

Die militante Kritik an den reformistischen WortführerInnen stand in der Erklärung der Jugendgruppen (siehe Kasten).

Es liegt an diesen Jugendlichen, ArbeiterInnen und Armen, die am Geist von Seattle, Nizza, Prag, Göteborg und Genua festhalten, um die Geiselnahme der antikapitalistischen Bewegung und ihr Abgleiten in das reformistische Fahrwasser der "Antiglobalisierung" zu verhindern. ATTAC und PT haben angekündigt, dass sie 2002 eine noch größere Konferenz in Porto Alegre abhalten wollen. Sie haben die Zapatistas und Subcommandante Marcos eingeladen, daran teilzuhaben. Sie sprechen von Porto Alegre als zukünftiger "Rebellen-Internationale". Wenn diese Kräften weiterhin an ihrer Spitze sein werden, wird es weit davon entfernt bleiben.

Selbstverständlich bietet ein Ereignis in der Größe von Porto Alegre - abgehalten in einem "Land des Südens" - enorme Möglichkeiten für den Aufbau von Netzwerken, für die Zusammenkunft von KämpferInnen aus halb-kolonialen Ländern und denen aus den imperialistischen Zentren. Aber ein solches Ereignis wird letztendlich fruchtlos bleiben, bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine organisierte und kämpferische, revolutionäre Alternative zum "offiziellen" Porto Alegre aufgebaut wird.

Die Kräfte des kämpferischen Klassenkampfes - Gewerkschaften, Organisationen der bäuerlichen Armen, die OrganisatorInnen von Massenstreiks und Straßenblockaden - und nicht die von akademischen Seminaren - werden gebraucht, wenn es so etwas wie eine "Rebellen"-Internationale geben soll.

Resolution der anti-kapitalistischen Jugend in Porto Alegre:

Eine andere Welt ist nur durch die Zerstörung des Kapitalismus möglich!

Seit Seattle, Washington, London, Mailand, Melbourne, Seoul, Prag und Nizza haben zehntausende anti-kapitalistisch orientierte Jugendliche durch direkte Aktionen die großen Monopole und internationalen Institutionen wie den IWF, die Weltbank, die WTO und die Europäische Union angeprangert.

Diese Institutionen sind verantwortlich für die Ausbeutung von Millionen von ArbeiterInnen, für die Zerstörung der Umwelt, für die Verdammung von Millionen Menschen zu schlimmster Armut.

Jetzt, hier in Porto Alegre, beim Weltsozialforum verwandeln die NGOs, die GewerkschaftsbürokratInnen und die FührerInnen der institutionalisierten politischen Parteien den Inhalt des Kampfes der jungen AntikapitalistInnen in die reaktionäre Politik der "Vermenschlichung des Kapitals".

Den Kapitalismus menschlicher machen, gemeinsam mit den MinisterInnen der französischen Regierung, die Immigranten verfolgen, die eine Regierung bilden, die zusammen mit der NATO Tausende von Menschen durch die Bombardierung von Jugoslawien getötet hat und in Nizza AntikapitalistInnen unterdrückt hat? Den Kapitalismus menschlicher machen zusammen mit den Bankern und den multinationalen Konzernen? Den Kapitalismus menschlicher machen zusammen mit den Regierungen, die wie die PT (brasilianische Arbeiterpartei), weiterhin die Auslandsschulden bezahlen, welche die streikenden LehrerInnen von Rio Grande du Sul und die Besetzung eines Bundesgebäudes in Porto Alegre unterdrückt haben und die fortfahren, die StraßenhändlerInnen und Obdachlosen auf dem von ihnen besetzten Land zu unterdrücken? Regierungen die fortfahren, ihre Zahlungen an die multinationalen Konzerne zu leisten?

In Wirklichkeit sind diese "Stars", welche die Regierung und das Bürgermeisteramt innehaben und die sich selbst als "demokratisch und volksnah" bezeichnen, nur an den Wahlen 2002 interessiert und daran, einen Testballon für die neue kapitalistische Ordnung zu starten, eine Ordnung, die durch die Sozialdemokratie aufrechterhalten wird und die die Fortsetzung der kapitalistischen Ausbeutung ermöglicht.

Eine Ordnung, die sich anschickt, die Mittelklassen mit demokratischem Kasperletheater, wie dem partizipatorischen Budget, das darauf abzielt, Proteste durch die Vereinnahmung von Volksbewegungen zu unterbinden, zu befriedigen. Ihre Helfershelfer sind die zahlreichen "linken" Parteien, die, obwohl sie diese Politik kritisieren, davor zurückschrecken, sie ernsthaft in Frage zu stellen. Den Kapitalismus menschlicher machen zu wollen, ist utopisch und reaktionär. Deswegen sind wir, die anti-kapitalistische Jugend aus dem Jugendlager, ein Teil der antikapitalistischen Bewegung, und stehen solidarisch Seite an Seite mit den Jugendlichen, die das World Economic Forum in Davos anprangern.

Wir sagen: Das WSF ist ein Trick derjenigen, die versuchen, die anti-kapitalistische Bewegung hin zur Politik der Klassenkollaboration und bürgerlicher Wahlen zu drängen und die die Armut des Kapitalismus weiterhin dulden. Wir hingegen fahren mit unseren Bemühungen für den Aufbau eines internationalen antikapitalistischen Netzwerks fort und zwar unter den Losungen:

• Nieder mit World Economic Forum, IWF, Weltbank und WTO! Das WSF ist keine Alternative!
• Nieder mit dem Plan Colombia!
• Es lebe die palästinensische Intifada!
• Nichtanerkennung der in- und ausländischen Schulden!
• Nein zur Privatisierung!
• Der Kapitalismus tötet - töten wir den Kapitalismus!

 

unterzeichnet von:
Juventude e Luta Revolucionaria, Jornal Espaco Socialista, Comite Marxista Revolucionario, Anarco-Punks, Movimento Che Vive (RJ), Coletive pela Universidade Popular (Porto Alegre), Secretaria Estadual de Casas de Estudantes de Goias, Movimento Nacional de Meninos e Meninas de Rua, Federacao Anarquista Gaucha, Grupo Cultural Semente de Esperanca, Acao Global por Justica Local, Resistencia Popular RJ/PA, Nucleo Zumbi Zapatista - ABC Paulista, Estrategia Revolucionaria, Socialismo Libertario Brasilia, Federacao Anarquista Uruguaia, Acao Revolucionaria Marxista (RJ), Frente de Luta Popular, Juventude Avancarna Luta, Ligua Bolchevique Internacionalista, Espaco Cultural Quilombola-Aracatuba-SP und vielen anderen antikapitalistischen AktivistInnen.

 

Peoples Global Action

Der offen "anti-kapitalistische" Flügel der Bewegung setzt sich aus vielen verschiedenen Teilen zusammen. Auf dem radikalen Flügel der Bewegung finden sich anarcho-ökologische Gruppen wie Earth First (USA), Reclaim the Streets (GB), United Students Against Sweatshops (USA) und Corporate Watch.

Zum ersten Mal wurden diese Strömungen durch die Zapatistas (EZLN) in Mexiko zusammengeführt. Die EZLN wurde Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gegründet. Sie ging aus den Selbstverteidigungsmilizen der eingeborenen Bauern (Maya) in der Region Chiapas, die gegen die Söldnertruppen der GroßgrundbesitzerInnen gerichtet waren, hervor.

Von Anfang an war sie in erster Linie bäuerlich-populistisch und nicht stalinistisch/maoistisch orientiert. Wie viele Populisten lehnen sie die Bezeichnung "links" oder "marxistisch" ab und entwickelen ein revolutionär-demokratisches Programm für die Lösung der Landfrage und für die Zerschlagung der 60 Jahre andauernden Machtausübung der PRI über den mexikanischen Staat. Dementsprechend waren ihre militärischen Taktiken - ihrem Selbstverständnis nach - den armen ländlichen Gemeinden und einem weitergehenden politischen Massenkampf untergeordnet. Die Besetzung von fünf Städten in Chiapas im Januar 1994, ihre Aufforderungen zu Streiks und Landbesetzungen, ihre demokratische Verankerung in den Massenversammlungen der ländlichen Gemeinden brachte den Zapatistas viele Bewunderer in Nord- und Lateinamerika, die sich an der Dritten Welt orientieren, ein.

Sie griffen die Losung der EZLN "Ya Basta" (Es reicht!) auf. Der geschickte Umgang von 'Subcommandante' Marcos mit den Massenmedien und dem Internet, der Anspruch, nicht für die Eroberung der Staatsmacht, sondern für die Rechte der Menschen zu kämpfen, brachte den 'Economist' dazu, sie als die erste "postmoderne" Guerillabewegung zu bezeichnen. Tatsächlich liegt ein Funken Wahrheit in dieser Bezeichnung.

Der Zapatismus ist aufgrund seiner Weigerung, die Staatsgewalt der mexikanischen Bourgeoisie anzugreifen, weit davon entfernt, eine revolutionäre Bewegung zu sein. Das ist gleichzeitig die Ursache dafür, dass dieser von links-sozialdemokratische ReformistInnen in Euroapa, PopulistInnen in den USA sowie AnarchistInnen bewundert wird - sie alle haben verschiedene Gründe für die Ablehnung "des Kampfes um die Staatsmacht". Sie alle sehen das als großen Fortschritt gegenüber dem "Marxismus-Leninismus" an. Das ist es mit Sicherheit nicht! Die Haltung der EZLN gegenüber dem Staat ist passiv und zur Handlungsunfähigkeit verdammt. Sie begnügt sich damit, vom Aufbau einer Alternative zum Staat von unten her zu reden. Sie ist ein Ausdruck dafür, welch große Rückschritte sogar die radikalsten Massenbewegungen in der halb-kolonialen Welt politisch und ideologisch, als Folge des Triumphs des Imperialismus in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, gemacht haben.

Die Weltsituation, in der die Zapatistas auftauchten, erwies sich als günstig für die Ausweitung ihres Einflusses. Die mexikanische Währungskrise (Pesokrise) Ende 1994 - von manchen als "die erste Krise der Globalisierung" bezeichnet - traf die mexikanischen Bemühungen um die Aufnahme in die OECD und den Eintritt in die NAFTA sehr stark.

Die Entwertung des Pesos stürzte Millionen in die Armut, und die Arbeitslosigkeit stieg an. Sie hatte einen "Tequila-Effekt" auf andere lateinamerikanische Länder wie Argentinien und Brasilien und führte dort bei den Massen zu direktem Widerstand. Auch in den USA und Kanada wurde von verschiedenen Kräften, insbesondere aber von den Gewerkschaften, eine Kampagne gegen die NAFTA in Gang gesetzt. Obwohl sie protektionistisch orientiert war, schaffte sie Aufmerksamkeit für die schlechte Lage der verarmten Massen in Mexiko.

In einer Reihe von Erklärungen, herausgegeben ab Januar 1994, verbanden die Zapatistas ihren Kampf für Land, Sprache, kulturelle Rechte und Autonomie für die eingeborenen BewohnerInnen von Chiapas gegen die herrschende PRI mit einem weltweiten Aufruf, die zahlreichen Bewegungen, die Neoliberalismus und Globalisierung auf dem amerikanischen Kontinent und darüber hinaus bekämpfen, zu verbinden. Die Zapatistas schufen 32 autonome Gemeinden, und förderten - durch eine libertäre Rhetorik über Sexualität - den Kampf für die Frauenbefreiung.

Aber ihr bedeutendster ideologischer Einfluss auf die sich entwickelnde anti-kapitalistische Bewegung ist die Verherrlichung der Vielfalt, die bewusste Weigerung, ein gemeinsames Ziel zu vertreten oder dafür zu kämpfen. "Wir wollen eine Welt, in der es viele Welten gibt, eine Welt, in der unsere Welt und die Welt von anderen, sich zusammenfügen, eine Welt in der wir gehört werden, aber als eine unter vielen Stimmen." Dies ist als Rechtfertigung, um der Sache der Unterdrückten, Gehör zu verschaffen oder für die Förderung der demokratischen Auseinandersetzung selbstverständlich unentschuldbar. Als Aufschrei gegen den kapitalistischen Bonapartismus, das totalitäre Erbe des Stalinismus und die Lügen der bürgerlichen Medien, ist dies aber nur allzu verständlich.

Jedoch ist es für die Arbeiterklasse innerhalb einer Bewegung, die eine Verbindung aus ArbeiterInnen und Kleinbauern darstellt, unverzichtbar, ihre Forderungen klar und deutlich auszusprechen anstatt die Widersprüche durch ein "über den Klassen stehendes" Programm oder eine Ideologie, welche fälschlicherweise vom Interesse "der Menschen" spricht (d.h. Populismus), zu verschleiern.

Der Einfluss des Zapatismus wird durch den Spruch "eine Bewegung mit einem NEIN und sehr vielen JAs" auf den Punkt gebracht. Aber das "Ja" der EZLN - eine Strategie der Rückkehr zum Privateigentum in kleinem Ausmaß, Tauschhandel bzw. zu einem idealisierten Markt, in dem es keine Ausbeutung gibt - ist eine Sackgasse.

Die Zurückweisung des Kampfes um die Staatsmacht - mit der Arbeiterklasse an der Spitze der antikapitalistischen Bewegung - führt letzten Endes in die Niederlage. Die Feinde der Ausgebeuteten und Unterdrückten zögern keine Minute lang, die bewaffnete Staatsgewalt gegen diejenigen, die ihr Widerstand leisten, einzusetzen. Diejenigen, welche die Notwendigkeit, diesen Unterdrückungsapparat zu zerschlagen, zurückweisen, verdammen sich selbst dazu, entweder eine noch härtere Unterdrückung zu ertragen, oder sich mit wenigen Almosen und Reförmchen, welche die Grundlage der Ausbeutung nicht in Frage stellen, zufrieden zu geben.

Die EZLN weist verständlicherweise den Gedanken zurück, eine bürokratische Staatsmacht zu stürzen, nur um diese durch ein anderes autoritäres Monster zu ersetzen. Doch die Antwort darauf liegt darin, für einen Halbstaat zu kämpfen, der auf den Räten der ArbeiterInnen- und Kleinbauern basiert - und damit der Möglichkeit einer demokratischen Vertretung aller Parteien, die von den Massen unterstützt werden und die die Macht der Räte anerkennen. Auf diese Weise können wir das schreckliche Schicksal, das die UdSSR während der Diktatur des Stalinismus ereilte, verhindern.

Ein Schlüsselereignis, welches zur Ausweitung des Einflusses der EZLN führte, stellte die "erste internationale Begegnung gegen Neoliberalismus und für die Menschlichkeit" dar, die im April 1996 3.000 VertreterInnen aus 43 Ländern im Lacondon Waldgebiet in Chiapas im Süden von Mexiko versammelte.

Anwesend waren UmweltschützerInnen, MenschenrechtsaktivistInnen, Bauern, AktivistInnen für die Rechte der UreinwohnerInnen und eingeborenen Völker sowie GewerkschafterInnen - viele aus den USA und Kanada. Diese verbanden sich direkt mit der bereits in Mexiko sowie den USA und Kanada bestehenden Bewegung gegen die NAFTA.

Diese Bewegung hatte bereits ein weitreichendes und gut entwickeltes Netzwerk von radikalen UmweltschützerInnen (Dunkelgrünen), AktivistInnen für die Streichung der Schulden der Dritten Welt und den radikaleren NGOs gebildet.

Diese Kräfte wandten sich immer mehr davon ab, Regierungen zu beraten, oder sich auf die internationalen Institutionen im Umfeld der UNO zu verlassen. Die UNO - den Feindseligkeiten der USA ausgesetzt - wurde zunehmend finanziell ausgetrocknet und dadurch machtlos, genauso wie die Regierungen, die ihre Ohnmacht angesichts der globalen Marktkräfte eingestehen mussten. Das veranlasste NGOs und Grüne ebenso wie GewerkschafterInnen dazu, öffentliche Kampagnen und sogar direkte Aktionen zu veranlassen. In den beiden erstgenannten Bewegungen waren anarcho-libertäre Ideen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem Vormarsch. Auf dieser Basis wurde People's Global Action im Juli 1997 in Spanien gegründet.

Nach dem zweiten Treffen der Zapatistas, im August 1997, planten ungefähr 50 VertreterInnen von verschiedenen Bewegungen - einschließlich Gruppen Eingeborener aus Nigeria und Mexiko sowie Bauernorganisationen aus Indien, Brasilien, Bolivien und Indonesien einvernehmlich weltweite Proteste gegen die Welthandelsorganisation, dem offensichtlichsten Symbol und Instrument für die Globalisierung durch die Konzerne.

Um die Organisierung dieser Proteste zu erleichtern, schufen sie ein lebendiges Netzwerk, die Peoples Global Action against "Free" Trade and the WTO (gegen "Frei"handel und die WTO), kurz PGA. Der erste der weltweiten Aktionstage der PGA fand Ende Mai 1998, anlässlich der zweiten WTO-Ministerkonferenz in Genf, statt.

Gleichzeitig fanden Aktionen in 28 Ländern statt. 500.000 Menschen versammelten sich in Hyderabad in Indien, um die WTO anzuprangern. In Brasilien brachte ein Anti-WTO-Marsch ungefähr 50.000 Leute, einschließlich Mitglieder der brasilianischen Bewegung der Landlosen "Sem Terra", auf die Straße.

In Genf protestierten am ersten Tag des WTO-Treffens 10.000 AktivistInnen rund um den Tagungsort. Von hier ging die Angewohnheit der militanteren Jugend, Banken und McDonaldsfilialen anzugreifen, aus. Die Polizei attackierte daraufhin die Demo mit Knüppeln und Tränengas. Die Aktionen dauerten drei weitere Tage an.

Die "dritte Begegnung" der EZLN wurde 1999 in Belem in Brasilien mit 3.000 Delegierten abgehalten. Am 18. Juni 1999 veranstaltete die PGA einen "weltweiten Aktionstag gegen Finanzzentren", auch "Karneval gegen den Kapitalismus" genannt, parallel zum G8-Gipfel der wichtigsten Industrienationen in Köln.

Dieser fiel mit einem Aktionstag von Jubilee 2000, der sich für die Schuldenstreichung für die Dritte Welt einsetzte, zusammen. Wenn man die Aktionen von 1998 als groß und über die ganze Welt umspannend bezeichnet, dann war der 18. Juni 1999 riesig. Es gab in weit über 100 Städten in 41 Ländern Aktionen: von Australien bis Simbabwe, von Schweden bis Südkorea, von Chile bis in die Tschechische Republik.

Die beteiligten Gruppen waren sehr unterschiedlich: UmweltschützerInnen in Simbabwe, Polen, Israel und Portugal; Bauerngewerkschaften in Indonesien und im Senegal; Gewerkschaften (einschließlich der 1,5 Millionen Mitglieder starken nationalen TextilarbeiterInnenföderation von Bangladesch und der indische Fischergewerkschaft); Bewegungen von Eingeborenen und Volksgruppen wie die nationale Vereinigung der Volksbewegungen in Indien (NAPM) und Chikoko, das Netzwerk der Eingeborenen-Gruppen im Widerstand gegen die Ölindustrie in Nigeria, ebenso wie Arbeitslosenorganisationen in Frankreich und viele andere.

Die Ereignisse, welche die Schlagzeilen der Weltmedien eroberten, fanden am 18. Juni 1999 im Londoner Finanzzentrum statt - ein Massenprotest, der sich zu dem entwickelte, was die Medien den "anti-kapitalistischen Straßenkampf" nannten, ein Protest, der zum Auslöser für die Ereignisse in Seattle wurde.

Für die USA - wo sich die neue Bewegung etwas langsamer entwickelte - war der 18. Juni 1999 ein wichtiger Auslöser. In acht wichtigen Städten fanden Aktionen statt. Die Anzahl der DemonstrantInnen lag zwar eher bei Hunderten als bei Tausenden, aber der 18. Juni 1999 bedeutete wahrscheinlich trotzdem einen entscheidenden Wendepunkt - die Geburt einer neuen weltweiten Bewegung, die von nun an immer mehr den Namen "antikapitalistische Bewegung" trug - bestehend aus ArbeiterInnen und Jugendlichen, von denen viele stolz auf diese ehrenhafte Bezeichnung waren.

PGA verpflichtet sich selbst "zur klaren Ablehnung aller Institutionen, die von Spekulanten und multinationalen Konzernen mit dem Ziel aufgebaut wurden, den Menschen die Macht zu entreissen" und zu einer "herausfordernden Haltung", die auf einem "Aufruf zum gewaltfreien zivilen Ungehorsam und zum Aufbau von örtlichen Alternativen durch ortsansässige Menschen" basiert. Zusätzlich nahm sie eine "organisatorische Philosophie, die auf Dezentralisierung und Autonomie basiert", an.

Ist Gewalt auf Demonstrationen gerechtfertigt?

Die antikapitalistische Bewegung hatte im Juni auf den Straßen von Göteborg fast ihren ersten Märtyrer in Europa. Die Polizei eröffnete das Feuer auf eine Gruppe von DemonstrantInnen und verletzte drei Menschen. Wenige Wochen danach wurde in Genua Carlo Giuliani von der Polizei getötet. Hunde wurden auf Menschen gehetzt, um die Menge auseinander zu treiben. Was sollen wir angesichts dieser Gewalt von Seiten des Staates tun?

Ein Flügel der Bewegung sagt, "gewaltfreie direkte Aktion" sei die Lösung. Grundsätzlich ist das ein Aufruf zur ungesetzlichen Blockade und Behinderung, der Besetzung von Privateigentum. Seine Verteidiger behaupten, dass alles, was die Polizei gegen uns tut, letztlich wieder auf den Staat zurückfällt, da es die Sympathien der Bevölkerung auf unsere Seite treibt.

Ein anderer Flügel, der anarchistisch beeinflusste Schwarze Block sagt, dass die einzige Antwort darin liegt, bei jeder Demonstration Zusammenstöße mit der Polizei zu suchen.

Beide Methoden führen zu Selbstvernichtung. Zum Unglück des "gewaltfreie direkte Aktion"-Flügels sagten am Tag nach der Schießerei in Göteborg 90 % der EinwohnerInnen - stark beeinflusst vom schwedischen Reformismus, der alles hasst, was sich außerhalb eines "legitimen" Protests befindet -, dass sie die Polizei unterstützen und manche meinen sogar, sie hätten die DemonstrantInnen töten sollen. Was können wir daraus lernen? Die Menschen unterstützen oder dulden die Gewalt derer, mit denen sie auch politisch übereinstimmen.

Am 11. September 2000 wollte die bestimmende Kraft auf der Demonstration in Prag - INPEG - massenhaften zivilen Ungehorsam in der Art, wie er von Gandhi vertreten wurde, der von ihr angeschlossenen Gruppen durchgeführt werden sollte, durchsetzen.

INPEG hoffte, dass die meisten DemonstrantenInnen, die bereits Tage vorher anreisen, individuell in die Bildung der angeschlossenen Gruppen miteinbezogen würden und so rasch ihre "gewaltfreie direkte Aktion"-Taktiken und Ideologie erlernen und Gewaltlosigkeit annehmen würden. Dies stellte sich als Wunschtraum heraus.

Ihre kleinbürgerliche Herangehensweise stach von Anfang an ins Auge. Individualistisch, moralistisch, utopisch. Die meisten DemontrantenInnen - sogar jene, die sich selbst als AnarchistenInnen bezeichneten - kamen in Gruppen, egal ob es sich dabei um Initiativen handelte, die für Prag mobilisiert hatten oder um bereits bestehende politische oder gewerkschaftliche Organisationen.

Das Konzept der gewaltlosen direkten Aktion brach in dem Moment zusammen als klar wurde, dass es möglich oder sogar zwingend war, Polizeilinien zu durchbrechen und dass man sich den brutalen Attacken der Robocops nur durch Gewalt widersetzen kann.

Die Vorbeterei von INPEG über die Gewaltlosigkeit hielt nur die DemonstrantenInnen davon ab, sich entsprechend auf die unausweichliche Gewalt vorzubereiten. Alles, was die ganzen "führerlosen" Strukturen tatsächlich bedeuteten, war, dass die Aktionen schlecht oder gar nicht vorbereitet waren.

Die Strategie des Schwarzen Blocks auf der anderen Seite stellt sicher, dass wir von der Massen der ArbeiterInnen, die kein halb-legales Leben führen wollen, abgeschnitten werden. Der Schwarze Block verzichtet von vornherein auf das Recht auf legalen Protest. Er beachtet die meisten Demonstrationen nicht und hat für nicht völlig zerlumpte Massen oft nur Verachtung übrig.

Das entscheidende Ereignis in Seattle dagegen bestand darin, dass sich die organisierten ArbeiterInnen dem Protest anschlossen. GewerkschaftsaktivistInnen sind sich sehr wohl der Gefahren der Polizeigewalt bewusst, aber sie akzeptieren nicht, dass jede Demo in einem Straßenkampf endet.

Unser Ziel sind friedliche und legale Massendemos. Aber um diese zu ermöglichen, brauchen wir demokratisch kontrollierte Selbstverteidigungseinheiten, die sich gegen Polizeiattacken wehren und gleichzeitig einzelne Idioten davon abhalten können, der Polizei einen Vorwand zu liefern, auf die Demo loszugehen.

Sowohl die gewaltlose direkte Aktion als auch die Straßenschlachten des Schwarzen Blocks sind den Methoden der Einheitsfront, die von der revolutionären Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden, bei weitem unterlegen.

Im Mittelpunkt solcher Überlegungen für gemeinsame Aktionen steht die Notwendigkeit von organisierten Selbstverteidigungseinheiten, die fähig sind, eine Massendemonstration gegen Polizeiattacken zu verteidigen und unter den richtigen Bedingungen, einen Angriff auf die Hindernisse zu führen, die uns von der Staatsgewalt in den Weg gelegt werden.

Nur wenn die revolutionäre Linke das entschieden fordert und in die Praxis umsetzt, kann der störende und desorganisierende Einfluss des Anarchismus (und jener der Polizeiprovokateure) bekämpft werden. Diejenigen "RevolutionärInnen", die das ablehnen, weil es zu fortgeschritten (für das Bewusstsein der Massen) sei, werden die Bewegung nur den AnarchistInnen des Schwarzen Blocks oder den PazifistInnen ausliefern.

Diese Methoden des Kampfes und der Organisation spiegeln klar die Herangehensweise der populistischen, anarchistischen und radikal für Umweltschutz eintretenden BegründerInnen der Bewegung wider, genauso wie den Einfluss der von Gandhi vertretenen Taktik der gewaltlosen direkten Massenaktion.

Trotz all der radikalen Worte bleibt dies eine reformistische Strategie. In der Realität wird die klare Zurückweisung des "Kampfes um die Macht" gefordert, teilweise aus anarchistischen (Hände weg vom Staat: Macht korrumpiert diejenigen, die sie haben!), teilweise aus pazifistischen Vorurteilen heraus.

Trotzdem ist es kein in erster Linie auf Wahlen oder Sitze im Parlament ausgerichteter Reformismus. Anstatt die Staatsgewalt durch eine Revolution zu erobern oder den bürgerlichen Staat zu zerschlagen/abzuschaffen, wie es der revolutionäre Kommunismus aber auch der revolutionäre Anarchismus anstreben, versucht diese Strategie, die Welt, durch die Verteidigung oder den Aufbau von örtlichen Gemeinschaften, durch die Besetzung von Land und Gebäuden, von unten nach oben umzuwandeln, kurz gefasst: den Staat zu ersetzen.

Sie spricht nicht von Arbeiterkontrolle, sondern von "der Kontrolle und Macht der Menschen über sowohl die Erzeugung als auch den Verbrauch". Sie betont, dass "der kapitalistische Missbrauch der Natur beendet werden muss". Sie ruft zur "Wiederbelebung traditioneller Wissenssysteme und traditioneller Techniken, zur Stärkung traditioneller örtlicher Marktsysteme durch den Aufbau enger Verbindungen zwischen Konsumenten und Produzenten und die Gründung von Kooperativen (und der Aufbau ähnlicher Verbindungen auf internationaler Ebene)" auf. Sie erklärt, dass "es die einzig verbliebene Alternative für die Menschen ist, die direkte Demokratie wiederherzustellen", und dass "die Stärkung der Macht der Völker das Manifest dieser neuen weltweiten Verbindung der Volksbewegungen ist".

Diese Vermischung von "Dritteweltverherrlichung" in der ersten Welt, der Romantisierung der Gemeinschaften der UreinwohnerInnen und ihrer traditionellen Produktion und sozialen Systeme, von bäuerlichem und dem für die USA typischen Populismus mit dem Anarchismus (verbunden durch radikale und soziale Ökologie als Katalysator) erfordert ein hohes Ausmaß an ideologischer Verwirrung.

Zusammengefasst kann das als kleinbürgerlicher Populismus bezeichnet werden - feindlich gegenüber jeder Klassenanalyse, der Führungsrolle der Arbeiterklasse im Klassenkampf, gegenüber Parteien oder politischen Vereinigungen, die für diese Ziele kämpfen und völlig im Unklaren darüber, welche Gesellschaft den Kapitalismus ersetzen soll. Im Klartext, ihre Ideale sind unrealistisch: Antikapitalismus ohne Sozialismus und die Abschaffung des Kapitalismus ohne Revolution.

 

Reclaim the Streets

In Europa gibt es zwei Organisationen, die im Mittelpunkt der PGA stehen: Reclaim the Streets (GB) und Ya Basta (Italien). Reclaim the Streets (RTS) erreichte von Anfang an einen beachtlichen Einfluss innerhalb des radikalen Flügels der antikapitalistischen Bewegung und war einer der Mitbegründer der PGA. Der Grund dafür liegt in seiner Pionierleistung bzgl. der Taktik der direkten Aktion (u.a. Straßenpartys, Karneval, Fahrradmassendemos) und die Bereitschaft, Verbindungen mit Kräften in der Dritten Welt und kämpfenden ArbeiterInnen aufzubauen.

RTS hat seinen Ursprung im "harten" Kern der britischen "Earth first"-AktivistInnen, einer Gruppe die sich ihre Anregungen bei einer gleichnamigen Organisation in den USA holte. RTS war auch Hauptveranstalter der Ereignisse im Finanzzentrum von London am 18. Juni 1999.

Die Schlüsselfiguren von RTS sind allesamt "grüne AnarchistInnen". Ihre Taten bestehen darin, symbolisch Autos zu zertrümmern, Fahrradsymbole auf die Straßen von London zu malen, und die Autowerbungen zu sabotieren. Sie spielten eine wichtige Rolle in der Kampagne gegen den Bau der M11-Verbindungsstraße in England.

Hier nun fand eine wichtige Entwicklung statt. Diese Kampagne stellte soziale und politische Inhalte in den Vordergrund: die Verteidigung bestehender städtischer Gemeinschaften und der sozialen, nicht nur der "natürlichen" Umwelt. Zum Teil als Antwort auf diese neue Welle direkter Aktionen rund um die Straßenkampagne peitschten die Torys (britische Konservative) den "Criminal Justice and Public Order Act", ein repressives Gesetz, durch. Die Kampagne gegen dieses Gesetz nahm einen sehr breiten Charakter an und vereinigte eine Reihe von verstreuten AktivistInnen, MitarbeiterInnen der Kampagne, EsoterikerInnen, HausbesetzerInnen, VeranstalterInnen von (illegalen) Raves, JagdsaboteurInnen sowie auch die Linke und die Basis der Gewerkschaften.

Alle sahen gemeinsam ihr Recht auf Protest angegriffen und bildeten eine neue Massenbasis für Widerstand und Gegenkultur. Straßenpartys und Karneval verbanden Spott und Zurschaustellung von Staat und Unternehmen und versammelten ein Milieu, aus dem heraus große gewaltfreie und direkte Aktionen vorbereitet werden konnten. Es verband militante (tatsächlich illegale Aktivitäten) und zivilen massenhaften Ungehorsam mit etwas, das eigentlich ein Musik- und Tanzfest war. Kurz gesagt, es bedeutete viel Spaß für eine rebellische Jugend - und viele wurden dadurch politisiert.

Die letzten Jahre des Tory-Regimes (1996/97) waren durch den über ein Jahr andauernden Streik bzw. die Aussperrung der Liverpooler HafenarbeiterInnen charakterisiert. Dieser Teil der organisierten Arbeiterschaft übte einen Einfluss auf den RTS aus, vor allem durch ihre Methoden der beweglichen Streikposten und Besetzungen und die Nutzung der neuen Technologien, um ihren Kampf rund um die Welt zu verbreiten.

RTS-AktivistInnen beteiligten sich während der Zeit des Justizmordes an Ken Saro-Wiwa an Aktionen gegen Shell in Solidarität mit dem Volk der Ogoni aus dem Nigerdelta. Mit Ausnahme von Workers Power/REVOLUTION und den UnterstützerInnen von Workers Press beachtete die sozialistische extreme Linke diese Entwicklungen überhaupt nicht und überließ damit dem Anarchismus das Feld. RTS unterstützte die U-BahnarbeiterInnen und Workers Power/REVOLUTION beteiligte sich an Solidaritätsaktionen mit dem Kampf der kolumbianischen ÖlarbeiterInnen gegen BP. Der Höhepunkt der Zusammenarbeit von RTS mit der ArbeiterInnenbewegung war der zweite Marsch für soziale Gerechtigkeit im April 1997. Zur gleichen Zeit entbrannte in RTS zwischen verschiedenen anarchistischen Gruppen (der Anarchist Federation, Solidarity Federation und in einem geringeren Ausmaß in Class War) eine Auseinandersetzung über Taktik und Orientierung.

Während dieser Jahre (1997-99) wuchs auch die antikapitalistische Bewegung. Sie erlebte ebenfalls einen Differenzierungsprozess und die Entwicklung eines bedeutenden Flügels, der auf militante direkte Aktionen (im Gegensatz zu Mobilisierungen, wie sie NGOs oder Jubilee 2000 veranstalten, d.h. Mahnwachen, Orientierungsmärsche, Menschenketten usw.) orientierte. Das Programm, die Taktiken und organisatorischen Methoden waren sehr stark vom libertären Anarchismus beeinflusst. Er sah den globalen Kapitalismus und die großen Unternehmen als den Hauptfeind an. Seine Methoden des Kampfes fanden in der Massenmobilisierung junger Leute einen Schwerpunkt - was das Benutzen von Humor und Schauspiel durch AktivistInnengruppen, und darüber hinaus das Element der Überraschung, um die Polizei auszutricksen, mit einschloss.

Ihre Anregungen holten sie sich von den Pariser SituationistInnen der 1960er Jahre (u.a. Guy Debord) oder vom Libertarianismus der Amsterdamer "panic"-Bewegung der frühen 1970er Jahre (u.a. Hakim Bey). Andere AnarchistInnen fühlten sich stärker davon angezogen, Symbole der Macht der Konzerne, der Konsumgesellschaft und selbstverständlich des Staates zu zertrümmern. Diese hatten mehr mit dem "Straßenkampf"-Ansatz des US-amerikanischen schwarzen Blocks oder der deutschen "Autonomen" gemeinsam.

Es folgten Angriffe auf McDonaldsfilialen, die Börse usw. sowie die offene Verteidigung der "Gewalt gegen Eigentum". Während der "Karneval gegen den Kapitalismus" am 18. Juni 1999 im Londoner Finanzzentrum weltweite Schlagzeilen machte, war er für RTS ein Pyrrhussieg. Er markierte die Bruchstelle zwischen den pazifistischen Elementen und dem schwarzen Block.

Eine wilde Auseinandersetzung entbrannte rund um die Rolle der Gewalt. Das nahm den Streit über Taktiken in Seattle, London am 1.Mai 2000 und in Prag (wo die zwei Flügel getrennte Märsche bildeten) vorweg.

Der Eintritt der SWP (Linkswende in Österreich bzw. Linksruck in Deutschland) in die anti-kapitalistische Bewegung nach Seattle forderte ebenso eine Reaktion der stark "anti-autoritären" und "anti-marxistischen" Strömungen heraus, welche die Oberhand in RTS gewonnen hatten.

Einige der GründerInnen wechselten das Lager. Zusätzlich zwangen die Festnahmen und strengen Haftstrafen, die in den 6 Monaten nach dem 18. Juni 1999 über einige AktivistInnen (darunter auch Kuldip Bajwa von Workers Power/REVOLUTION) verhängt wurden, viele der führenden AktivistInnen in den Untergrund. Ebenso machten Anarcho-ÖkologInnen, die ihre Umweltschutzforderungen durch soziale Belange überschattet sahen, wieder ihren Einfluss gegen diejenigen, die sich der ArbeiterInnenbewegung annähern wollten, geltend.

Dieser Schwenk der innersten "Führungskreise" von RTS entspricht der Angst vor Massenbewegungen, für die sie verantwortlich gemacht werden könnten und der Angst, dass "marxistische" Organisationen, mit ihren zentralisierten Organisationsmethoden, sie sehr schnell ausspielen könnten. Aus diesem Grund fing RTS an, den Ausschluss von Workers Power/REVOLUTION und der SWP zu fordern.

Zeitweilig autonome Zonen?

PGA vertritt den Aufbau von "zeitweiligen autonomen Zonen" - Straßenpartys, "guerrilla gardens" (avantgardistische Form der Gartengestaltung) - mit deren Hilfe die Menschen die Möglichkeit erhalten, etwas zu tun oder ihr Geist angeregt werden kann.

Aber sie bleiben uns die Antwort schuldig, wie wir diese dauerhaft machen können. Die einzige Möglichkeit besteht darin, eine neue Macht gegen die Unterdrücker und Ausbeuter aufzubauen. Möglicherweise gelingt es uns, den Feind kurzfristig durch geschickte Beeinflussung anderer Kräfte vom Leib zu halten, aber wenn wir ihm Zeit und Raum geben, um sich neu zu ordnen und moralisch zu stärken, dann wird er unsere Deckung aufbrechen und zum Gegenangriff ansetzen.

Der Kampf der Zapatistas in Chiapas in Südmexiko oder die HausbesetzerInnenbewegung in Westeuropa und Nordamerika kann zu demokratischen Experimenten mit abweichenden Lebensformen und sozialen Bindungen führen. Aber sie können niemals als befreite Inseln im feindseligen Meer des Kapitalismus überleben - insbesondere, wenn sie ihre Ansprüche zurückschrauben und das Erreichte als endgültigen Zustand begreifen.

MarxistInnen weigern sich dagegen, ihre Ansprüche herunterzuschrauben. Wir sind davon überzeugt, dass die persönliche Freiheit ohne die Abschaffung der Klassen unmöglich ist. Die Klassengesellschaft spaltet und verzerrt die Persönlichkeit der Individuen. Sie zwingt uns, als Teil der einen oder anderen Klasse zu leben. Deshalb muss es unser Ziel sein, die ganze Menschheit durch den letztendlichen Sieg im Klassenkampf zu befreien. Um einen zu befreien, müssen wir alle befreien!

Der Anarchismus sieht im Klassenkampf höchstens eine Taktik und nicht die treibende Kraft der Geschichte. Das macht ihn für reformistische Lösungen anfällig. Er zielt nicht darauf ab, in Allianz mit den anderen unterdrückten Klassen einen Arbeiterstaat zu erkämpfen, weil er behauptet, das würde nur zu einer neuen Ausbeutergesellschaft führen. Deshalb ist er dazu gezwungen, sich auf das Erreichen von Autonomie innerhalb der bestehende Ordnung zu beschränken.

Wenn das bedeutet, mit der mexikanischen Regierung Abkommen zu schließen, die den multinationalen Konzernen und bürgerlichen Institutionen die Kontrolle über den Rest des Landes überlassen, so geht er diesen Handel ein. Wenn das bedeutet, in einem selbst verwalteten besetzten Sozialzentrum zu leben, während Berlusconi mitsamt seiner Bande von halben und nicht ganz so halben FaschistInnen in Italien an der Regierung ist, dann muss es so sein.

 

Ya Basta!

Die italienische Ya Basta Bewegung - neben RTS eine der Mitgründerinnen von PGA - hat ihren Ursprung in den "selbstverwalteten Sozialzentren" für junge Leute und sozial Ausgeschlossene. Ihre Mitglieder waren ebenfalls stark an der Hausbesetzerbewegung beteiligt und bauten einen Radiosender (Radio Sherwood) auf. Ya Basta wurde gegründet, nachdem italienische AktivistInnen 1996 am ersten Treffen der Zapatistas in Chiapas teilgenommen hatten. Sie setzt sich gleichzeitig zwei Ziele: die Zapatistas in ihrem Kampf zu unterstützen und die Verbreiterung des Kampfes gegen den Neoliberalismus in Europa. Sie beteiligten sich an der Demo 1998 in Amsterdam, "besetzten" einen Zug und wiederholten diese Taktik von Prag bis Nizza. 1998 gründeten sie die tute bianche (oder weißen Overalls, die ein Symbol für die Unsichtbarkeit der Menschen in den engen Grenzen eines "normalen" Lebens darstellen sollen). Sie verlangen ein "generelles Grundeinkommen und bessere Lebensbedingungen für alle".

Ya Basta und die tute bianche waren an den internationalen INPEG-Treffen, die in Prag abgehalten wurden, an der Demo vom 26. September 2000 in Prag, in Nizza, Davos, Neapel, Göteborg und Genua beteiligt. Sie entsandten eine Delegation nach Mexiko, um den Marsch der Zapatistas nach Mexiko City, Anfang 2001, zu begleiten. Ya Basta ermutigte andere in Spanien, den USA, Belgien, Finnland und Britannien Gruppen aufzubauen.

Das Neue in der Taktik von Ya Basta besteht darin, Demonstrationen mit Reihen oder Blöcken von Militanten in weißen Overalls und Schutzausrüstung (Plexiglasschilder, mit denen sie in römischen "Schildkröten"formationen marschieren, Schaumgummi und Reifenschläuche - "Rüstungen", bewegliche Hindernisse und Gasmasken) anzuführen, um Polizeiknüppel, Tränengas und Pfefferspray abzuwehren.

Diese Ausrüstung dient "nur der Verteidigung" und ihr Zweck besteht darin, aufzuzeigen, "wer mit der Gewalt beginnt" als auch das "Recht auf Selbstverteidigung" zu behaupten. Doch ihre Strategie der gewaltlosen Konfrontation mit der Polizei weist schwere Mängel auf.

Wenn die Absicht der DemonstrantInnen darin besteht, in eine Polizeisperrzone einzudringen, dann bedeutet die Anwesenheit einer Reihe von Ya Basta/tute bianche - wenn ihr gewaltloses Hin-und-Her-Geschiebe die Beseitigung der Sperre nicht erreicht -, dass sie sich, ob sie es wollen oder nicht, in ein Hindernis für die entschlosseneren DemonstrantInnen verwandeln. In der Realität werden sie zu einer zusätzlichen Polizeireihe, die diejenigen, die nicht ihre bornierte Gewaltlosigkeit teilen, davon abhält, die von ihnen gewählten Kampfformen umzusetzen.

Auf ihre Art sind sie deshalb genauso einseitig und gefährlich wie der schwarze Block und die Autonomen, die genauso einen Fetisch - nämlich gewalttätige offensive Methoden - haben, selbst wenn diese zur Provokation genutzt werden können. Tatsächlich ist der den größten Nutzen bringende wohlüberlegte Gebrauch von militanten und offensiven bzw. gewaltlosen und defensiven Taktiken und Methoden bei weitem überlegen. Aber dafür braucht man eine Führung und Befehlsstrukturen, selbst im Rahmen einer Einheitsfront. Deshalb sollte es Ya Basta nicht erlaubt werden, einer anti-kapitalistischen Demonstration ihre Taktik aufzuzwingen, und man muss klar machen, warum diese "neue Taktik" in eine Sackgasse führt. Ya Basta legte bei einem europäischen Treffen in Venedig Positionen - die wie sie behaupteten, denen des Kampfes der Zapatistas entsprechen - fest, deren Grundlage der "Kampf für ein 'soziales Europa', in dem Menschen und nicht Geld zählen" ist. Sie sagen, sie "versuchen der Isolation, der viele radikale Gruppen ausgesetzt sind, zu entkommen und sich mit der 'Zivilgesellschaft' zu verbinden".

Was man ihnen abgesehen davon zugute halten muss, ist, dass sie den Staatsrassismus und die Kriminalisierung von EinwandererInnen, einschließlich der AlbanerInnen, verurteilen. Sie waren maßgeblich an der Gründung von Razzismo Stop - eine Vereinigung für die Verteidigung der Rechte von EinwandererInnenn - beteiligt. Darüber hinaus beanspruchen sie für sich, die ADL (Vereinigung zur Verteidigung von ArbeiterInnen) aufgebaut zu haben, die auf Arbeitsplatzvereinigungen basiert und die mit einem der Cobas verbunden ist. Ya Basta arbeitet auch mit den Abgeordneten von Rifondazione communista zusammen.

Nichtsdestotrotz behaupten sie von sich, "die alten Ideologien abgelegt zu haben" und "die Ketten zum orthodoxen Marxismus" zerbrochen zu haben. Sie sagen, ideologisch seien sie "Zapatistas". Somit haben sie den Klassenbegriff und den Kampf um die Staatsgewalt aufgegeben. Sie berauschen sich eher an der Vielfalt der "Visionen", statt einem bestimmten Programm anzuhängen. Sie haben das "Konsensprinzip" angenommen, welches im Gegensatz zur demokratischen Mehrheitsentscheidung steht. Wie 'Subcommandante' Marcos sprechen sie von der Ermächtigung des Volkes und von der Untergrabung der Staatsgewalt.

 

Die internationale Arbeiterbewegung

Die Globalisierung radikalisiert nicht nur die Jugend, sondern auch GewerkschafterInnen, die begreifen, dass es angesichts weltweit agierender Kapitalisten ganz und gar nicht ausreicht, sich bei politischen Aktionen auf den eigenen Staat zu beschränken. Wichtige Teile der Gewerkschaftsbewegung sowohl in der Dritten als auch in der Ersten Welt - in der Regel BasisaktivistInnen und örtliche Gruppen - haben sich der Bewegung angeschlossen.

Aber sogar die offiziellen Führungen sind ab und zu bereit, auf die Straße zu gehen und stärkere Verbindungen mit ausländischen Gewerkschaften aufzubauen. Die US-amerikanischen United Electrical (ElektroarbeiterInnen), Radio and Machine Workers (KommunikationselektronikarbeiterInnen) verbanden sich mit der unabhängigen mexikanischen Gewerkschaft, der FAT, um ArbeiterInnen in beiden Ländern zu organisieren. Die "United Steel Workers" (StahlarbeiterInnen) bauten internationale Solidaritätsnetzwerke mit Gewerkschaften in Europa auf.

Seit der Wahl von John Sweeney zum Vorsitzenden im Jahr 1995 war sogar der AFL-CIO bereit, zumindest seinen Namen für Mobilisierungen von Prag bis Seattle herzugeben, um Druck auf die internationalen Finanzinstitutionen und die großen Konzerne auszuüben. Er unterstützte auch die Kampagne von Jubilee 2000 für die Schuldenstreichung für die am härtesten betroffenen Länder der Welt.

Natürlich basiert diese Unterstützung zu großen Teilen auf dem Protektionismus. Das ist auch der Grund für die enormen Anstrengungen, welche der AFL-CIO unternommen hat, um China aus der WTO zu halten, angeblich "wegen der Verletzung von Menschenrechten, Sweatshops und der Inhaftierung von GewerkschafterInnen". Um das durchzusetzen, waren sie bereit, sich mit rechten antikommunistischen RepublikanerInnen zusammen zu tun.

LKW-FahrerInnen waren an der Spitze der Anti-WTO-Mobilisierungen, Berühmtheit erlangte die "Teamster-Turtle"-Allianz (Vereinigung von TransportfahrerInnen und SchildkrötenschützerInnen) in Seattle. Eine Umweltschutzorganisation - Earth Island Institute - hatte 500 Meeresschildkrötenkostüme an DemonstrantInnen verteilt, weil die WTO festgestellt hatte, dass das US-Artenschutzgesetz eine Einschränkung für den Freihandel darstellt und deshalb aufgehoben werden muss.

Am ersten Tag der fünftägigen Demonstration schlossen sich Stahl- und HafenarbeiterInnen einer Demo von 2.000 jungen Leuten an. Auf einem Schild, das sie dabei hatten, war zu lesen: "Teamsters and Turtles. Together at last!" - TransportfahrerInnen und Schildkröten, endlich vereint!

Über Seattle wurde der Ausnahmezustand verhängt. Die Polizei griff friedliche DemonstrantInnen mit Tränengas, Pfefferspray, Salven von Gummigeschossen, Blendgranaten und gnadenlosen Knüppeleinsätzen an. Dennoch konnten die StraßenkämpferInnen die Stellung lange genug halten, um die WTO zu zwingen, den ersten Tag zu streichen.

Am nächsten Tag führten die FührerInnen des AFL-CIO eine 30-40.000 TeilnehmerInnen starke Demo vom Kongresszentrum weg, während die militanten DemonstrantInnen die Polizei angriffen. Bis sechs Stunden nachdem die Polizei begonnen hatte äußerste Gewalt gegen unbewaffnete DemonstrantInnen einzusetzen, wurden keine Fenster eingeschlagen. Schließlich brachen einige Kontingente von GewerkschafterInnen - vor allem Stahl-, Elektro- und HafenarbeiterInnen - vom "friedlichen" Marsch weg und schlossen sich den "RandaliererInnen" an. In Wirklichkeit war es natürlich die Polizei, die "randalierte".

Quebec im April 2001

Im April 2001 wurde in Quebec gezeigt, wie es funktionieren kann. Wahrscheinlich nahmen mehr als 80.000 Menschen an den drei Tagen militanter Akion und Demonstration teil. Ungefähr 11.000 nahmen an der direkten Aktion vom 20. April 2001 teil und 70.000 am großen Gewerkschaftsmarsch vom 21., der vom kanadischen Gewerkschaftskongress und einem Zusammenschluss von US-amerikanischen und lateinamerikanischen Gewerkschaften und darüberhinaus von bekannten Organisationen und NGOs auf die Beine gestellt wurde.

Mehrere hundert Meter eines Beton- und Stahl-Maschenzauns - "Schandmauer" genannt - wurden in drei Tagen mehrerer Angriffe niedergerissen. Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen verließen den offiziellen "friedlichen" Marsch, um sich an den Auseinandersetzungen rund um den Zaun, der zur Verteidigung der Konferenz aufgestellt worden war, zu beteiligen. Über 400 Leute wurden verhaftet. Augenzeugen berichteten, dass eine dichte Wolke aus Tränengas und Rauch über der Stadt hing.

Das stellte tatsächlich eine Steigerung von Seatle dar. Hier wurde eine Einheit der Kräfte von jungen anti-kapitalistischen DemonstrantenInnen und dem militantesten Teil der Arbeiterschaft in einem weit größeren Ausmaß als in Seatlle erreicht. Diese Ereignisse gaben der weltweiten Bewegung einen ungeheuren Auftrieb.

Carol Philips, die internationale Vorsitzende der CAW (Automobilarbeitergewerkschaft) sagte: "Bei den nächsten Demonstrationen werden unsere Mitglieder eine weitaus kämpferischere Antwort verlangen als den friedlichen Marsch weg vom Zaun. Wir werden uns die direkte Aktion, die nicht-gewalttätigen Methoden der Jugendbewegung anschauen und unseren Mitgliedern ein entsprechendes Training anbieten."

Quebec hat gezeigt, dass eine Zusammenarbeit von GewerkschafterInnen, der marxistischen "radikalen Linken", den AnarchistInnen des schwarzen Blocks und derjenigen, die auf gewaltfreie direkte Aktionen setzen, gegen den gemeinsamen Feind möglich ist.

Die Schlüsselaufgabe liegt darin, mehr organisierte Arbeiter und Arbeiterinnen miteinzubeziehen - ArbeiterInnen, die nicht wollen, dass die Liberalisierung des Handels dazu benutzt wird, um ihr Lohnniveau, ihre Rechte und ihre gewerkschaftlichen Organisationen zu zerschlagen. Die Antwort lautet internationale Solidarität und nicht protektionistische Abschottung oder Einwanderungsbeschränkungen in der ersten Welt.

Letztendlich fühlte sich der europäische Gewerkschaftsbund trotz der Tatsache, dass es in 12 europäischen Ländern sozialdemokratische Regierungen gibt, genötigt, 80.000 ArbeiterInnen nach Nizza zu mobilisieren, um Druck für soziale und Arbeitsrechte auszuüben. Aber sie veranstalteten die Demo einen Tag vor dem EU-Gipfel und karrten die meisten ArbeiterInnen rechtzeitig wieder aus Nizza raus, bevor am 7. Dezember 2000, dem Tag der Eröffnung, eine militante Demo mit 5.000 TeilnehmerInnen stattfand und erfolglos versuchte, den Gipfel lahm zu legen.

Warum fühlen sich die GewerkschaftsführerInnen genötigt, gewisse Maßnahmen zu ergreifen oder zumindest die zunehmende Macht der Konzerne und die Zerschlagung von Kontrollen zu verurteilen? Sicherlich wollen diese BürokratInnen ihre Mitglieder nicht in eine anti-kapitalistische Bewegung führen. Von Seattle bis Nizza versuchten sie ihr Äußerstes, um sie von der radikaleren Jugend zu trennen, die versucht hatte, die Konferenzen zu stürmen und, wenn möglich, ganz zu verhindern.

Der Grund liegt darin, dass die Globalisierung von ihren Mitgliedern als Gefahr für ihre Löhne und die Arbeitsplatzsicherheit gesehen wird. Die ganze erste Hälfte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hindurch erklärten die Konzerne sowie ihre Medien und Regierungen, egal ob neoliberal oder sozialdemokratisch, wie aus einem Mund, dass solche Konzepte wie "Vollbeschäftigung", "Arbeitsplatzsicherheit", staatliche Altersvorsorge und "kostenlose" Gesundheitsversorgung nun der Vergangenheit angehören.

Unsicherheit und "Risiko" wurden zum unausweichlichen Wesen des modernen, globalen Kapitalismus erklärt. Der Wettbewerb um Investitionen zwang Unternehmen und den Staat dazu, die bestmöglichen Bedingungen für den Profit zu schaffen. Jegliche Besteuerung des Profits als Grundlage für Sozialleistungen musste gnadenlos gekürzt werden. "Shareholder value", der Gewinn der Anteilseigner - das Maß aller Dinge - machte es unmöglich, den Nachkriegsvertrag zwischen Kapital und Arbeit fortzusetzen. Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das Schreckgespenst, ganze Fabriken oder Industrien nach Südostasien (oder Osteuropa) zu verlegen, dazu benutzt, die ArbeiterInnen unter Druck zu setzen.

Deshalb sind die heute weit verbreitete Angst vor und der Hass auf die Globalisierung das Ergebnis eines Jahrzehnts (oder längerer) harter Erfahrungen. Das trifft nicht nur in Nordamerika oder Westeuropa, sondern auch in den ehemals stalinistischen Ländern und den Halbkolonien, ja in allen Ländern, die den neoliberalen Anweisungen gefolgt sind und ihre staatlich beherrschten oder geschützten Volkswirtschaften geöffnet und ausverkauft haben, zu.

Kim Moody, Autor des Buches "Workers in a Lean World" kommentiert das so: "In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts reichte es aus, das Wort Globalisierung auszusprechen, um die Unterordnung vieler Gewerkschaften oder sogar ganzer Nationen unter die Bedürfnisse des Kapitals zu erreichen". In den Vereinigten Staaten sank die gewerkschaftliche Organisierung unter den ArbeiterInnen in der Privat-industrie von über 30% in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts auf 10,2% im Jahr 1996 - das entspricht der Höhe von 1930.

Aber im Laufe der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts fingen fortgeschrittenere Gewerkschaften an zu verstehen, dass diese Entwicklung aufgehalten werden muss oder sie würden allesamt von der Bildfläche verschwinden. Sie begannen, Kampagnen ins Leben zu rufen. Wegbereiter auf diesem Gebiet waren die SEIU, die Service Employees International Union und die Communication Workers of America (CAW).

Erstere fing an, mit verschiedenen Vereinigungen, Bündnisverträge über Kampag-nen abzuschließen. Aktionsgruppen, deren Aufgabe es war, Verbindungen zu örtlichen Gemeinden, StudentInnen, Kirchen, Umweltschutzgruppen usw. zu knüpfen, wurden gebildet. Schulungen für die Mitglieder wurden abgehalten und es wurden Debatten zu Fragen, die über rein gewerkschaftliche Belange hinaus gingen, geführt.

Ähnliche Entwicklungen spielten sich bei den TelekommunikationsarbeiterInnen ab. 1998 streikten ArbeiterInnen von Bell Atlantic in New York und den Neuengland-Staaten, gleichzeitig wurde bei Middle Atlantic, ebenfalls ein Teil von Bell Atlantic, und US West gestreikt, um Missstände abzustellen, die sich im Laufe von Fusionen, Neustrukturierungen, der Übernahme neuer Dienstleistungen und Kostenkürzungen eingestellt hatten.

Die Hauptgewerkschaft in diesem Bereich, CAW (400.000 Mitglieder), startete eine Reihe von Mobilisierungen und verstärkte ihre Öffentlichkeitsarbeit bereits ab Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Moody bezeichnet diese Entwicklung als "Sozialbewegungs-Gewerkschaftertum". Eine der Früchte dieser neuen Verbindungen war die Anti-Sweatshop-Kampagne (Sweatshops sind Betriebe, in denen unter extremen Bedingungen der Ausbeutung gearbeitet werden muss, z.B. im Textilbereich in Ländern wie Mexiko oder in Südostasien.), die StudentInnen, GewerkschafterInnen in den USA und in der Dritten Welt, NGOs und Kirchen vereinte.

1998 konnte der AFL-CIO ein gewisses Wachstum verzeichnen - etwas über 100.000; die Gesamtmitgliedschaft wurde damit von 16.1 Millionen auf 16.2 Millionen vergrößert. Allein in Kalifornien konnten 87.000 neue Mitglieder gewonnen werden. Obwohl der gewerkschaftliche Organisierungsgrad im Vergleich mit Europa sehr gering ist, gab es Mitte bis Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts einen spürbaren Aufschwung in der Anzahl der Arbeitskämpfe. 1998 wurden in den USA mehr Arbeitstage durch Streiks verloren (über 2 Millionen) als in irgend einem anderen Jahr seit 1989.

Ein anderer wichtiger Faktor sind die Wellen von EinwandererInnen aus Süd- und Mittelamerika, die das Heer der Lohnabhängigen in den USA vergrößern und sich zunehmend im militanten Flügel der Arbeiterbewegung wiederfinden. Mittlerweile gibt es 10 Millionen lateinamerikanische LohnarbeiterInnen in den USA, die hauptsächlich in den schlecht bezahlten Industrie- und Dienstleistungssektoren tätig sind. Obwohl sie weit von den traditionellen Hochburgen der Arbeit entfernt sind, sollte man daraus nicht schließen, dass sie nicht organisiert werden können, sondern nur, dass sie nicht durch die alten bürokratischen Methoden organisiert werden können.

Die lateinamerikanischen ArbeiterInnen haben Stärken, die viele andere ArbeiterInnen seit langem nicht mehr haben. Sie haben konzentrierte und mobilisierbare Unterstützung in ihren Gemeinden. Sie haben wegen ihrer Sympathien für ihre Heimatländer im Süden ("Antiimperialismus") und ihre eher losen (wenn überhaupt) Verbindungen zu den Demokraten oder Republikanern weit weniger pro-kapitalistische und pro-imperialistische Vorurteile als die meisten ihrer US-amerikanischen KollegInnen.

Im Juni 1996 wurde in den USA schließlich die ArbeiterInnenpartei gegründet. Aber bisher hat sie die Demokraten nicht durch die Aufstellung von "unabhängigen ArbeiterInnenkandidaten" herausgefordert. Höchstwahrscheinlich würde es dafür einen massiven Zustrom von neu politisierten Militanten in den Gewerkschaften und/oder einer schweren Krise in den Beziehungen des AFL-CIO zu den DemokratInnen brauchen.

Wie auch immer, Al Gore's "Niederlage", die herausfordernde gewerkschaftsfeindliche Haltung von Bush und die Bedrohung durch die kommende Wirtschaftskrise schaffen - sollte ihre Verbindung mit dem anti-kapitalistischen Selbstverständnis der neuen Bewegung gelingen - die besten Bedingungen seit Generationen, einen tiefen Bruch zwischen den nationalen Gewerkschaften und den Demokraten zu erreichen. Aber sowohl in den USA als auch in Kanada war die Wiederbelebung der Arbeitskämpfe zu einem nicht kleinen Teil die Folge der Veränderungen durch die Auswirkungen des NAFTA Freihandelsblocks.

In Ontario, dem industriellen Zentrum von Kanada, gab es eine Art von unausgesprochenem Generalstreik - eine Million im Streik und 300.000 auf den Straßen - ein Widerstand gegen die Auswirkungen des Beitritts zur NAFTA (Antigewerkschaftsgesetze, Kürzungen in der Gesundheitsversorgung und anderer öffentlicher Leistungen). Die kanadische PostarbeiterInnengewerkschaft ist eine seit langer Zeit links dominierte Gewerkschaft und hat sich sogar People's Global Action angeschlossen.

Die Bedrohung durch die Globalisierung und die angenommene Schwächung des Nationalstaats hat sogar manche nationale Gewerkschaftsföderationen dazu bewogen, die Notwendigkeit eines neuen Internationalismus in der Gewerkschaftsbewegung zu erklären. Die darin wahrscheinlich am weitesten fortgeschrittene Gewerkschaft ist COSATU.

Diese südafrikanische Gewerkschaftsföderation fordert jetzt mehr Bemühungen für die internationale Zusammenarbeit, sie regt den Aufbau von Weltkonzernausschüssen an, die Stärkung des bereits bestehenden internationalen Handelssekretariats der ICFTU, damit dieses Verhandlungen mit transnationalen Konzerne in Bereichen wie Motoren, Öl, Lebensmittel und Pharmazie führen kann. Sie verlangt auch drittelparitätische Verhandlungen auf Welt- oder regionaler Ebene, um Arbeitsstandards wie die europäische Sozialcharta zu verallgemeinern oder Druck auf repressive Regierungen auszuüben.

All diese Ideen sind reformistisch und basieren auf den althergebrachten Grundsätzen der Klassenzusammenarbeit, aber sie zeigen die Richtung der Entwicklung an, die von militanten GewerkschafterInnen auf klassenkämpferische Art und Weise aufgegriffen werden muss.

Vom AFL-CIO bis zum COSATU halten die Gewerkschaften Konferenzen über Globalisierung ab und überlegen sich, wie sie mit multinationalen Konzernen verhandeln bzw. Druck auf diese ausüben können, um sie davon abzuhalten, die Produktion in gewerkschaftsfreie Billiglohnländer zu verlegen. Die Gewerkschaften des AFL-CIO konzentrieren sich darauf, Verbindungen mit Gewerkschaften in Mexiko, Mittel- und Südamerika aufzubauen. Der Protektionismus verliert langsam an Anziehungskraft für sie. Die Ideen der internationalen Verbindungen und sogar gemeinsames Handeln wurden durch die elektronische Kommunikation, die es einzelnen ArbeiterInnen oder auch Betriebsgruppen ermöglichte, Verbindungen aufzunehmen, ohne gezwungen zu sein, die offiziellen Wege durch die internationalen Abteilungen ihrer eigenen Gewerkschaft zu gehen, vorangetrieben. Ohne den verwirrten halb-reformistischen Ideen des "Sozialbewegungs-Gewerkschaftertums" zu erliegen oder Illusionen in das Internet als Lösung aller Probleme zu schüren - Aktionen in den Fabriken, Büros, Ämtern, Schulen und auf der Straße werden weiterhin im Vordergrund stehen -, stellt diese Veränderung hin zur gemeinsamen Aktion gegen multinationale Arbeitgeber einen immensen Fortschritt dar.

Diese Entwicklung hin zur internationalen Organisierung schafft gute Bedingungen, um die nationalen Arbeiterbewegungen, die geschrumpft sind und schwere Niederlagen hinnehmen mussten, zu erneuern. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen, dieser Art von Solidarität zwischen ArbeiterInnen in Ländern, die so unterschiedlich sind wie Kolumbien, Deutschland, Russland und Indonesien, einen bewussten und kämpferischen Ausdruck zu geben.

Es kann ein gemeinsames Klasseninteresse zwischen ArbeiterInnen in imperialistischen Ländern, die versuchen, ihre Arbeitsplätze, die sie an Länder mit billiger Arbeitskraft verlieren könnten, zu retten und jenen ArbeiterInnen in Ländern mit Hungerlöhnen, brutaler Unterdrückung von GewerkschaftsaktivistInnen usw. geben. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Gewerkschaften in den imperialistischen Ländern vollständig ihre protektionistischen Losungen (Embargos, hohe Zölle usw.) fallen lassen und den ArbeiterInnen, die in den Halbkolonien und den vormals stalinistischen Ländern für Gewerkschaftsrechte und höhere Löhne kämpfen, bedingungslose finanzielle Hilfe zukommen lassen.

Nur auf dieser aktiv internationalistischen Grundlage können die Bindungen zwischen den ArbeiterInnen von unterschiedlichen Unternehmen des gleichen multinationalen Konzerns oder in ähnlichen Industrien gefestigt werden, wenn sie dazu aufgefordert werden, Streiks zu brechen oder Kämpfe gegenseitig zu behindern. Diese Verbindungen können und müssen auf der Grundlage einer Einheitsfront aufgebaut werden, nicht nur zwischen den offiziellen Gewerkschaften, sondern auch auf Betriebsebene, zwischen einfachen Basismitgliedern.

Aber um damit erfolgreich zu sein, muss diese Politik eine anti-kapitalistische Strategie zur Grundlage haben. Die Methode dafür sind aufeinander abgestimmte internationale Aktionen für Löhne und Arbeitsplätze, aber auch für Arbeiterkontrolle über die bzw. die Vergesellschaftung der multinationalen Konzerne. Das erfordert eine Ausweitung von koordinierten Taktiken, die auf die Produktionsketten und die Vermarktungssysteme der Multis abzielen.

Das erfordert die Entwicklung von Übergangsforderungen, die Forderungen nach Arbeiterkontrolle und -untersuchung sowie nach Planung durch die ArbeiterInnen, um diesen neuen Bedingungen gerecht zu werden. Um all dies zu erreichen, brauchen wir etwas Weitergehendes als Gewerkschaftertum und Basisaktivismus. Wir brauchen eine politische Kraft, die in den Gewerkschaften rund um ein revolutionäres Aktionsprogramm, das den Anforderungen der Globalisierung angepasst wurde, arbeitet und fähig ist, die Gewerkschaftsbürokratie in den Kämpfen, die bevorstehen, zu bekämpfen, zu verdrängen und letztlich zu beseitigen; kurz gefasst - eine revolutionäre internationale Partei.

Die unmittelbare Aufgabe muss sein, die anti-kapitalistische Bewegung für eine Orientierung auf die Arbeiterklasse zu gewinnen und anti-kapitalistische Ideen in die Gewerkschaften zu tragen und diese dementsprechend zu verändern.

Bolivianische ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen kämpfen gegen die Privatisierung

Bolivien befindet sich seit 1985 unter der direkten Kontrolle des IWF. Es wurde dem gesamten Programm des neoliberalen "Experiments" unterworfen, allerdings ohne Erfolg, was die Entwicklung des Landes angeht. Ganz im Gegenteil: weite Teile seiner Industrie wurden ausgelöscht. Im September 1998 erhielt es einen Kredit in Höhe von 138 Millionen US-Dollar. Die Voraussetzung dafür waren "Pläne für die vollständige Privatisierung aller verbleibenden öffentlichen Unternehmen" einschließlich der Wasserversorgung.

Im Februar 2000 genehmigte der IWF einen weiteren Kredit in Höhe von 46,1 Millionen US-Dollar in Verbindung mit einem Schuldenerlass über 1,3 Milliarden US-Dollar im Rahmen der erweiterten HIPEC-Initiative. Diese Maßnahmen sind an die strengen Auflagen gebunden, dass Bolivien "weitere Fortschritte in der Durchführung von Strukturreformen macht."

Im Dezember 1999 führte dieser "Fortschritt" in Cochabamba, der drittgrößten Stadt des Landes, zur Erhöhung der Wasserpreise um 200 %. In einer Stadt, in der das Mindesteinkommen unter 100 US-Dollar im Monat liegt, waren viele Familien von einer Erhöhung ihrer monatlichen Ausgaben um 20 US-Dollar und mehr betroffen.

Cochabambas öffentliches Wassersystem wurde an eine private Gesellschaft verkauft (Aguas del Tunari), deren Eingentümer International Water Limited ist. Es stellte sich heraus, dass der wichtigste Finanzgeber hinter dieser Wassergesellschaft die Bechtel Corporation aus San Francisco ist.

Im Januar führte ein Zusammenschluss von FabrikarbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, StudentInnen und UmweltschützerInnen, bald bekannt als La Coordinadora, massive Proteste dagegen. Nachdem die DemonstrantInnen die Stadt vier Tage lang besetzt hatten, versprach die Regierung, die Preiserhöhungen zurückzunehmen.

La Coordinadora veröffentlichte den Vertrag und die Geldgeber, die hinter dem neuen Eigentümer der Wassergesellschaft standen; sie entdeckten, dass die ausländischen Investoren der Regierung weniger als 20.000 US-Dollar für ein Wassersystem gezahlt hatten, das mehrere Millionen wert ist!

Aber im Februar erklärte die Regierung, dass sie die Versprechungen aufgrund der Bedingungen des IWF nicht einhalten könne. Mehr als 1.000 DemonstrantInnen gingen daraufhin auf die Straße und wurden von einer ähnlichen Anzahl von Bereitschaftspolizei und Soldaten konfrontiert, die sie mit Tränengas und Knüppeleinsätzen auseinandertrieben.

Über 175 Menschen wurden verletzt und zwei verloren ihr Augenlicht. Die Regierung versprach wieder, die Preise bis November einzufrieren und kündigte an, erneut Verhandlungen aufzunehmen.

Dennoch wurden die Wasserpreise nicht gesenkt. Im April gingen die DemonstrantInnen, aufgrund der leeren Versprechungen der Regierung in Wut versetzt, wieder auf die Straße. Aber diesmal wurden sie von mehr als Tausend Bauern und Bäuerinnen begleitet, die sich gegen die Privatisierung der ländlichen Wasserversorgung zur Wehr setzten.

Die DemonstrantInnen blockierten Straßen und es brach Gewalt aus, als die Polizei versuchte, die Massen auseinander zu treiben. Daraufhin wurde das Rathaus von Cochabamba gestürmt. Ein Generalstreik und Straßenblockaden legten Cochabamba - eine Stadt mit 500.000 EinwohnerInnen - lahm.

Der Präsident und ehemalige Diktator der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erklärte den Ausnahmezustand und schränkte die bürgerlichen Rechte ein. Die AnführerInnen der Proteste wurden verhaftet und die Gummigeschosse durch scharfe Munition ersetzt. Acht Menschen wurden getötet, darunter 5 Bauern/Bäuerinnen, 2 Soldaten und ein Polizeioffizier. Das bolivianische Fernsehen zeigte einen Armeehauptmann, der in eine unbewaffnete Menge schoss. Auch in der Hauptstadt La Paz gab es auch vereinzelte Proteste, bei denen 30 Menschen verletzt und 11 StudentenInnen verhaftet wurden. In Angst und Schrecken vor einem nationalen Aufstand versetzt, entzog die Regierung dem Konzern eilig wieder die Konzession.

Jubelnd verkündeten die FührerInnen von La Coordination tausenden DemonstrantInnen den Sieg. "Wir haben einen wichtigen wirtschaftlichen Sieg erreicht", sagte der Sprecher von La Coordination, Olivera, zur begeisterten Menge. Bolivien ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Privatisierung gestoppt werden kann. Die ArbeiterInnen können gemeinsam mit den Massen eine mächtige Kraft aufbauen, um die Übernahmen durch die multinationalen Konzerne zu verhindern.

 

 

 

Ist ein neuer Reformismus möglich?

AutorInnen der Antiglobalisierungs-Bewegung

Susan George

George ist seit den 1970ern eine prominente Kritikerin von IWF und Weltbank. Ihre Großtat war "die Verlagerung der Schulden von den Finanzseiten zur politischen Berichterstattung". Sie begann in den 1970ern, Probleme und Ursachen anzusprechen, die später von Tausenden AktivistInnen aufgegriffen wurden.

Sie hat etliche sehr zutreffende Feststellungen in ihrem Werk gemacht, die Allgemeingut der antikapitalistischen Bewegung geworden sind.

• Schulden sind "ein Mechanismus, durch den die Armen in den armen Ländern gezwungen werden können, die Reichen in den reichen Ländern zu finanzieren." Aber sie sind auch ein Mechanismus, durch den eine Handvoll Länder die ökonomische Struktur und Entwicklung der ungeheuren Mehrheit der anderen Länder kontrollieren kann, um diese zu zwingen, Handels- und Produktionsmodelle einzuführen, die den großen transnationalen Firmen dienen.

• Schulden bewirken, dass Ressourcen nicht zur Verringerung der Armut und für Gesundheits- und Erziehungsprogramme verwendet werden können, was zu zusätzlichen sieben Millionen toten Kindern jährlich führt.

• George sieht die Ursachen der Verschuldung in der Bereitschaft privater Banken, an Regierungen in der Dritten Welt Kredite zu geben, um Profite zu machen - entgegen den Entwicklungsbedürfnissen der Armen in diesen Ländern.

• Sie hat ein klares Verständnis von der Rolle, die die herrschende Klasse der Dritten Welt dabei spielt, und davon, dass diese unermesslichen Reichtum für sich abzweigt und die Bevölkerung damit ins Elend stürzt.

• Sie zeigt, wie die Politik von IWF und Weltbank direkt den groflen Banken in den USA geholfen hat. "Der IWF ist ein Trichter zur Kanalisierung öffentlichen Geldes in private Banken", schreibt sie.

• George zeigt, auf welchem Wege die Schulden der Dritten Welt auf den Westen in Form von Drogenkriegen, Mafia-Unterwelt, Gewalt und Flüchtlingsschmuggel zurückschlagen.

Sie ist auch gegen Teillösungen der Schuldenkrise, wie beispielsweise das HIPC-Schuldenentlastungsprogramm, das 1996 in Kraft trat, und sieht darin zu Recht ein Vorhaben, das eher den kommerziellen Banken hilft, uneinbringbare Kredite abzuschreiben, als dass es die Armut verringert.

Vor kurzem wandte sich George einer allgemeineren Kritik der Globalisierung zu. Im "Lugano Report" (1999) ist sie satirisch. George erzählt von einem fiktiven "Bericht", den eine Arbeitsgruppe mit verschiedensten Spezialisten erstellt hat, die von den Weltführern und den multinationalen Firmen ernannt worden sind. Ziel des Berichts ist es, die Probleme anzusprechen, denen der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts gegenübersteht.

Diese Spezialisten kommen zu dem Schluss, dass das Bevölkerungswachstum zu massiven Aufständen führen wird, weil der Kapitalismus weder fähig ist, es aufzuhalten, noch die Grundbedürfnisse all dieser Menschen zu befriedigen. Daher gelangen sie zur Einsicht, dass ein Programm zur massiven Reduzierung der Bevölkerung notwendig ist. Glücklicherweise sind gerade die dafür benötigten Methoden und Maßnahmen das Resultat der Globalisierung selbst, wie die steigenden Todesraten in den Ländern, die unter dem Joch der Strukturellen Anpassungsprogramme stehen. Susan George nennt dies "einen Krieg eines Systems gegen die Menschlichkeit".

Am Ende ihres Buches bietet sie ein alternatives Paket von Lösungen an. Dieses ist eine Zusammenfassung des Programms des radikalen Flügels der NGOs, der gleichzeitig der reformistische Flügel der antikapitalistischen Bewegung ist.

George ist keine Antikapitalistin und tut auch nicht so, als ob sie eine Gesellschaft unterstützen würde, in der marktfeindliche sozialistische oder kommunitaristische Methoden vorherrschen. Statt dessen will sie die globalen Finanzinstitutionen reformieren und wiederherstellen.

Darum muss sie in zwei Richtungen appellieren. Sie möchte, dass klassenübergreifende Aktivistenbündnisse von 'BürgerInnen' und NGOs Druck für einen Wandel ausüben:

"Die Antwort - die einzige Antwort - liegt in der Bürgerbewegung, auch bekannt als "social movement", oder NGOs, oder Zivilgesellschaft, die eine schwierige, aber nicht unmögliche Aufgabe hat. Diese Bewegung ist international und breit angelegt. Die verschiedenen nationalen Allianzen, die die Bürgerbewegung ausmachen, bestehen aus ArbeiterInnen und Gewerkschaften, Kleinbauern und -bäuerinnen und ihren Organisationen, KonsumentInnen, UmweltschützerInnen, Studierenden, Frauen, Arbeitslosen, eingeborenen Völkern, aus Gläubigen."

Aber zur selben Zeit wendet sie sich an das Eigeninteresse der Bankengemeinschaft. In den 1980ern hatte sie Illusionen in die Fähigkeit von Führern der Dritten Welt (wie Alan Garcia in Peru), den Kampf gegen die Banken durch die einseitige Streichung von Schulden oder ihre Nichtanerkennung zu führen. Aber das Scheitern Garcias und anderer nahm ihr den Mut, weiterhin auf die einseitige Nichtanerkennung von Schulden durch einzelne Regierungen zu setzen. Seither setzt sie sich für einen Deal zwischen Regierungen und Banken ein.

Sie skizziert ein dreigleisiges Herangehen - "die 3-D-Lösung: " debt, development and democracy", also Schulden, Entwicklung und Demokratie. Bezüglich der Schulden möchte sie eine "kreative Rückzahlung", durch die Zinsen und Tilgung über verlängerte Zeiträume und in örtlicher Währung an die Banken zurückgezahlt werden, sowie an einen Entwicklungsfonds, auf den die örtliche Bevölkerung Einfluss nehmen kann.

Aber George stellt sich keinen wirklichen Systemwechsel vor. Es gibt auch keinen Plan B für den Fall, dass die Milliardäre bei dieser Lösung für die Dritte Welt nicht mitspielen. Da sie den Weg der Reform als offen sieht, sieht sie den Protest als ausreichendes Mittel zur Erreichung dieses Zieles.

Sie meint, dass die Demokratie sich schon darum kümmern muss, wenn nur genug Leute protestieren. Aber wenn die Firmen und großen Banken so mächtig und skrupellos sind, wie George und andere Anti-Globalisierungs-PublizistInnen sie beschreiben, dann wird sich eine heterogene "Volksbewegung" als nicht machtvoll genug für diese Aufgabe herausstellen.

Auch wenn noch so viele mit dem Zeigefinger drohen, damit die Großunternehmen und der IWF zur Vernunft kommen, es wird sie nicht zur Änderung ihres Kurses veranlassen. Sie werden die Welt buchstäblich in den Abgrund reißen, einschließlich sich selbst.

Verschuldung ist von Ausbeutung und Unterdrückung nicht zu trennen. Folglich liegt die Lösung nicht in einer isolierten Strategie zur Lösung der Schuldenkrise allein, sondern muss ein Programm umfassen, das den Multis ihren Besitz an Produktionsanlagen entreißt und die willfährigen und korrupten Herrscher verjagt.

Entgegen ihrer utopischen Vision argumentieren wir, dass gerade die Grundlagen des Systems zerstört werden müssen, um die Struktur der Ausbeutung und Unterdrückung zu zerschlagen. Dazu müssen die ArbeiterInnen in Stadt und Land mobilisiert werden, auf deren systematischer Ausbeutung der globale Kapitalismus beruht.

Susan George wurde in den USA geboren und ist heute französische Staatsbürgerin, Co-Direktorin des Transnationalen Instituts in Amsterdam und Präsidentin des Observatoire de la Mondialisation(etwa Beobachtungsstelle für Globalisierung)in Paris. Sie ist auch Vizepräsidentin von ATTAC Frankreich. Zu ihren neun Büchern gehören: "How the Other Half Dies" (1976), "Ill Fares the Land" (1984), "The Debt Boomerang - Faith and Credit: The World Bank's Secular Empire" (1994), und zuletzt, "The Lugano Report: On Preserving Capitalism in the 21st Century" (1999).

 

David C. Korten

In seinem Buch "When Corporations Rule the World" (Wenn Unternehmen die Welt regieren) beschreibt Korten, wie die Prozesse der Firmenexpansion, Deregulierung und Privatisierung - von Reagan und Thatcher in den 1980ern eingeleitet - zu einem Übergang der Macht von den nationalen Regierungen der Welt zu globalen Finanzinstitutionen und Firmen geführt haben.

Das Ergebnis wird, wie er vorhersagt, eine sich zuspitzende soziale Krise sein, in der eine kleine Minderheit unvorstellbar reich wird, während Milliarden in Armut und Unsicherheit leben und die sozialen Unterstützungssysteme für kritische Lebenssituationen auf dem Planeten zusammenbrechen.

"When Corporations Rule the World" ist in sechs Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt, "Cowboys in a Spaceship" (Cowboys im Raumschiff), legt Beweise dafür vor, dass die gegenwärtige Richtung der Weltwirtschaft nicht "nachhaltig" ist. Dies liegt seiner Meinung nach an den festen Grenzen, welche die Umwelt dem Wachstum setzt.

Der zweite Abschnitt, "Contest for Sovereignity" (Herausforderung für die Souveränität), ist eine Chronik des Machtzuwachses der Wirtschaft auf Kosten der Demokratie in den USA. Der dritte Abschnitt, "Corporate Colonialism" (Unternehmer-Kolonialismus), stellt die Auswirkungen dieser Macht auf die Welt dar, mit all der Ausbeutung und Schwächung der Dritten Welt.

Der vierte Abschnitt, "A Rogue Financial System" (Ein Schurkenfinanzsystem), beschreibt die weltweite "Casino-Ökonomie" der Aktien- und Währungsspekulation. Im fünften Abschnitt, "No Place for People" (Kein Platz für Menschen), betrachtet Korten den menschlichen Preis der Unternehmermacht.

Der letzte Abschnitt, "Reclaiming Our Power" (Wir fordern unsere Macht zurück), präsentiert seine Alternative zum gegenwärtigen System. Laut Selbstdefinition konservativ, greift Korten die Zentralisierung ganz allgemein an, sowohl bei den Firmen als auch in den ehemaligen stalinistischen Staaten. Korten glaubt bis zur letzten Konsequenz an den Markt als Koordinator menschlicher Aktivitäten, an seine Moral und Gerechtigkeit - unter einer Voraussetzung: Dass die wirtschaftlichen Einheiten klein und die Märkte grundsätzlich lokal bleiben. Er schlägt vor, die Weltbank, den IWF und die WTO abzuschaffen und sie durch Körperschaften der Vereinten Nationen wie die UNCTAD zu ersetzen.

Korten beschreibt sich selber bewusst als Populisten, was er folgendermaßen definiert: "Ich glaube, dass es wichtig ist, sich darüber klar zu sein, was es bedeutet, ein Populist zu sein. Wirklicher Populismus lehnt - wie uns Ronnie Dugger erinnert - sowohl starke Regierungen wie das große Geld (big business) ab. Er ist weder links noch rechts. Er ist progressiv und konservativ zugleich. Mit anderen Worten, unsere natürliche Anhängerschaft ist der Mainstream der amerikanischen Wähler, die an örtliche Kontrolle und Marktwirtschaft glaubt und argwöhnisch gegenüber dem big business und starker Regierungsgewalt ist."

Kortens Modell der wirtschaftlichen Grundlage der Gesellschaft ist nichts weniger als eine idealisierte Version von Adam Smith (dem ersten großen Publizisten des Wirtschaftsliberalismus)! Er meint, die Wahl bestehe zwischen "der wirklichen Marktwirtschaft, bestehend aus kleinen lokalen Geschäften, wie von Adam Smith vorgestellt, und einer zentral geplanten Wirtschaft, die von weit entfernten, niemandem Rechenschaft schuldigen Mega-Firmen kontrolliert wird."

Er fährt fort: "Teil unserer Aufgabe ist die Wiedererrichtung lokaler Wirtschaftsräume und die Entkoppelung vom zusammenhängenden System aus globaler Finanzherrschaft und aus der Kontrolle durch Konzerne."

Die Methoden, dies zu erreichen, sieht Korten in "örtlichem Bankwesen, örtlichen Währungen, in kommunalen Initiativen für organische Landwirtschaft, ganzheitlichen Gesundheitspraxen, in Kooperativen und Firmen in Arbeitereigentum, bei lokal einkaufenden Geschäftsleuten, in kommunaler Forstwirtschaft, einfachem Leben, in örtlicher Wiederverwertung von Abfall, in der Verwendung erneuerbarer Energieträger und der Förderung der Fortbewegung per Fahrrad und zu Fuß."

Das Buch "The Post-Corporate World: Life After Capitalism" (Die Welt nach den Konzernen: ein Leben nach dem Kapitalismus) ist eine Fortsetzung von "When Corporations Rule the World" und beschreibt diese Vision bis in jedes - und tatsächlich utopisches - Detail. Kortens Populismus bedeutet, dass er keine Zeit für eine Politik findet, die sich auf den Klassenkampf stützt. Die Gewerkschaften, deren Kämpfe er sicherlich unterstützt, haben schlichtweg Teil eines breiten Volksbündnisses zu sein. Für ihn findet der Kampf zwischen "den Firmengiganten " und "dem Volk" oder "der Zivilgesellschaft" statt. Marxismus ist für ihn eine veraltete Erscheinung des 19. und 20. Jahrhunderts.

"Durch die Brille linker Analysen des zwanzigsten Jahrhunderts ist die globale Demokratiebewegung ein klassischer Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und den Kapitalistenklassen, der durch einen auf Klassenbewusstsein gegründeten politischen Kampf entschieden wird. Aber die globale Demokratiebewegung ist eher durch gemeinsame Werte und Weltanschauung definiert als durch Klasse."

Wer sind für Korten die Schlüsselfiguren in diesem Konflikt?

"Eine ist die Kraft der Unternehmerglobalisierung, vorangetrieben von einem Bündnis zwischen den weltgrößten Firmen und den mächtigsten Regierungen ... Die zweite Kraft ist die globale Demokratiebewegung, vorangetrieben von einem weltweiten Bündnis der BürgerInnen - bekannt als globale Zivilgesellschaft."

Korten ignoriert völlig die Arbeit von Marx, der die Gesetze des Kapitalismus dargestellt hat, die die Entstehung von Monopolen unumgänglich machen. Alle Versuche, diese Entwicklung bei den großen Produktionsmitteln auf Grundlage von Markt und Privateigentum aufzuhalten oder rückgängig zu machen, haben sich als totaler Fehlschlag erwiesen. Und zwar einschließlich jener Versuche, die die frühen US-PopulistInnen in den 1890ern und 1900ern gefordert haben - Zerbrechen der Kartelle und billige Kredite.

Die Gründe, weshalb "ein Kapitalist viele verschlingt", wurden von Marx in "Das Kapital" erklärt. Sie liegen nicht in Fehlern des Marktes oder im Kreditsystem oder in unfairem Wettbewerb - obwohl es den bankrotten kleinen Geschäftsmännern und -frauen so erscheint.

Der riesige Maßstab und die internationale Reichweite der Industrien, der Handelsunternehmungen und des Bankwesens sind insoweit progressiv, als sie ein Schritt zu einer geplanten Weltwirtschaft sind.

Alle negativen Eigenschaften der kapitalistischen Monopole - von Korten ausführlich beschrieben - sind unabhängig von der reinen Größe oder der globalen Ausbreitung, sondern hängen mit dem Privateigentum zusammen.

Aber Korten will das Privateigentum retten. Er will einen Tiger ohne Zähne und Klauen erschaffen. Sein Konzept ist eine rückwärts gerichtete Utopie. Sein Programm ist im wahrsten Sinne des Wortes kleinbürgerlich.

Korten mag die Kraft der marxistischen Klassenanalyse nicht erkennen, aber diese kann ihn erkennen. Ebenso ist seine "Zivilgesellschaft" durch Klassen gebildet, genau genommen alle Klassen - minus die 474 Milliardäre der Welt. Ein solches Bündnis, das kleine und nicht so kleine Ausbeuter in seine Reihen einschließt, wird sich gegenüber den Mega-Firmen als völlig unfähig herausstellen. Die Finanziers und die Spitzenmanager schweben nicht in der Luft. Sie führen alle anderen kleineren Ausbeuter an und einen großen Teil der privilegierten Mittelklassen dazu.

Die einzige solide Führung eines alternativen Bündnisses der Armen und Ausgebeuteten in Stadt und Land, in allen "drei Welten", das sind die Lohnabhängigen - die Arbeiterklasse.

Sie kann dieses Ziel erreichen. Und sie tut es auch. Die Arbeiterbewegung steht Individuen aus allen Klassen offen, den Massenorganisationen der ländlichen und städtischen Armen, den Kleinbauern- und bäuerinnen. Dieses Bündnis umfasst alle nicht-ausbeutenden Klassen. Aber um effektiv zu sein, muss es die gesamte Bourgeoisie ausschließen.

Wenn es das nicht tut, wenn es ihr die Erhaltung des Privateigentums garantiert (und ohne diese Konzession wäre die Bourgeoisie ohnedies nicht dabei), dann sind die "unteren Klassen" dazu verdammt, betrogen, demoralisiert und geschlagen zu werden.

Das ist die Lehre der Volksfronten - aufgebaut von Stalinismus und linker Sozialdemokratie von 1930 in Spanien bis 1970 in Chile.

Aber es führt auch ständig zu der üblichen Klassenkollaboration, bei der ArbeiterInnen und Kleinbauern/-bäuerinnen ihre Stimme in der Wahlzelle abgeben und bürgerliche Politikerinnen für die großen Firmen regieren.

Das ist der Grund, warum der Populismus in den USA in letzter Konsequenz die Stimmen für die Demokratische Partei beschafft hat.

Kortens populistisches Programm - würde es die anti-kapitalistische Bewegung in den USA dominieren - würde diese Geschichte einfach wiederholen. Was nötig ist, sind eine Klassenanalyse und Klassenunabhängigkeit.

David C. Korten ist Gründer und Präsident von The People-Centered Development Forum (PCDForum) mit Sitz in New York. Das PCD-Forum ist eine Forschungs-, Erziehungs- und Kampagnen-NGO, die eng mit der asiatischen NGO-Koalition zusammenarbeitet. Viele Jahre lang war er akademischer Spezialist für alternative Entwicklungstheorien - er lehrte in Harvard, arbeitete hauptamtlich in der Ford Foundation und war Berater der United States Agency for International Development. Er verbrachte auch 14 Jahre in Südostasien. Dieser Hintergrund befähigt ihn, einer der prominentesten Antiglobalisierungsschreiber der 1990er zu werden - einer, der den Standpunkt der radikaleren NGOs ausdrückt. Sein Buch "When Corporations Rule the World"(1995) war eines der zukunftsträchtigsten Werke der neuen Bewegung. Es erreichte, erst in den Vereinigten Staaten und dann international, ein riesiges Publikum und wurde in 13 Sprachen übersetzt. (Alle Zitate aus "Populists Distrust Corporations" und "Progressive Populist", beide Januar 1996)

 

George Monbiot

Die Private Finanz-Initiative (PFI) war von den britischen Konservativen zu Beginn der 1990er Jahre entwickelt worden. Damit sollten grosse Strassenbauprojekte, Krankenhäuser und Schulgebäude finanziert werden, ohne die Staatsfinanzen zu überlasten oder die Steuererleichterungen für die Reichen und die Mittelschichten zu gefährden. Zugleich lieferte die PFI ganze Bereiche des öffentlichen Dienstes an Unternehmer zum Profitmachen aus.

Der Guaridian-Journalist Monbiot zeigt in seinem Buch "Der Staat als Gefangener" (The captive state) an einer Vielzahl von Beispielen, wie das abläuft. Die Geschichte der Skye-Brücke in Schottland war einer der ersten PFI-Deals und geradezu exemplarisch. Die BewohnerInnen der Insel Skye konnten sich früher auf einen Fährdienst rund um die Uhr zum Festland verlassen. Diese Fähre wurde runtergewirtschaftet, Investitionen wurden verweigert und irgendwann schien eine privatfinanzierte Brücke eine attraktive Lösung zu sein.

Aber kaum waren die Verträge unter Dach und Fach, kam alles anders. Erstens kostete die Brücke 25 Mio Pfund und das private Konsortium erhielt mindestens 16 Mio als Subventionen von der Regierung. Letzlich musste jede private Firma nur 500 000 Pfund eigenes Geld investieren.

Dann wurde die Maut für die einfache Strecke auf 5,60 Pfund(ca 15 DM) hochgesetzt, was die höchste Maut pro Meter auf der ganzen Welt ergab und deutlich teurer als die Fähre ist, die eine Woche nach der Brückenöffnung von der Regierung eingestellt wurde, um der Brücke das Monopol zu sichern. Schliesslich erhielt das Brückenkonsortium seine Mauteinnahmen für 18 Jahre garantiert, was ihm runde 37 Mio Pfund bescheren wird.

Die BewohnerInnen von Coventry verloren ihr gut erreichbares Krankenhaus im Stadtzentrum und erhielten dank PFI ein neues am Stadtrand. Die Bettenzahl wurde um 25%, die Belegschaft um 20% gekürzt. Auf dem Innenstadtgelände wird - natürlich mit fetten Profiten - "Stadtentwicklung" betrieben. Das neue Krankenhaus wird wird viel mehr kosten als die von den EinwohnerInnen bevorzugte Lösung einer Renovierung der zwei alten Krankenhäuser: diese hätte 30 Mio Pfund gekostet; das PFI-Modell wird jährlich 36 Mio Kosten in den nächsten Jahrzehnten verursachen und hat 25 Mio für die Neuausstattung verschlungen.

Bei PFI bleiben viele Verhandlungsdetails und Planungsvorgänge im Dunkeln. Das "Geschäftsgeheimnis" wiegt auf den Waagen des Neuen Britanien schwerer als öffentliche Nachvollziehbarkeit.

Das wird auch sehr gut in der Geschichte von Monsanto und der Invasion der genmanipulierten Organismen dargestellt. Obwohl Millionen VerbraucherInnen sehr besorgt sind, dass möglicherweise hochgradig giftige Stoffe in die Nahrung gelangen könnten und dass die Herstellung von Genfood unabsehbare Folgen für die Umwelt haben könnte, ist die Kennzeichnung von solchen Produkten seitens der Händler strafbar. Aber der echte Skandal bei der Genmanipulation ist die Kollaboration insbesondere der Regierungen der USA und Brittaniens mit Multis wie Monsanto, AgroEvo und Zeneca, um genmanipulierte Produkte der Bevölkerung aufzuzwingen.

Diese Firmen haben heute eine absolute Mehrheit in der Food and Drug Administration der USA und den entsprechenden Institutionen in anderen Ländern, mit dem Ergebnis, dass diese Einrichtungen, die eigentlich dem öffentlichen Interesse verpflichtet sind und öffentliche Gelder zum Wohl der Allgemeinheit verteilen sollen, von genau den Firmen übernommen worden sind, die sie eigentlich kontrollieren sollen.

Monbiot widmet ein ganzes Kapitel seinem "Register der Fetten Katzen", einer Aufstellung all derer, die von New Labour dadurch gemästet wurden, dass der öffentliche Sektor der Profitgier geöffnet worden ist.

Eine starke Seite von "The Captive State" liegt darin, dass Monbiot, bei aller Konzentration auf Britanien, dessen Rolle bei der Globalisierung betrachtet.

Das "neue Britanien" hatte eine Schlüsselrolle innerhalb der EU inne, diese in Richtung der amerikanischen Politik zu schieben, den Freihandel auf Kosten der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, auf Kosten der Umweltverträglichkeit und der Gewerkschaftsrechte voranzutreiben.

Britanien war das EU-Mitglied, das am heftigsten das MAI unterstützt hat, ein Vertragswerk, das es den Unternehmern erlaubt hätte, die Gesetzgebung von Regierungen ausser Kraft zu setzen und die Privatisierung von Bildung und Gesundheitswesen zu erzwingen.

Der schwächste Punkt von "The Captive state" ist das Schlusskapitel, in dem Monbiot eine Strategie entwickelt für den Kampf gegen das, was er als schleichenden Statsstreich beschreibt, eben die Gefangennahme des Staates durch die Multis.

Sein Rezept ist die schlichte Zurücknahme von Massnahmen: Schluss mit der PFI, Kappung der Drähte zwischen Regierung und Grosskapital, Grössenbegrenzung bei den Monopolen durch Zerteilen und Einschnitte in die Managergehälter.

Gegen die bösen grossen Monopole setzt Monbiot nicht auf gesellschaftliches Eigentum, sondern auf die guten kleinen kapitalistischen Firmen. Dass das schlicht Unfug ist, kann ihm jeder aktive Gewerkschafter erklären. Kleine Firmen sind oft die schlimmsten Gewerkschaftshasser und haben oft schlimmere Arbeitsbedingungen, auch wenn sie weniger Einfluss auf Regierungen haben als die Multis.

Was die Massnahme der alten US-Populisten betrifft, nämlich die Zerschlagung der Konzerne zu fordern, steht Monbiot vor einem Dilemma. Im neuen High-Tech Sektor war Bill Gates von Microsoft einmal einer von den guten Kleinen. Die Gesetze des Marktes haben ihn heute zu einem Riesen gemacht. Microsoft heute wieder zu zerlegen, wie es seine Konkurrenten ja versuchen, wird nur zu einer Wiederholung des Films führen, der Entstehung eines neuen Mega-Konzerns, vielleicht der eines seiner Konkurrenten.

Wenn es ständige Regierungseingriffe gibt, die die Grösse von Geschäftsvorgängen begrenzen, gibt es auch andere Ergebnisse: Ineffektivität wird festgeschrieben, der Handel mit anderen Ländern muss eingeschränkt oder unterbunden werden, damit kleine Firmen nicht untergehen, Investitionen werden anderswo getätigt. Es ist einfach nicht die Höhe des Umsatzes, sondern die Eigentumsform, die entscheidet! Entweder arbeitet die Wirtschaft für den Profit oder für den Nutzen der Menschheit. Beides zugleich geht nicht!

Ähnliches kann man von Monbiots Vorstellung sagen, dass der Staat mal eine feine Sache war und er also wieder in die Rolle des Richters über die Dinge zurückschlüpfen könnte, als einer, der ohne eigene Interessen über den wirtschaftlichen Angelegenheiten der Bürger tront. Das ignoriert das Wesen und die Geschichte der Entstehung des Staates.

Der Staat: Exekutive und Legislative, der Beamtenapparat, die Gerichte, Polizei, Gefängnisse und Militär - alle sind ein Instrument der herrschenden Klasse. Der Einfluss des Kapitals auf den Staat kommt nicht nur von aussen, von den Multis, sondern genauso von innen, aus seiner durch und durch bürokratisch-hierarchischen Struktur, von den gewählten und ungewählten Dienern des Kapitals, die auf allen Ebenen arbeiten.

Monbiot, wie Klein und George, war gerne bei der Anti-Globalisierungsbewegung, solange diese noch kuschelig war. Aber seit die Gewalttätigkeit des Staates gegen die wachsende Bewegung eine immer gewaltätigere Anwort der DemonstrantInnen provoziert hat, ist Monbiot allzu bereit, die Gewalt "auf allen Seiten" zu verurteilen.

Die Demos und Aktionen am 1. Mai 2001 in Britanien waren schon Wochen vorher von einer Propagandakampagne vorbereitet worden, die Polizei gab den Takt vor für ständige Warnungen vor geplanter Gewalt seitens der DemonstrantInnen. Alles wurde getan, um den politischen Protest zu kriminalisieren und das Publikum auf die Polizeiübergriffe auf die Demonstration vorzubereiten.

Am 1. Mai selbst, noch bevor überhaupt eine Aktion begonnen hatte, fiel Monbiot in den Chor ein, der behauptete, dass " Gewalttätige AktivistInnen den politischen Raum stehlen, den friedliche DemonstrantInnen hart erarbeitet haben. Sie zerstören die Sympathie, die wir aufgebaut haben,ÉWie die Polizei machen sie unseren Protest kaputt.."

Er spricht sich sogar für die Entwaffnung der DemonstrantInnen im Angesicht der Polizei aus. Das drückt am schärfsten die Kluft zwischen den reformistischen Globalisierungsgegnern und der Antikapitalistischen Bewegung aus. Die AnhängerInnen letzterer verstehen, dass der Staat der Bosse die Quelle organisierter Gewalt im Kapitalismus ist.

Die Gewalt, die von DemonstrantInnen ausgeht, ist erstens nie so gross und zweitens nicht vergleichbar. Sie wird meistens vom Staat und seinen Agenten provoziert, um die Opposition zu diskreditieren. Noch öfter ist sie allerdings die berechtigte Anwort auf gezielte und geplante Aggression der Polizei.

Gelegentlich ist diese Gewalt kontraproduktiv und spalterisch, weil diejenigen, die sie ausüben, nicht begreifen, dass der Staat von seiner organisierten Gewattätigkeit nur von der organisierten Gewalt der Arbeiter abgeschreckt werden kann.

Professionelle Schreiber aus den Mittelschichten zeigen nur ihre Illusionen in den Staat, wenn sie über die Gewalt in der Bewegung jammern. Glaubt Monbiot wirklich, dass der Staat - als Gefangener des Grosskapitals - friedlich seine Krallen stutzt?

 

Kevin Danaher

Danaher ist ein antikapitalistischer Aktivist und Autor der Antiglobalisierungsbewegung, der bei allen großen Mobilisierungen dabei gewesen und an der Debatte über alle taktischen und organisatorischen Fragen der Bewegung beteiligt ist.

Kevin Danahers und Roger Burbachs Buch "Globalize this! The Battle against the World Trade Organisation" (Globalisiert das! Die Schlacht gegen die WTO) traf deshalb auch in der Zeit nach Seattle auf ein internationales Publikum. Es ist eine Sammlung von Aufsätzen prominenter AntiglobalisierungsaktivistInnen. Danahers Einleitung zum Buch beginnt mit einer dramatischen Proklamation: "Der 30. November 1999 markiert einen Wendepunkt der Geschichte". Danaher liefert eine ausführliche Beschreibung der Protestes gegen die Welthandelsorganisation im November 1999 in Seattle. Danach folgen Beiträge aus den Debatten innerhalb der Seattle-Bewegung.

So ergibt sich ein ausgezeichnetes Bild eines Teiles der amerikanischen Bewegung, die Seattle hervorgebracht hat. Organisationen wie das Direct Action Network (DAN), eine breite Koalition, die sich auf gewaltfreie direkte Aktion festlegt, planten, die Konferenz durch eine Allianz von UmweltschützerInnen, NGO-UnterstützerInnen, Organisationen von indigenen Völkern, Frauengruppen etc. zu stoppen.

Sie wurden dabei durch den Umstand enorm unterstützt, dass der Dachverband der amerikanischen Gewerkschaften, die AFL-CIO, ebenso für Seattle organisierte, allerdings für eigene Kundgebungen und Demonstrationen. Tausende BasisaktivistInnen aus LKW-Transport, Post, Metallverarbeitung usw. lehnten es ab, ihren FührerInnen zu einer Veranstaltung irgendwo in der Stadt weg von den Konfrontationen zu folgen und nahmen an der Blockade teil.

Innerhalb der Konferenz weigerten sich die Regierungen der Dritten Welt zum ersten Mal, sich Clintons Charmeoffensive oder Drohungen zu beugen, und die Konferenz brach zusammen. Danaher stellt diese Radikalisierung der Gewerkschaften zwar fest, die sich mit ihren Werbe- und Organisierungskampagnen entwickelt hatte und mit ihrer neu entwickelten Taktik, dabei "social movements" oder "wohnviertelgestützte Gewerkschaftsarbeit" zu benützen. Aber das Buch interessiert sich kaum für dieses Bündnis von GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen, die berühmte Teamster-Turtle-Allianz.

Die zentrale Lehre, dass die organisierten ArbeiterInnen, v.a. die BasisaktivistInnen, für die anti-kapitalistische Bewegung gewonnen werden müssen, wird nicht erwähnt. Statt dessen wird das Vorbild der Bezugsgruppen, des Cluster, des Sprecherrates, Beschlüsse mit Konsensentscheidungen und die gewaltfreie direkte Aktion von der Anarcha-Feministin Starhawk angepriesen.

Entscheidungen in den Organisationskomitees wurden durch Konsens getroffen, "Minderheitenmeinungen wurden beachtet und aufgegriffen. Von allen geteilte Grundregeln waren: keine Gewalt, körperlich oder verbal, keine Waffen, keine Drogen, kein Alkohol". Die TeilnehmerInnen waren in sogenannte "Bezugsgruppen" (affinity groups) eingeteilt, die ermächtigt waren, zu entscheiden, wie sie sich an der Blockade beteiligen wollten. Die Bezugsgruppen ihrerseits bestanden aus kleineren "Clustern" zur Ausführung besonderer Aufgaben.

Ihre Koordination erfolgte durch "Treffen des Sprecherrates", wohin die Bezugsgruppen ihre VertreterInnen schickten, "ermächtigt, für sie zu sprechen". In einem der Aufsätze beschreibt Paul Hawken, wie dies während des Tages funktionierte:

"Die Demonstranten teilten die Straßen um das Versammlungszentrum in 13 Sektionen auf und einzelne Gruppen und Cluster waren verantwortlich, diese zu halten. Daneben gab es "fliegende Gruppen", die sich nach Wunsch von Sektion zu Sektion bewegten, um jene Gruppen gegen Angriffe zu unterstützen, die es nötig hatten."

Die Blockade war effektiv, aber die Rache kam schnell. Die Demonstrierenden waren der massiven Gewalt der Polizei ausgesetzt; sie wurden mit Tränengas bekämpft, mit Knüppeln geschlagen, mit Gummikugeln beschossen, mit Pfefferspray besprüht und vom Versammlungszentrum vertrieben. Ein Protestierender beschreibt die Ereignisse nach einem Tränengasangriff:

"Wir setzten uns alle nieder, bückten uns nach vorn und schlossen unsere Arme zu festen Ketten. Zu diesem Zeitpunkt war das Tränengas so stark, dass wir unsere Augen nicht öffnen konnten. Einem nach dem anderen wurde der Kopf nach hinten gezogen und Pfefferspray wurde direkt in jedes Auge gesprüht. Das war sehr professionell. Wie ein Haarspray von einem Stylisten. Sssst. Sssst."

Die Gewaltfrage provozierte an diesem Tag die größte Uneinigkeit in der Allianz von Seattle. Die Medien konzentrierten sich auf die "anarchistische Gewalt", um von der massiven Polizeigewalt gegen die DemonstrantInnen abzulenken oder sie zu rechtfertigen. Die StrategInnen des zivilen Ungehorsams verurteilten den anarchistischen schwarzen Block deswegen.

Glücklicherweise folgten die meisten DemonstrantInnen - zu denen tausende GewerkschafterInnen gehörten, die es gewohnt sind, sich zu verteidigen - weder den PazifistInnen, noch den Scheiben zerschlagenden AnarchistInnen. Brennende Barrikaden behinderten die Polizeieinsätze, und Tränengasdosen wurden so rasch zu den Polizeireihen zurück geschleudert, wie sie abgefeuert wurden.

Für SozialistInnen ist Selbstverteidigung kein Verbrechen und sollte so gut wie möglich im Vorhinein organisiert werden.

Die Schwäche dieses Buches kommt am deutlichsten in seinem letzten Abschnitt über "Wege zur Restrukturierung der globalen Wirtschaft" zum Ausdruck. Es ruft zur Reformierung internationaler Institutionen wie der WTO oder der Weltbank und des internationalen Finanzsystems auf. Schließlich wird für die Tobin Tax (eine Steuer von weniger als einem halben Prozent auf grenzüberschreitende Währungsgeschäfte) als Lösung zur Begrenzung grenzüberschreitender Währungsspekulationen und der internationalen Wirtschaftskrise geworben.

Ein anderer Aufsatz schlägt vor, dass die Krise in der WTO ein Signal für die United Nations' Conference on Trade and Development (UNCTAD) sein sollte, selbstbewusster aufzutreten, und für den "Süden, auf die Schaffung von Institutionen zu drängen, die seinen Interessen wirklich dienen" - ein Vorschlag, der annimmt, dass die ArbeiterInnen und die Bauern und Bäuerinnen des "Südens" die selben Interessen haben wie die Herrschenden und Ausbeuter in diesen Ländern.

Der Abschnitt "Zehn Wege zur Demokratisierung der globalen Wirtschaft" argumentiert, dass Firmen gegenüber dem öffentlichen Bedarf rechenschaftspflichtig sein müssen und schlägt vor, dass "Aktivitäten von Aktieninhabern ein ausgezeichnetes Werkzeug für eine Veränderung des Firmenverhaltens sind". Sind sie aber nicht.

Nationalisierung unter Arbeiterkontrolle, ein Bündnis mit den ländlichen und städtischen Armen und die Schaffung von Räten aus Delegierten zur Anleitung des Massenkampfes, der Kampf für eine Regierung der ArbeiterInnen und armen Bauern und Bäuerinnen, die internationale Ausbreitung der Revolution - DAS ist die Antwort.

N30 in Seattle wird nur dann ein "Wendepunkt der Geschichte" sein, wenn die anti-kapitalistischen ArbeiterInnen und Jugendlichen, die Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen trotzten, auf ihre radikalen Kampfformen und Organisationsformen aufbauen können.

Dazu müssen sie sich mit einem klaren Verständnis des Wesens des internationalen Kapitalismus und den Waffen zu seiner Zerstörung ausrüsten. Die Waffe dafür ist eine revolutionäre Partei.

Kevin Danaher ist Herausgeber einer Reihe populärer Bücher und Aufsatzsammlungen. Sie beleuchten die Hauptziele der anti-kapitalistischen Bewegung, die zuerst in den Vereinigten Staaten entstand, und ihre taktischen und programmatischen Debatten. Er ist Mitbegründer von Global Exchange. Im Buch "50 Years is Enough: the Case Against the World Bank and the International Monetary Fund" (50 Jahre sind genug: Die Anklage gegen die Weltbank und den IWF, 1994) sowie "Corporations Are Gonna Get Your Mama: Globalisation and the Downsizing of the American Dream" (Die Unternehmen holen deine Mama: Globalisierung und das Zurückstutzen des Amerikanischen Traumes, 1996) erreichten in Nordamerika und dann in der restlichen englischsprachigen Welt eine breite Leserschaft. Kurze Artikel von prominenten AutorInnen und AktivistInnen verdeutlichen die Verbrechen der Firmen und der internationalen Wirtschaftsinstitutionen.

 

Naomi Klein

Naomi Kleins "No Logo" ist eine fesselnde Beschreibung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Textilarbeiterinnen im Fernen Osten, die für Nike, Levi und GAP arbeiten.

Genau jene Firmen, die sich im Westen als die Helden von Individualismus und Freiheit darstellen, zwingen ganze Generationen junger Frauen im Fernen Osten zu schauderhaftem Elend. Dieser Eindruck von Ungerechtigkeit und Unverschämtheit war es, der nordamerikanische StudentInnen ermutigte, in den frühen 1990ern die Anti-Sweatshop-Kampagne zu starten. Ihr unnachgiebiger Aktivismus führte zu einigen greifbaren Reformen, erreichte die Aufmerksamkeit tausender Jugendlicher und verband die anti-kapitalistische Bewegung mit der organisierten Arbeiterklasse. Im weiteren Verlauf entwickelten diese StudentInnen auch eine vernichtende Kritik des Kapitalismus an der Wende zum 21. Jahrhundert.

Trotzdem wurde die Anti-Sweatshop-Kampagne nicht von den StudentInnen begonnen. Die anfängliche Kampagne bezog Menschenrechtsgruppen ein, Gewerkschaften wie die SEIU (Service Employees International Union), Dritte-Welt-NGOs und lokale Organisationen wie die Kirchen.

Sie nahmen die Marken-Giganten der Bekleidungs- und Schuhindustrie wie Nike und GAP ins Visier und brachten die hinter den trendigen Hinweisen und großen Straßengeschäften stehenden Sweatshops der Dritten Welt ans Licht der Öffentlichkeit. Ihre Aktionen waren meistens Demonstrationen und Konsumentenboykotts.

Das gab es nicht nur in den USA, auch in Britannien kritisierten Gruppen wie Oxfam, Christian Aid und die World Development Movement in den 1990ern die Arbeitsbedingungen in Sweatshops, aber ohne Einbeziehung der Gewerkschaften und mit viel weniger Ausstrahlung und Erfolg.

Die Ursache für diesen Unterschied liegt zum Teil in der besonderen Situation in den USA, wo viel mehr eingewanderte ArbeiterInnen aus Lateinamerika und Südostasien die Bedingungen der Sweatshop-Arbeit in das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" bringen. Zum Beispiel machte das Arbeitsministerium 1995 eine Razzia in einem von Stacheldraht umzäunten Lager in El Monte, Kalifornien, wo 72 aus Thailand eingewanderte ArbeiterInnen gefangengehalten und gezwungen wurden, 18 Stunden täglich für $1 pro Stunde zu arbeiten.

Viele spanischsprachige ArbeiterInnen, wie die HausmeisterInnen in Kalifornien, organisieren sich aktiv in den Gewerkschaften. Sie sind sich der Sweatshops in "ihrer Heimat" in El Salvador, Guatemala, Mexiko usw. durchaus bewusst und begierig, die Gewerkschaften zu nutzen, um die Lebensbedingungen für ihre Familien und FreundInnen zu verbessern.

Gleichzeitig sind die US-Gewerkschaften stark daran interessiert, dass ihre eigenen Löhne nicht durch einen direkten Wettbewerb mit diesen sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen gedrückt werden (besonders durch Mexiko, das in der Freihandelszone der NAFTA ist).

In den USA gipfelten diese Kampagnen während der Clinton-Ära in der Bildung der Apparel Industry Partnership (AIP) 1996, zusammengesetzt aus Gewerkschaften, Konsumentengruppen, Menschenrechtsgruppen und den Unternehmen selbst.

Dies war ein Sieg in dem Sinne, als die Industrie nun gezwungen war, die Vorstellung einer Firmenverantwortlichkeit anzuerkennen, der Rechenschaftspflicht der Gesellschaften für die Bedingungen, unter denen ihre Waren hergestellt werden. Zusätzlich war die AIP dazu angelegt, Mechanismen zur Verhütung der schlimmsten Exzesse der Sweatshop-Arbeit zu entwickeln. Was herauskam, war die Fair Labour Association (FLA), die im November 1998 geschaffen wurde, um einen vereinbarten Verhaltenskodex zu überwachen und zu stärken.

Aber dieser Kodex ist sehr schwach. Würde er durchgesetzt, könnte er nur wenig an den Bedingungen der ArbeiterInnen in den Sweatshops verbessern. Er ist freiwillig: Firmen überwachen sich selbst. Schließlich sitzen die Firmengiganten am Tisch und haben ein Veto-Recht. Dafür dürfen sie dann "no sweat"-Etiketten in ihre Kleidung nähen!

Schon bald nachdem die Vereinbarung zustande gekommen, wurde klar, dass die FLA lediglich ein Deckmantel für das übliche Geschäft und ein Geniestreich der PR-Abteilungen der Sweatshop-Giganten war. In der Folge zogen sich die wichtigsten Gewerkschaften und NGO's aus der FLA zurück. UNITE (die Union of Needle, Industrial and Textile Employees) war als Erste für eine Fortsetzung der Kampagne gegen Sweatshops und Verbindung mit der Studentenbewegung.

Bis Herbst 1997 spielten die StudentInnen keine ausgeprägte, organisierende Rolle in der wachsenden Bewegung. Aber in jenem Sommer holten die Gewerkschaften StudentInnen von den Unis, bildeten sie als GewerkschaftsorganisatorInnen aus und schickten sie in die gewerkschaftsfeindlichsten Gebiete, um an den Türen zu klopfen, außerhalb der Fabrikstore zu stehen und bei den Leuten für den Eintritt in die Gewerkschaft zu werben.

Diese AktivistInnen kamen auf das Universitätsgelände zurück und starteten an 20 Fakultäten und Universitäten die Sweat-Free Campus(Universitätsgelände)-Kampagnen. Deshalb waren in den USA die Gewerkschaften die eigentlichen Urheber dieser Studentenbewegung.

In den USA verkaufen die Unis die Rechte zur Herstellung von Kleidern mit ihrem Universitätslogo, womit Umsätze im Wert von 2,5 Milliarden US-$ jährlich gemacht werden. Die StudentInnen verlangten, dass ihre jeweilige Universitätsverwaltung die Verantwortung für die Bedingungen übernimmt, unter denen die Kleidung mit ihrem Logo hergestellt wird.

Sie sollten einen Verhaltenskodex annehmen, zu dessen Einhaltung die Firmen verpflichtet werden, wenn sie eine Erneuerung ihrer Lizenzen wollen.

Die Bewegung begann im Frühling 1998 mit StudentInnen an Dutzenden Universitäten, die Teach-ins, Demos und Sit-ins organisierten. Im Juli 1998 bildeten diese Gruppen die United Students Against Sweatshops (USAS).

USAS hat vier wichtige Forderungen in seinen Kodex aufgenommen: vollständige Offenlegung der Fabrikstandorte, Verstärkung der Rechte der Frauen, unabhängige Überwachung und ein zum Leben ausreichender Lohn. Einige Universitätsgruppen fügten das Recht zur Organisierung von Gewerkschaften hinzu.

Phantasivolle Aktionen zum Aufbau der Kampagne waren unter anderem Parodie-Modeschauen, Knit(Strick)-ins und die Einladung an Sweatshop-ArbeiterInnen, an den Universitäten zu sprechen. Aber es waren die Besetzungen, die tatsächlich Wirkung zeigten.

Solche begannen typischerweise mit einem Marsch von einigen Hundert zum Rektorat, wo die Unterzeichnung des USAS-Kodex verlangt wurde. Wenn dies verweigert wurde, besetzte ein Kern von 20 bis 30 AktivistInnen die Verwaltung oder das Rektorat solange, bis eine Anerkennung und Unterzeichnung erreicht wurde. In der Universität von Arizona endete ein Marsch im Präsidentenbüro, wo die Verpflichtung zum USAS-Kodex verlangt wurde. Nachdem dies verweigert wurde, saßen 35 Studenten acht Tage lang im Verwaltungsgebäude, bis der Präsident endlich aufgab und den Kodex unterzeichnete.

In der Universität von Wisconsin, Madison, gingen vor dem Hintergrund einer Veranstaltung von 250 TeilnehmerInnen 30 AktivistInnen zur Besetzung über. Sie dauerte fünf Tage und wuchs jeden Tag, bis sie zuletzt 300 Beteiligte zählte. Die Gewerkschaften und StudentInnen organisierten außerhalb Veranstaltungen zur Unterstützung. Nach weniger als einer Woche wurden drei von vier Forderungen anerkannt.

Diese erfolgreichen Sit-ins an einigen Universitäten machten USAS zu einer nationalen Bewegung. Nach einem halben Dutzend Sit-ins breitete sie sich auf 150 Universitäten aus. Bis zum Herbst 1999 stimmten 15 Universitäten der vollständigen Offenlegung der Sweatshop-Standorte zu, und 17 waren für einen zum Leben ausreichenden Lohn.

Aber 100 Universitätsverwaltungen unterzeichneten den FLA zum Schutz gegen USAS-Kampagnen, die gegen den Beitritt zur FLA auftraten. Das Arbeitsministerium traf sich im Juli 1999 mit USAS-FührerInnen, um zu versuchen, sie zur Unterstützung der FLA zu bewegen - ohne Erfolg.

Inzwischen hat sich die Bewegung weiterentwickelt und ihre Ziele verallgemeinert, mit Sit-ins und Protesten im Arbeitsministerium. Im Oktober 1999 organisierte USAS einen Aktionstag und forderte, dass alle Universitäten sich aus der FLA zurückziehen. Um ihren Kodex umzusetzen, entwickelte USAS ihre eigene Aufsichtsorganisation - die Workers Rights Comission (WRC) - mit Unterstützung durch Gewerkschaften einschließlich UNITE und Menschenrechtsgruppen aus der Dritten Welt.

An den Unis begann eine Kampagne, um die Verwaltungen zum Ausstieg aus dem FLA und zum Beitritt zum WRC zu zwingen. Die Universität von Pennsylvania war die erste, an der dies - im Februar 2001 - gelang, gefolgt von fünf weiteren im selben Monat.

Die Konzentration auf die schlechte Bezahlung der ArbeiterInnen und auf die Praxis der Sub-Verträge als Weg zur Vermeidung direkter Firmenverantwortung bedeutete, dass die Kämpfe einen Bezug zu den ArbeiterInnen der Universität herstellten - einige Kampagnen fügten Forderungen hinzu, dass allen ArbeiterInnen an der Universität ein zum Leben ausreichender Lohn bezahlt werden muss, einschließlich der durch Sub-Verträge Beschäftigten. Diese Forderungen wurden an der John Hopkins-Universität durchgesetzt.

Das ist wieder ein Schritt weg von einer Einstellung, die in den Menschen der Drittten Welt nur arme Opfer in einer fernenWelt sieht, hin zu einer klaren und internationalistischen Orientierung auf die Arbeiterklasse. Ein weiterer großer Erfolg war die Ausweitung von Anti-Sweatshop-Gruppen auf die örtlichen Highschools.

Der Protest gegen die Welthandelsorganisation in Seattle gab der Bewegung wesentlichen Auftrieb, sowohl dadurch, dass er ihr bisheriges Wirken bekannt machte, als auch dadurch, dass die bereits gewonnenen AktivistInnen radikalisiert wurden. Eines der berühmtesten Fotos von Seattle zeigt eine Gruppe sitzender Jugendlicher, die von einem Robocop mit Pfefferspray besprüht werden - sie kommen aus einer kalifornischen Anti-GAP-Gruppe und sind überwiegend StudentInnen.

Diese Gruppen nahmen in Seattle an den Protesten teil, halfen bei der Organisierung und wurden durch diese Erfahrung noch mehr angespornt; sie brachten diese Energie zurück in die Kampagne mit den Sit-ins und Besetzungen am Universitätsgelände. Am wichtigsten ist aber, dass diese Kampagne und ihre Kampfformen weiter exportiert werden - und zwar durch die weltweite Antiglobalisierungsbewegung.

 

Walden Bello

Walden Bello, leitender Direktor von Focus on the Global South, ist die personifizierte Geißel für IWF, Weltbank und WTO. Er hat ihre Beiträge zur Verschärfung von Armut, Marginalisierung und Ungleichheit nicht nur haarklein dokumentiert, er lehnt außerdem die Idee, dass sie reformiert werden könnten, rundweg ab.

Er spricht sich öffentlich für die Abschaffung von Weltbank und IWF aus, "eine Institution, die aus der Beseitigung der Armut ein Riesengeschäft gemacht hat." Er kämpft gegen das Einbinden von NGO's in den Prozess der Reformierung von IWF, Weltbank und WTO. Er will die Weltwirtschaft entglobalisieren und jegliche wirtschaftliche Regulierung und Herrschaft auf weltweiter Ebene beenden, und schlägt eine Reihe von regionalen Institutionen und Abkommen vor, die eine unterschiedliche nationale und kulturelle Entwicklung ermöglichen würden.

Bello ist ein leidenschaftlicher und scharfer Kritiker der "drei Schwestern" und des Washington-Konsenses (dem Dogma des Neoliberalismus). Er hat die Legitimationskrise nachgezeichnet, in die die Globalisierung geschlittert ist, nachdem sie mit der Gründung der WTO im Jahr 1995 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Das war das Jahr des größten Einflusses des Neoliberalismus, des unbestrittenen Gehorsams gegenüber den ungezügelten Gesetzen des freien Handels und der Macht der Konzerne.

Aber dann kam die asiatische Finanzkrise des Jahres 1997, als die 100 Mrd. Dollar, die in den vier Jahren zuvor in diese Region gepumpt worden waren, innerhalb weniger Wochen während des Sommers wieder hinausflossen. Zu seiner Unfähigkeit, die Krise vorherzusehen, kam eine Intervention des IWF, die alles noch verschlimmerte, und zwar durch die Strukturanpassungsprogramme, welche in Südkorea, Thailand und Indonesien einen Liquiditätsengpass verursachten. Die Massen bezahlten teuer, aber damit war auch der Ruf des IWF vollends zerstört.

Bereits in den 1990ern wurde der IWF aufgrund der Ergebnisse seiner Strukturanpassungsprogramme, die er während der 1980er und 1990er über 70 Ländern auferlegt hatte, immer häufiger attackiert.

Bello berichtet: "Nach über 15 Jahren gab es kaum Fälle erfolgreicher Strukturanpassungsprogramme. Was die Strukturanpassung statt dessen, neben einer Erhöhung der absoluten Armut und der Einkommensungleichheit, bewirkt hatte, war die Festschreibung der wirtschaftlichen Stagnation in Afrika und Lateinamerika.

Strukturanpassung und die Politik eines freien Marktes, die vielen Ländern in den frühen 1980ern aufgebürdet worden waren, sind der zentrale Faktor für einen scharfen Anstieg der Ungleichheit auf der Welt. Eine maßgebliche Studie der UCTAD, die 124 Länder abdeckt, zeigt, dass der Einkommensanteil der reichsten 20 % der Weltbevölkerung zwischen 1965 und 1990 von 69 % auf 83 % gestiegen ist."

"Die Strukturanpassung war auch ein zentraler Grund dafür, dass es keinerlei Fortschritt in der Kampagne gegen die Armut gab. Die Anzahl jener Menschen, die weltweit in Armut, das heißt mit weniger als einem Dollar pro Tag leben, stieg von 1,1 Mrd. im Jahr 1985 auf 1,2 Mrd. im Jahr 1998, und soll im Jahr 2000 1,3 Mrd. erreichen."

Die Tätigkeit der WTO in den ersten paar Jahren förderte die Macht der Konzerne massiv, und es dauerte nicht lange, bis die volle Tragweite der Vorgänge Vielen bewusst wurde.

In Bellos Worten: "Mit der Unterzeichnung des Abkommes über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (TRIMs = trade related investment measures), stellten die Entwicklungsländer fest, dass sie ihr Recht, Handelspolitik als Mittel zur Industrialisierung einzusetzen, verkauft hatten.

Mit der Unterzeichnung des Abkommens über Handelsbezogene Rechte an Geistigem Eigentum (TRIPs = trade related intellectual property rights), stellten diese Länder fest, dass sie transnationalen Hightechkonzernen wie Microsoft und Intel das Recht gegeben hatten, Innovationen in den wissensintensiven Industriezweigen zu monopolisieren.

Mit der Unterzeichnung des Landwirtschaftsabkommens (AOA = agreement on agriculture), mussten die Entwicklungsländer feststellen, dass sie sich verpflichtet hatten, ihre Märkte zu öffnen, während die großen Agrar-Supermächte ihr System der subventionierten Agrarproduktion festigen durften. Sie konnten jetzt ihre Überschüsse auf die Entwicklungsländer abkippen, was zu massivem Preisverfall führte und außerdem die Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft zur Folge hatte.

Nachdem sie die WTO gegründet hatten, entdeckten die Länder und Regierungen, dass sie ein Rechtssystem errichtet hatten, welches die Priorität des freien Handels vor jedem anderen Gut, vor der Umwelt, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Gemeinschaft festschreibt.

Nachdem sie der WTO beigetreten waren, realisierten die Entwicklungsländer, dass sie in Wirklichkeit nicht Mitglied einer demokratischen Organisation waren, sondern einer Organisation, wo Entscheidungen nicht in formellen Plenarsitzungen, sondern in Hinterzimmersitzungen getroffen werden, und wo auf Mehrheitsentscheidungen zugunsten eines Konsensprozesses verzichtet wird, der in Wirklichkeit ein Prozess ist, in dem ein paar große Handelsmächte ihren Konsens der Mehrheit der Mitgliedsländer aufzwingen."

All das fokussierte die Wut auf das Ministertreffen in Seattle, im November 1999, das sich als Wendepunkt für die Vereinigung der Anti-Globalisierungsbewegung erwies. 50.000 Demonstranten blockierten es, die europäischen und US-amerikanischen Delegationen konnten sich in wichtigen Fragen nicht einigen und mehr als 100 Entwicklungsländer waren empört über die Statistenrolle, die ihnen in dem ganzen Ablauf zugedacht war. Der brach dann auch zusammen und die WTO als Institution war diskreditiert.

Schlussendlich, im Jahr 2000, kritisierte die Meltzer-Kommission für globale Finanzarchitektur offen die Weltbank. Wie Bello bemerkt: "Die Kommission veröffentlichte die vernichtende Schlussfolgerung, dass die Weltbank, deren Ressourcen überwiegend an die bessergestellten Länder der sich entwickelnden Welt geht, mit ihren Projekten in den ärmsten Ländern eine erstaunliche Misserfolgsquote von 65-70 % aufweist, also irrelevant ist für die Erfüllung ihrer erklärten Mission - der globalen Armutserleichterung. Was sollte nun mit der Bank geschehen?"

Die Kommission forderte, dass der Großteil der Kreditvergabe der Bank auf die regionalen Entwicklungsbanken übergehen sollte. Auf jeden Fall ist es nicht schwer, beim Lesen des Berichtes zu verstehen, dass, wie es eines der Kommissionsmitglieder aufzeigte, er als wesentlichen Punkt IWF und Weltbank abschaffen will.

Bello kommt außerdem der Verdienst zu, erkannt zu haben, dass diese Institutionen, so sehr sie auch in Verruf gebracht worden sind, zu wichtig für das weltweite Großkapital sind, als dass sie einfach verschwinden könnten. Sie gingen zum Gegenangriff über, um ihre Legitimität wieder herzustellen.

Beim WEF-Gipfel in Davos, der Seattle unmittelbar folgte, sagte Klaus Schwab: "Globalisierung lässt die Mehrheit hinter sich zurück. Diese Stimmen sprachen in Seattle. Es ist an der Zeit, die Früchte der Globalisierung und des Freihandels den Vielen zu bringen." Die Davos-Elite entschied, laut Bello, der beste Weg, den Ruf der drei Schwestern zu retten, liege im Dialog, in der Konsultation und in der Bildung von Partnerschaften zwischen transnationalen Konzernen, Regierungen, den Vereinten Nationen und den Organisationen der Zivilgesellschaft.

Der UNO-Generalsekretär Kofi Annan erarbeitete einen globalen Vertrag. Unterzeichnet von 44 multinationalen Firmen, verpflichtet er sie dazu, Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte zu respektieren und positive Beispiele für ein solches Verhalten zu liefern. In Wirklichkeit sind unter den Gründungsmitglieder - trotz einer Vertragsbestimmung, dass Wirtschaftseinheiten, die an Menschenrechtsverletzungen Mitschuld haben, die Mitgliedschaft verweigert wird - einige derjenigen Firmen, welche die Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte am übelsten missachten: NIKE, Rio Tinto, Shell, Novartis und BP Amoco.

Wie Bello bemerkt: "Der Vertrag wird diesen Konzernen eine vorzügliche Möglichkeit für Öffentlichkeitsarbeit bieten, um ein sauberes Image zu fördern, das mit der Realität nichts zu tun hat, da die Einhaltung des Vertrages von ihnen selbst überwacht wird und es keine Strafen für Vertragsbruch gibt. Die Konzerne werden das UNO-Logo als Siegel ihrer Vertrauenswürdigkeit verwenden können. Auf diese Weise eignen sie sich das Image der Vereinten Nationen als internationalen Bürgerservice nicht nur für kurzfristigen Profit, sondern auch für das langfristige Geschäftsziel eines positiven Markenimages an."

Die erste Taktik, die gegen die NGO's verwendet wurde, bestand darin, sie gegeneinander auszuspielen, indem zwischen "vernünftigen" NGOs, die am Dialog interessiert seien, und "unvernünftigen", nicht dialogbereiten, unterschieden wurde. Ersteren wurde eine Arbeitspartnerschaft für Reformprojekte angeboten.

Bello sagt, das Vorbild für diesen Trick war der NGO-Ausschuss der Weltbank und andere gemeinsame Körperschaften von Weltbank und NGOs - Mitte der 1990er gegründet von Weltbankdirektor Wolfensohn und seinen Gefolgsleuten. Während jene NGOs, die diesen Körperschaften beigetreten waren, dies in der besten Absicht getan haben mögen, wusste Wolfensohn, dass ihre Mitgliedschaft selbst bereits half, die Bank zu legitimieren, und dass mit der Zeit diese NGOs ein Interesse entwickeln würden, die formelle Beziehung mit der Bank aufrecht zu erhalten.

Wolfensohn konnte nicht nur in Washington DC die NGO-Gemeinschaft entzweien, sondern sich auch die Energien einer Reihe von NGOs, ohne dass sie es bemerkten, zunutze machen, um das Bild einer Weltbank zu vermitteln, der es Ernst war, sich zu reformieren und sich in ihrem Ansatz zur Vernichtung der Armut umzuorientieren.

Bis 2001 wurden die NGOs mit Anfragen überschüttet, einem NGO-Beratungskommitee dieses Konzerns oder einer NGO-Konsultationsgruppe jener Firma beizutreten. Im Februar 2001 hielt sogar der IWF seine erste NGO-Konsultation in Singapur ab.

Bello verurteilt die NGOs dafür, dass sie in diese Falle gegangen sind, und ruft statt dessen zur Abschaffung all dieser Partnerschaften auf : " ... worauf die Entwicklungsländer und die internationale Zivilgesellschaft abzielen sollten, ist nicht, die von den transnationalen Konzernen geleiteten Institutionen von Bretton Woods oder die WTO zu reformieren, sondern, mit einer Kombination aus passiven und aktiven Maßnahmen, sie entweder a) aufzulösen, b) zu neutralisieren (z.B. indem der IWF zu einer bloßen wissenschaftlichen Institution umgewandelt wird, welche die Wechselkurse globaler Kapitalflüsse verfolgt) oder c) ihre Macht radikal zu reduzieren und sie zu Akteuren unter anderen Akteuren zu machen, die zusammen mit anderen internationalen Organisationen, Übereinkommen und regionalen Gruppierungen existieren und sich gegenseitig überwachen. Diese Strategie würde eine Stärkung anderer Akteure und Institutionen, wie der UNCTAD, multinationaler Umweltübereinkommen, der internationalen Arbeitsorganisation und sich entwickelnder ökonomischer Blocks wie Mercosur in Lateinamerika, SAARC in Südasien, SADCC in Südafrika und einer wieder belebten ASEAN in Südostasien mit einschließen. Ein Schlüsselaspekt ihrer Stärkung ist natürlich sicherzustellen, dass sich diese Formationen in eine auf Menschen orientierte Richtung entwickeln und aufhören, regionale Eliteprojekte zu bleiben."

Bello weist den Gedanken, ein zentralisiertes globales Regel- und Institutionssystem durch ein anderes zu ersetzen, zurück. Er nennt dies eine techno-optimistische Variante des Marxismus, welche die sozialdemokratische und die leninistische Sichtweise der Welt wieder einführe und produziere, was der indische Autor Arundathi Rog die "Vorliebe für Gigantismus" nennt. Aber bei seiner Zurückweisung des Marxismus zögert Bello nicht, die republikanische Rechte in den USA als Verbündete zu akzeptieren.

Er räumt ein, dass " ... die Motivation der neuen Republikaner für ihre Kritik an IWF und Weltbank in ihrem Glauben an die Lösungen des freien Marktes für Entwicklung und Wachstum liegt. Diese mag zwar nicht mit jener der Fortschrittlichen übereinstimmen, die IWF und die Weltbank als Werkzeuge der US-Hegemonie sehen. Aber diese beiden Seiten können sich in diesem Punkt auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen: die radikale Verkleinerung, wenn nicht gar Demontage, der Zwillinge von Bretton Woods.

Wenn viele Republikaner und Demokraten im Kongress ähnliche Überlegungen anstellen, könnten die internationale Zivilgesellschaft und Gewerkschaften ihr Gewicht hinzufügen, um so eine kritische Masse zu bilden, die die Zukunft dieser Institutionen bestimmen könnte."

Bello hat in beiderlei Hinsicht Unrecht. Für ihn ist die Abschaffung der internationalen ökonomischen Körperschaften, die unter der Herrschaft des US-Imperialismus stehen, ein Weg, es den halb-kolonialen Regimes zu ermöglichen, größere Autonomie auszuüben und UN-Körperschaften, wie UNCTAD, zur Förderung ihrer Entwicklung zu nutzen.

Aber damit würde noch immer eine Handvoll mächtiger imperialistischer Staaten mit einem Monopol auf die Quellen des Kapitals und der technologischen Entwicklung übrigbleiben. Während bei Bello oft seine Kritik an dem feigen Wesen der "Dritte-Welt-Eliten" implizit deutlich wird, ist er bei seiner Strategie der Entglobalisierung trotzdem bereit dazu, die politische Macht in ihren Händen zu belassen, selbst wenn ihnen vom Volk genauer auf die Finger gesehen werden sollte.

Überdies hat er keine weitergehenden Vorschläge, als dem Handel und den Investitionsflüssen eine neue Richtung zu geben. Er heißt die Enteignung der großen Firmen und Banken nicht gut, nicht einmal die Verstaatlichung ausländischer multinationaler Konzerne.

Selbst im besten Fall könnte das nur ein Rezept für eine importsubstituierende Industrialisierung im Stil der 1950er und 1960er sein. Diese in Misskredit gekommene Strategie war selbst in großen Ländern, die genug einheimische private Investitionen mobilisieren konnten, indem der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung drastisch reduziert wurde, nur ansatzweise erfolgreich. Doch sogar damals waren diese Projekte oft korrupt und ineffizient.

Im schlimmsten Fall würde solch ein Entglobalisierungsprojekt zu einer weiteren Verarmung führen, da kleine Länder gezwungen wären, sich auf die begrenzten und unzureichenden Ressourcen ihres Landes zu beschränken.

Anstelle von Entglobalisierung ist es notwendig, eine weltweite Wirtschaftsstrategie zu entwickeln, die danach strebt, einen hohen Grad globaler Integration zu bewahren, besonders mit den am höchsten entwickelten Nationen. Der Schlüssel liegt nicht im Lockern der Fesseln, welche die Dritte Welt und die imperialistischen Zentren verbinden, sondern im Aufbau einer internationalen Bewegung, die den Besitz und die Kontrolle über Industrie, Handel und die Finanzen, der Ausbeuterklasse entreißt - in den G8 und weltweit.

Dann könnte eine weltweite demokratische Planung die Halbkolonien aus ihrer Verarmung befreien. Wie zentralisiert oder dezentralisiert solche internationalen Planungsmechanismen sein müssen, ist eine offene Frage und hängt weitgehend von der Natur der menschlichen und materiellen Ressourcen ab, um die es geht.

Manche Entscheidungen, z.B. Energieproduktion und -transport, deren Auswirkungen auf die Umwelt immer einen internationalen Aspekt haben, werden am besten auf nationaler und internationaler Ebene getroffen. Anderes wie die Zuteilung von Ressourcen zur Erholung, der Kultur oder des Wohnens werden eindeutig am Besten auf lokaler Ebene getroffen.

Der Marxismus favorisiert nicht den 'Gigantismus' als Prinzip; das war eine schreckliche Verzerrung und Entstellung des Marxismus durch den Stalinismus, dessen fanatische Zentralisierung und Größenwahn nicht aus überlegtem wirtschaftlichen Handeln stammten, sondern aus dem Bedürfnis einer allmächtigen und repressiven Bürokratie, die Kontrolle über alle Aspekte des wirtschaftlichen und sozialen Lebens zu bewahren.

Bello über Entglobalisierung

• Es geht nicht darum, sich aus der internationalen Wirtschaft zurückzuziehen. Wir sprechen von der Reorientierung unsere Ökonomie weg vom Schwerpunkt der Produktion für den Export hin zu einer Produktion für den lokalen Markt.

• Es geht darum, den Grossteil unserer finanziellen Ressourcen für Entwicklung von innen zu bekommen, anstatt von ausländischen Investitionen und Finanzmärkten abhängig zu werden.

• Es geht darum, die lange hinausgezögerten Maßnahmen der Einkommens- und Landumverteilung durchzuführen, um einen lebendigen internen Markt zu schaffen, der die Basis der Wirtschaft wäre.

• Es geht darum, die Bedeutung des Wachstums zu verringern und die der Gleichheit zu erhöhen, um das gestörte Gleichgewicht der Umwelt radikal zu verbessern.

• Es geht darum, strategische wirtschaftliche Entscheidungen nicht dem Markt zu überlassen, sondern sie zum Gegenstand demokratischer Entscheidungen zu machen.

• Es geht darum, den privaten Sektor und den Staat einer kontinuierlichen Überwachung durch die Zivilgesellschaft zu unterstellen.

• Es geht darum, neue Sphären von Produktion und Austausch zu schaffen, die lokale Kooperativen, private und staatliche Firmen ein, transnationale Konzerne aber ausschließt.

• Es geht darum, das Prinzip der Subsidiarität im wirtschaftlichen Leben fest zu schreiben, indem die Produktion von Gütern auf lokaler und nationaler Ebene gefördert wird, wenn sie zu vernünftigen Kosten geschehen kann, um die Basisgemeinschaften zu bewahren.

• Es geht ferner um eine Strategie, welche die Logik des Marktes, die Jagd nach Kosteneffizienz den Werten Sicherheit, Gerechtigkeit und gesellschaftliche Solidarität bewusst unterordnet.

Letztlich ist Bello nicht antikapitalistischer als Susan George. Es ist wahr, er bekennt sich ausdrücklicher zu einem Programm der Umverteilung als George. Ein Teil der "Entglobalisierung" ist es, "lange hinausgezögerte Maßnahmen zur Einkommens- und Landumverteilung durchzuführen, um einen lebendigen internen Markt zu schaffen, der die Basis der Wirtschaft sein würde, ...es geht darum strategische wirtschaftliche Beschlüsse nicht dem Markt zu überlassen, sondern sie einer demokratischen Entscheidung zu unterwerfen."

Aber das ist nicht überzeugend. Bello schafft es nicht, irgendwelche Erklärungen darüber abzugeben, welche Kräfte, mit welchen Methoden, solch eine Umverteilung durchführen könnten. Er gibt nicht zu, dass es gewaltsamen Widerstand der Bourgeoisie der Dritten Welt dagegen geben wird, da sie großteils (anders als in den 1950ern) ihr persönliches und politisches Schicksal mit dem von Neoliberalismus und Globalisierung verbunden hat.

Weil er keine Vorstellung davon hat, wie die Herrschaft des Kapitals sich auf der ganzen Welt verändert hat - vor allem in den imperialistischen Kernländern - und er die Entkoppelung und Reorientierung der Halbkolonien vorzieht, kann er so unbeschwert Allianzen mit einem zutiefst reaktionären Flügel der amerikanischen Wirtschaft und seinen politischen Repräsentanten wie den Republikanern unterstützen.

Jede Strategie zur internationalen Revolution und der internationalen Planung muss die Enteignung des Besitzes und die Kontrolle des Großkapitals und der Finanzen in den USA beinhalten. Diese Aufgabe verlangt andererseits, dass die ArbeiterInnenklasse ihre totale Unabhängigkeit von allen Flügeln der US-Bourgeoisie verwirklicht. Sie muss aufhören, die Macht der Massen zur Unterstützung der politischen Ziele jenes Flügels des US-Großkapitals, der frei von internationalen Verpflichtungen sein will, bereitzustellen, während sie die US-Wirtschaft unbehelligt lässt.

Bellos scharfe Kritik am immensen Schaden, den IWF, Weltbank und WTO angerichtet haben, und seine Vorschläge zu ihrer Abschaffung bringen es ziemlich genau auf den Punkt. Aber seine kleinbürgerlichen Alternativen trennen die Arbeiterklasse zwischen Nord und Süd und lassen die wahre Macht und den Besitz in diesen beiden Teilen der Welt in Händen des Großkapitals und seiner Politiker.

 

Pierre Bourdieu

Der 70 Jahre alte Soziologe Pierre Bourdieu ist an einem Verlagshaus und in einer Vereinigung - raisons d'agir (Gründe zu Handeln) - beteiligt, die eine Reihe von weit verbreiteten Büchern und Pamphleten publiziert haben, die verschiedene Aspekte der Globalisierung speziell im kulturellen Bereich attackieren.

Bourdieu solidarisierte sich öffentlich mit den Arbeiter- und Jugendaufständen von 1995 gegen die Regierung von Alain Juppé. Er war ein unverblümter Kritiker des NATO-Einsatzes am Balkan. Er hat den "Verrat" der französischen intellektuellen Elite verurteilt, die versagt hat, vor dem Neoliberalismus zu warnen oder gegen ihn zu mobilisieren. Obwohl lange ein Unterstützer der französischen Sozialistischen Partei, wandte er sich scharf gegen Premier Lionel Jospin, die KPF und die intellektuellen UnterstützerInnen der gauche plurielle-Regierung. Er beschuldigt sie, vor dem US-Neoliberalismus zu kapitulieren. Er ist außerdem ein Fürsprecher der Entwicklung und der Annäherung der "neuen sozialen Bewegungen" in Frankreich.

Er hat sich selbst nie als Marxisten bezeichnet. In den 1960ern und 1970ern lehnte er sowohl Sartres marxistischen Existenzialismus, wegen dessen Pseudohumanismus und Subjektivität, als auch Althussers marxistischen Strukturalismus, wegen dessen Pseudo-Objektivismus, ab. Bourdieu gibt jedoch zu, dass er von Marx und Weber beeinflusst worden ist - tatsächlich mehr von Weber als von Marx.

Er entwickelte den Begriff der, wie er es nennt, "Logik der Praxis" - wie menschliche Wesen ein Bewusstsein entwickeln, das von sozialen Strukturen geschaffen wird - und wie dieses wiederum ihre "Strategien" für soziale Handlungen bestimmt. Bourdieu war besonders daran interessiert, wie die ideologische Erhaltung des Status quo ziemlich buchstäblich durch die Menschen "verkörpert" wird (Kleidung, Verhaltensweisen, Sprache, Werte). Er beobachtet, dass sie eine Neigung entwickeln, sich nur auf bestimmte Art und Weise zu verhalten, so dass bestimmte Ziele realisierbar erscheinen und andere nicht.

Es ist kaum verwunderlich, dass er in den 1960ern und 1970ern kein aktiver Radikaler war - ganz zu Schweigen von einem revolutionären Marxisten, aber er war ein Kritiker der bürgerlichen intellektuellen und akademischen Gesellschaft und ihrer Ansprüche. In den 1970ern und 1980ern entwickelte er eine Analyse darüber, wie diejenigen, welche die ökonomische und politische Macht (das Kapital) kontrollieren, diese Kontrolle so in soziale Macht (was er soziales Kapital nennt) und Herrschaft umwandeln, dass die Beherrschten es akzeptieren.

Kulturelles Kapital wird in Form akademischer Qualifikationen angesammelt. So werden die wirklichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheiten an Reichtum und Macht in "symbolische" Ungleichheiten umgewandelt, wodurch Individuen oder Klassen eine vermutete Über/Unterlegenheit des Geschmacks, der Fähigkeiten und der Intelligenz aufweisen.

Diese werden in einem ständigen sozialen Kampf wegen unterschiedlicher materieller Interessen der AkteurInnen hergestellt, abgelegt und erneut hergestellt, aber die Verhaltensweise wird kontinuierlich wieder reproduziert. Das ist sicherlich eine auffallend pessimistische Perspektive mit wenig Platz für Selbstbefreiung.

Bourdieu wies das marxistische Konzept der Ideologie und des "falschen Bewusstseins" als das Rationale überbetonend explizit zurück. Er sah das Bewusstsein menschlicher Wesen vom "gesunden Menschenverstand"(was er "doxa" nennt) dominiert.

Dabei ignorierte er Marx frühe Untersuchung der "Entfremdung" und sein späteres Konzept des Warenfetischismus als Basis des bürgerlichen Bewusstseins der ArbeiterInnen. Den Marxismus als kartesianischen Rationalismus zu verurteilen, wie Bourdieu es tut, ignoriert das ganze Konzept revolutionärer Praxis in Marx Denken, beginnend mit den "Thesen über Feuerbach". Menschliche Wesen lernen und verändern ihre Vorstellungen durch praktische Erfahrungen.

Bourdieus Theorie mag (auf einseitige Weise) das Fortbestehen konservativer Ideen, die Stabilisierung einer ausbeuterischen Gesellschaft durch die Selbsteinkerkerung der Ausgebeuteten erklären. Weder glauben wirkliche MarxistInnen, dass dieses falsche Bewusstsein keine materiellen Wurzeln hat, noch würden sie bestreiten, dass "die Ideen aller vergangenen Generationen wie ein Albtraum auf den Gehirnen der Lebenden lasten". Revolutionäre MarxistInnen glauben, dass es nur durch die Vereinigung von Theorie und Praxis möglich ist, den Würgegriff jener Ideologie zu brechen, welche die kapitalistische Gesellschaft konstant aufwertet und bestärkt.

Bourdieu war schon immer ein Reformist und setzte ganz deutlich enorme Hoffnungen in die Präsidentschaft Mitterands in den frühen 1980ern, wurde aber von deren Konservatismus und Korruption extrem desillusioniert. Als Folge davon wurden seine Gedanken und Aktionen während der 1990er radikaler. In "The Weight of the World" sammelte und analysierte er zahlreiche Interviews mit Menschen, die unter den Auswirkungen der neoliberalen Politik leiden und verurteilte den "Verzicht des Staates", diese anzugreifen.

Da er erst spät in seinem Leben politisch aktiv geworden ist, wird vielleicht auch sein Denken radikaler werden. Allerdings ist in all seinem Denken offensichtlich, dass er es nur für notwendig hält, zum guten alten französischen Etatismus zurückzukehren. Wenn der (wessen?) Staat nur stark genug wäre, dann wären große gesellschaftliche Reformen wieder "möglich".

Wieder bedeutet das Versagen, die Dinge aus einer Klassenanalyse heraus zu betrachten, dass er nicht versteht, warum der bürgerliche französische Staat sich den Bedürfnissen seiner herrschenden Klasse in der Ära der Globalisierung angepasst hat - trotz seiner klar formulierten Abneigung gegen den angelsächsischen Neoliberalismus.

In diesem Sinne passt Bourdieu in das Modell jener, die - wie Susan George oder George Monbiot - angeekelt vom Verrat der alten reformistischen Parteien sind, sich daran machen, eine "neue" Version zu schaffen, wie die alte basierend auf staatliche Eingriffen "von oben".

 

Elmar Altvater

Vor fünf Jahren veröffentlichte Altvater sein Buch über die Globalisierung "Die Grenzen der Globalisierung" zusammen mit Birgit Mahnkopf - ein 700 Seiten starkes Kompendium.

Seine Hauptthese ist, dass, während der Drang des Kapitals, seine eigenen Grenzen zu überwinden, niemals vollendet wird, der globale Kapitalismus eine bedeutende Grenze überschritten hat.

Er hat einen globalen Markt erschaffen, der die vielen Kapitalisten zunehmend dazu zwang, im Weltmaßstab direkt gegeneinander anzutreten. Der Weltmarkt wurde wirklich ein Markt. Für Altvater war der Wettbewerb zwischen - sagen wir - amerikanischen und europäischen Autos (produziert auf dem jeweiligen Kontinent) sehr beschränkt, solange die Transportkosten relativ hoch blieben und andere schützende Barrieren die jeweiligen Märkte dicht machten.

Das hat sich mit der enormen Verringerung von Transaktionskosten, also von Transport und Kommunikation, verändert - eine Entwicklung, die direkte Vergleiche zwischen den Produktionskosten in verschiedenen Ländern zugelassen hat und es außerdem erlaubt, diese zu verwenden, um Produkte zum weltweit billigsten Preis ein- bzw. zu verkaufen, ein Prozess, der als "global sourcing" bekannt ist.

Die Verzerrungen der Wirkung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt haben abgenommen. Ein Weltmarktpreis wird zur Realität. Angesichts dieser Tatsache wird die Wirtschaft auf Basis direkter Kostenvergleiche entscheiden, wo sie produziert. In diesem Sinn ist die Globalisierung kein Mythos, sondern eine Realität.

Ebenso entwickelt sich ein Weltmarkt für Finanzen, ein direkter Vergleich zwischen internationalen Möglichkeiten zur Spekulation. Schlussendlich gibt es eine Angleichung der Profitrate im Weltmaßstab.

Das bedeutet nicht, dass sich die Investitionen ausgleichen, tatsächlich - wie Altvater betont - werden sie sich mehr auf bereits bestehende produktive Zentren konzentrieren. Aber die Nationalstaaten selbst werden zu "Konkurrenten" in Bezug auf die Bereitstellung des "attraktivsten" (d.h. billigsten) Standorts für Kapitalzuflüsse.

Das ist der Grund, warum der Sozialstaat unter enormen Druck gerät, warum die Sozialsysteme zerfetzt werden. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen großen Kapitalen nimmt enorm zu, da sie nun direkt auf dem Weltmarkt konkurrieren.

Der veränderte Weltmarkt und eine internationale Angleichung der Profitrate sind die Basis für die Entwicklung von "Subjekten" der Globalisierung. Es sind dies die multinationalen Großkonzerne, welche die Arbeitsweise des Weltmarktes wirklich bestimmen - die großen multinationalen Firmen und Banken. Dieser Teil des Kapitals ist, laut Altvater, wirklich international.

Wenn sie auch noch in einem Nationalstaat ihren Sitz haben mögen, so ist das doch eine eher zweitrangige Überlegung. Es ist dieser Teil des Kapitals, der die Weltwirtschaft dominiert, der die Sozial- und Arbeitsstandards bestimmt. Institutionen wie IWF, Weltbank und WTO dienen diesem Teil mehr oder weniger direkt.

All das heißt auch, dass der Staat seine Funktion verändern muss. Als Folge der Globalisierung muss der Sozialstaat sich zu einem "Dienstleister" verwandeln, der die besten Bedingungen für die globalen multinationalen Konzerne bereit stellt.

Altvater sieht die Globalisierung als eine fürchterliche Bedrohung für die Gesellschaft und die Natur, kann sie aber nicht einfach zurückweisen, da dies bedeuten würde, gegen den Lauf der Geschichte selbst Einwände zu erheben. Er spricht sich für eine Form des globalen Reformismus oder der Regulierung der Globalisierung aus.

Für Altvater stellt die Globalisierung eine mehrfache Bedrohung dar:

• für die menschliche Gemeinschaft, durch die Zerstörung des Sozialstaates, durch die Verschärfung der Ungleichheit, usw.

• für die Umwelt, durch die ununterbrochene Jagd nach Profit

• für demokratische und bürgerliche Rechte. Globalisierung zerstört nicht nur den Wohlfahrtsstaat, sondern auch die bürgerliche Demokratie.

Also ruft er auf, Formen der internationalen Regulierung und Demokratie zu schaffen, und strebt danach, die internationalen politischen und wirtschaftlichen Institutionen zu demokratisieren - seien es die UNO, der IWF oder die Weltbank. Er verbindet dies mit den beliebten Aufrufen für eine Form internationaler "Zivilgesellschaft".

Wie wir im Kapitel über die Umwelt lesen können, endet Altvater immer in einem Widerspruch zwischen Analyse und Lösung. In diesem Kapitel weist er richtigerweise auf den zerstörerischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, den widersprüchlichen Charakter des Fortschrittes in ihr und die Tatsache hin, dass dieser Fortschritt immer von der Zerstörung der Quellen des gesellschaftlichen Wohlstandes - Mensch und Natur - begleitet wird.

Aber was ist Altvaters Antwort auf all diese Probleme? Der Kampf zum Sturz des Kapitalismus und zu seiner Ersetzung durch eine neue, auf rationaler Planung entsprechend den Bedürfnissen der Menschen basierende Gesellschaft?

Nein. Da es keine kommunistische Massenbewegung gebe, bestehe die Antwort nicht darin, in der wachsenden antikapitalistischen Bewegung und der Arbeiterklasse für eine revolutionäre Politik zu kämpfen. Die Aufgabe liegt anscheinend darin, ein trockenes reformistisches Programm zu entwerfen, an das er selbst nicht glaubt. Woraus besteht es? Aus der Tobinsteuer, einer massiven Besteuerung des Energieverbrauches und einer drastischen Verringerung der Wochenarbeitszeit.

Die Tobinsteuer soll "den Prozess der Globalisierung verlangsamen" und dadurch den globalen Wettbewerb und seine Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften verringern. Die Besteuerung des Energieverbrauchs (eine Art "ehrliche" Ökosteuer) zielt in die gleiche Richtung. Außerdem würde sie die Transportkosten erhöhen, wodurch der globale Wettbewerb, aber auch die Zerstörung der Umwelt (weniger Verkehr bedeutet weniger Verschmutzung) geringer würden. Schlussendlich würden eine Verringerung der Arbeitszeit und ein garantierter Mindestlohn für alle soziale Sicherheit und Integration garantieren, und zwar durch die Schaffung zusätzlicher Jobs und die Sicherung eines zum Leben ausreichenden Einkommens für Arbeitslose.

An dieser Stelle wird die ganze Utopie zu einer reformistischen Farce. Wie Altvater bemerkt, ist dieses Programm sehr schwer auf Basis des globalen Kapitalismus zu verwirklichen. Tatsächlich ist es sowohl utopisch als auch reaktionär. Es ist ein Versuch, den globalen Kapitalismus zu zähmen, indem die bestehende Entwicklung (ein bisschen) zurück genommen wird, anstatt dafür zu kämpfen, den Kapitalismus zu stürzen.

 

John Zerzan

Jene AnarchistInnen des Schwarzen Blocks, die während der Gipfelproteste Geschäfte zertrümmern, werden von der Presse gerne als "hirnlos" bezeichnet. In Wahrheit sind sie alles andere als das. Viele von ihnen glauben, dass die Zerstörung von Eigentum, welches sie als die wichtigste entfremdende Bedingung für Menschen sehen, das Hauptziel politischen Protests ist. Einige dieser AnarchistInnen haben ihren Stützpunkt in Eugene, Oregon, USA. Viele nahmen an den Protesten in Seattle und Quebec teil. John Zerzan ist der am weitesten publizierte und einflussreichste Schreiber der AnarchistInnen aus Eugene.

Zerzan glaubt, dass die Menschheit Befreiung nur erreichen und der Planet als Ganzes sein Gleichgewicht nur herstellen kann, wenn wir zur frühesten Stufe der menschlichen Entwicklung zurückkehren, dem primitiven Kommunismus. Auch wenn dies einen marxistischen Einfluss zu zeigen scheint, handelt es sich dabei eigentlich um bis zur Absurdität reduzierten, liberalen Individualismus.

In "Future Primitive" (in: Anarchy: a journal of desire armed, Nr. 33, Sommer 1992) behauptet Zerzan, dass die landwirtschaftliche Revolution in der Steinzeit eine natürlichere Gesellschaft, basierend auf Gleichheit, individueller Freiheit und Gesundheit, Wohlbefinden, Muße und Überfluss, alles erreicht durch minimalen Arbeitsaufwand, zerstört habe. Er glaubt, dass es die Entwicklung der Arbeitsteilung innerhalb der Gesellschaft, zwischen Jägern und Sammlern, war, die zuerst Entfremdung erzeugt hat, und dass deswegen jede solche Arbeitsteilung abgeschafft werden sollte.

Zerzan macht jegliche "komplexe" Technologie herunter (vermutlich meint er alles, was über einen Grabstock und eine Keule hinausgeht) und erklärt sich mit dem Una-Bomber solidarisch, der drei Menschen in seinem Ein-Mann-Krieg gegen die Technologie tötete. Er nimmt, ohne mit der Wimper zu zucken, die Tatsache hin, dass die Konsequenz seiner eigenen Theorie eine katastrofale Verringerung der Produktion und somit der Bevölkerung wäre.

Sein Fehler liegt in seiner einseitigen Sichtweise von historischer Entwicklung. Die Arbeitsteilung zerstörte tatsächlich die früheste menschliche Gesellschaft, sie negierte das universelle Potenzial jedes Individuums, indem sie jedeN dazu zwang, entweder Schafe zu hüten oder Wild zu jagen oder irgend etwas aus der unendlichen Anzahl der Spezialisierungen zu tun, die sich seit damals entwickelt haben. Wie auch immer, die menschliche Gesellschaft davor war kein Paradies. Menschliche Entwicklung konnte damals nie mehr als ein Potenzial sein, sie konnte nie realisiert werden, da das Überleben selbst alle Energien der Menschheit beanspruchte.

Zerzans Glaube impliziert, dass in der primitiven Gesellschaft jedes Individuum eine "vollständige Person" sein konnte, verschont von jeglicher Entfremdung, möglicherweise ein natürlicher Adel ohne jede Form der Verwilderung. Das hat mehr Anklänge an die amerikanische Utopie des selbstgenügsamen Siedlers als an ein ausgewogenes Verständnis von historischer Entwicklung.

Entsprach die vorlandwirtschaftliche menschliche Gesellschaft wirklich diesem idyllischen Bild von individueller Freiheit mit vollständigen Persönlichkeiten und intellektuellen Fähigkeiten? Nein, es war ein Leben, in dem eine Tyrannin mit launischer und grausamer Hand geherrscht hat. Diese Tyrannin hieß Natur, und sie nahm die Form von Überflutungen, Hunger, bitterer Kälte und kochender Hitze an. Wenn es wenig zu arbeiten gab, dann deswegen, weil es eigentlich sehr wenig gab, was frühe menschliche Gesellschaften tun konnten, um sich vor der Natur zu schützen.

Es war erzwungener Müßiggang, nicht frei gewählter. Wenn es keine gesellschaftlichen Regeln und Sitten gab, die das Individuum banden, dann deshalb, weil die Natur ihre eigenen Regeln so vollständig durchsetzte, dass menschliche Aktivitäten in einem so engen Rahmen stattfanden, dass die Möglichkeit einer zweiten (menschlichen) Herrschaft ausgeschlossen war.

Warum machten egalitäre Gesellschaften autoritären Platz? Weil diese eine sicherere Zukunft, und mit der Zeit einen höheren Lebensstandard für die große Mehrheit der Gesellschaft bereitstellten. Die Zentralisierung der Ressourcen der Gesellschaft ermöglichte es den PriesterInnen, SchamanInnen, Häuptlingen und KönigInnen, die Produktion zu organisieren, und sich gegen Hunger, Krankheit und benachbarte Völker zu verteidigen. Das fortdauernde Aufblühen neuer, komplexerer und produktiverer Techniken wird von Zerzan verunglimpft, aber er kann diese Tatsache nicht leugnen.

Der Preis für diesen Fortschritt war enorm - Privatisierung gemeinschaftlichen Eigentums, Intensivierung der Arbeit, Ausbeutung, Krieg, Unterdrückung von Frauen und soziale Konflikte, um nur einige der wichtigsten Nebenprodukte zu nennen. Das ist der Grund, warum überall die erste Revolution von Gewalt und Blutvergießen begleitet wurde.

Nicht überraschend - und mit voller Rechtfertigung - reagieren viele Jugendliche in den imperialistischen Nationen mit Wut, wenn Politiker und Unternehmer sich überschwenglich über technologischen Fortschritt auslassen und darüber, wie dieser die gesamte Menschheit befreien kann. In Wirklichkeit endete das 20. Jahrhundert - das technologisch explosivste in der Geschichte der Menschheit - damit, dass mehr Kinder an einfachen Krankheiten sterben als je zuvor, immer mehr und mehr blutige Kriege statt finden, ein immer größerer Anteil der Menschheit in bitterer Armut lebt, und der Unterschied zwischen Arm und Reich größer als jemals in der Geschichte der Menschheit ist.

Aber zu behaupten, dass ein bestimmtes Werkzeug oder ein Bereich der Technologie aus seiner inneren Logik heraus - und zwar unabhängig davon, wer sie kontrolliert und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden - schlecht ist, bedeutet, einem Gegenstand menschliche Qualitäten zuzuschreiben. Es bedeutet auch zu negieren, dass die Industrialisierung und die wissenschaftlichen Durchbrüche im 19. Jahrhundert, etwa in der Medizin, tatsächlich zu einer Verbesserung des Lebensstandards geführt haben.

Das Problem der kapitalistischen Produktion heutzutage ist nicht die Technologie als solche, sondern ihre Kontrolle durch eine Klasse, die dazu gezwungen ist, die Profite zu maximieren, selbst auf Kosten der großen Mehrheit der Menschheit und des Überlebens des Planeten als solchem.

Das bedeutet, dass die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus heute nicht mehr zulassen, dass technologische Durchbrüche der Mehrheit nutzen, ganz zu schweigen der gesamten Gesellschaft: Die Zeit ist reif für die Revolution.

 

 

 

Vom Wunsch zur Wirklichkeit

Wie die antikapitalistische Bewegung siegen kann!

Während der letzten 10 Jahre hat ein Dutzend kapitalistischer Unternehmensgiganten sein Netz über unseren Planeten gespannt. Riesige Automobilhersteller, Telekommunikationsfirmen, alte Banken und neue Medien-Firmen - alle wuchsen in einem beispiellosen Ausmaß.

Zur gleichen Zeit sorgten der IWF, die Weltbank (WB), die WTO, die G8, die Europäische Union, die NAFTA und auch die Asien-Pazifik-Wirtschaftskonferenz dafür, dass eine einheitliche Wirtschafts- und Sozialpolitik für alle Länder der Welt durchgesetzt wurde: der Freihandels-Kapitalismus. Unsere Herrschenden behaupten, es gebe keine andere Wahl als freien Handel, offene Märkte und die Privatisierung der Telekommunikation, der Medien, des Transports, der öffentlichen Dienste und der Grundversorgung mit Wasser, Gas und Elektrizität.

Nichts wird dem Volk als Recht garantiert. Alles, vom Wasser, das wir trinken, bis zu Medizin, die wir brauchen, muss gekauft und bezahlt werden - zu einem Preis, den die globalen Konzerne festlegen. Es gibt heute kaum einen Staat in der Welt, der von der extremen kapitalistischen Politik von IWF/WB/WTO ausgenommen ist.

Jeder Aspekt unseres Lebens ist von diesen Veränderungen betroffen. Was wir bei der Arbeit tun, in der Schule oder der Uni lernen, was wir essen und trinken, die Kleider, die wir tragen, die Musik, die wir hören - alles befindet sich im Besitz der Megakonzerne und wird über die globalen Institutionen geregelt. Sind sie damit zufrieden? Nie und nimmer - je mehr sie fressen, desto hungriger werden sie. Ihr Motto: Erst der Profit, dann der Mensch.

 

Schleichende Privatisierung

Darum dringen die Megakonzerne jetzt in die Bereiche ein, die bisher noch nicht zu Profitzwecken betrieben wurden. Grundlegende Dienstleistungen wie Krankenhäuser, Schulen, Pflegeheime für Kranke, alte und behinderte Menschen werden dem privaten Kapital des freien Marktes ausgeliefert. Das geschieht manchmal als direkte Privatisierung, als Verkauf öffentlichen Eigentums an private Profiteure.

Selbst wenn es massenhaften Widerstand gibt, lassen heuchlerische sozialdemokratische Regierungen, wie die Schröders in Deutschland und Blairs in England, trotzdem privates Kapital an die öffentlichen Dienstleistungen, welches dann Riesengewinne auf Kosten der Menschen macht.

Das ergibt dann Konstruktionen, bei denen die Dienste formal verstaatlicht bleiben, jedoch der Staat in immer größerem Maße das Management und die finanzielle Kontrolle an die Konzerne abgibt. Schritt für Schritt werden soziale und öffentliche Dienstleistungen aus dem gesetzlichen Eigentum der WählerInnen genommen und unter das Diktat einiger weniger privater und institutioneller Anteilseigner von Aktiengesellschaften gestellt. Jeder Nationalstaat, jede Kommunalverwaltung, jede Genossenschaft oder jedes gemeinnützige Unternehmen wird gezwungen, Fürsorge, Erziehung, die Medien, Erholung und Unterhaltung an Firmen zu übergeben, die einer kleinen Bande von Milliardären gehören.

In vielen Staaten wurden sozialistische oder sozialdemokratische Parteien von WählerInnen aus der Arbeiterklasse und dem unteren Mittelstand unterstützt. Weil das so ist, mussten sie früher die Erwartungen ihrer Anhänger erfüllen, obwohl sie das schon immer in einer bescheidenen und eng begrenzten Weise taten, und sie nie wirklich das Recht der großen Konzerne auf Herrschaft und Profit antasteten. Aber sie mussten auch versprechen, einige der wichtigen unmittelbaren Forderungen der arbeitenden Bevölkerung zu erfüllen.

 

Keine Wahl

Jetzt sind diese Parteien zu blassen Kopien der herkömmlichen konservativen Parteien der Reichen und Mächtigen geworden, oder sie sind gerade dabei. Die Regierungen in Schweden, Deutschland, England und Frankreich vollziehen die Politik von IWF/WB/WTO, verpackt in fortschrittliche Phrasen, um sich ein wenig von den konservativen und neoliberalen Parteien zu unterscheiden. Heute es sind es nicht nur ein paar Radikale, die sagen, "es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den Parteien, es gibt keine wirkliche Wahl". Millionen sehen und fühlen das. Wahlkampagnen werden immer mehr zu offensichtlich inhaltslosen Reklameschlachten.

In den ältesten Demokratien, in denen Millionen arbeitender Menschen jahrzehntelang für das Wahlrecht gekämpft haben, geht die Wahlbeteiligung rapide zurück. Die angeblich freie Wahl der kapitalistischen Demokratie erlaubt es uns, unsere Stimme alle paar Jahre abzugeben, um zwischen zwei oder drei Versionen derselben Sache auszuwählen.

Alle Institutionen - sowohl Presse, Funk und Fernsehen, die Lehrpläne der Schulen als auch der höheren Lehranstalten, die Hollywoodfilme, die großen Musikkonzerne - strahlen die selben pro-kapitalistischen Ideen und Werte aus. Bis zur Bewusstlosigkeit wird uns die Botschaft eingehämmert, dass es keine Alternative zu Kapitalismus und Marktwirtschaft gebe. Es gebe noch nicht einmal eine Alternative zur rechten neoliberalen Politik, die Steuern der Reichen zu senken und die Ausgaben für die Armen zu kürzen. Kein Wunder, dass der offiziellen Politik mit solchem Desinteresse begegnet wird. Warum sollten die Ausgebeuteten und Unterdrückten dieses faule Spiel auch mitspielen?

Gleichzeitig entwickelt sich ein immer dringenderes Bedürfnis nach Veränderung. Niemals in der Geschichte der Menschheit haben so wenige den Reichtum gestohlen, den so viele geschaffen haben. Ein Drittel des Reichtums auf diesem Planeten befindet sich im Besitz von 0,15 % der Bevölkerung!

Ein Arbeiter oder eine Angestellte im Betrieb, Büro oder Schnellimbiss können weder berufliche Sicherheit noch Rechte erwarten. Die BürgerInnen an der Wahlurne können nichts wirklich Wichtiges ändern. Welche Wahl bleibt?

Eine ganze Armee zynischer PR-Leute im Dienste des Kapitals erzählt uns, dass es immer die Wahl der VerbraucherInnen gebe - die große echte Freiheit!

Du hast die Auswahl, welches überteuerte Haus du dir kaufst, welches teure Auto du fährst, wo du deine Ferien im Ausland verbringst, welche Designerklamotten du trägst. Und natürlich hat diese Wahl jeder und jede. Unter einer Bedingung: du hast das Geld dazu. Doch zwei Drittel der Menschheit haben es nicht. Nur 600 Millionen Menschen werden von den Megakonzernen und Banken als "marktfähig" eingestuft für die Waren, die sie uns verkaufen wollen - ungefähr 15% der Weltbevölkerung! 85% von uns sind schlicht und einfach schon abgeschrieben!

Selbst für diejenigen, die ein bescheidenes Gehalt bekommen, ist die Auswahl klein und dürftig. Eine Wahl zwischen Cola und Pepsi, zwischen Nike und Reebok, zwischen Firmenimages, missionierenden Erklärungen, Marken und "Werten". Erst nimmt man uns die letzten Reste an Kontrolle über unser eigenes Leben und dann bietet man uns eine Auswahl von "Lebensstilen" an, gibt uns die Chance, uns die kitschige Traumwelt industriell hergestellter Identitäten zu kaufen.

Natürlich werden diese zynischen Abzeichen des Wohlstands gierig von den Ausgebeuteten und Unterdrückten als Symbole eines üppigen Lebensstils akzeptiert, von dem sie jedoch ausgeschlossen sind.

Der moderne Konsumwahn spielt heute eine ähnliche Rolle wie die Religion vor 150 Jahren. Karl Marx beschrieb diese Rolle so: "Das Herz einer herzlosen Welt, so wie die Seele der seelenlosen Verhältnisse". Hinter dem Schleier der Phantasie liegt eine raue Wirklichkeit: Überausbeutung, Armut und die mutwillige Zerstörung unserer gesellschaftlichen und natürlichen Umwelt.

 

Ausbeutung

Wie konnte sich die ausgedehnte Geldanhäufung in den Händen einiger weniger Milliardäre vollziehen? Warum werden die Ergebnisse der Arbeitskraft ganzer Generationen in den Händen so weniger konzentriert?

Die Antwort hatte schon Marx gegeben. Die Arbeit der LohnarbeiterInnen produziert alle Reichtümer, doch wir bekommen nur soviel Lohn, wie uns arbeitsfähig erhält und eine zukünftige Generation von Arbeitskräften aufzuziehen erlaubt. Den Rest dessen, was die LohnarbeiterInnen erzeugen, eignet sich das Kapital an. Das ist es, was wir Ausbeutung nennen.

Abgesehen von ein paar Haushaltsgegenständen und persönlichem Besitz, haben 99 von einhundert ArbeiterInnen nach einem Leben voller Arbeit so gut wie nichts vorzuweisen. Wir können in diese Welt der Arbeit nichts anderes investieren als unsere körperlichen und geistigen Fähigkeiten zur Verrichtung von Arbeit. Fast nie erlangen wir einen Anteil an den Fabriken, den Investmentbanken oder den Gewinnen, die mit dieser Arbeit geschaffen werden. In Wirklichkeit wird der Reichtum in immer weniger Händen konzentriert.

Das wird immer so weitergehen, wenn wir nicht das zurückholen, was wir und die Generationen vor uns den Kapitalisten ohne Bezahlung überlassen haben. Das ist mit einer kleinen Reform nicht machbar. Keine Lohnerhöhung, wie hoch auch immer, keine noch so radikale Umverteilung von Reich zu Arm durch Besteuerung kann an diesen Verhältnissen etwas ändern. Für kurze Perioden der Geschichte und in bestimmten Ländern haben die Lohnabhängigen ernsthafte Verbesserungen durchgesetzt, doch die Kapitalisten haben immer und überall versucht, diese Erfolge wieder rückgängig zu machen und zwingen uns dazu, jeden kleinen Erfolg mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.

 

Imperialismus

Der Kapitalismus baut auf der Ausbeutung und der wachsenden Ungleichheit in seinen Kernländern in Nordamerika, Westeuropa und in Japan auf. Aber zusätzlich stützt er sich auf die Ausplünderung der Ressourcen der restlichen Welt. Bergbau, Öl und Gaskonzerne, Agrarkonzerne und Banken benutzen all ihr technologisches Knowhow, ihre Finanzstärke und ihr Handelsmonopol, um an die Rohstoffe und Energiequellen der Dritten Welt zu kommen. Andere Konzerne verlagern Produktionsstätten in unterentwickelte Volkswirtschaften, in denen diktatorische Regierungen und ein niedrigerer Lebensstandard ihnen die Möglichkeit geben, die ArbeiterInnen noch mehr auszubeuten als "zu Hause".

Die schwachen und korrupten herrschenden Klassen in der Dritten Welt und in den ehemaligen "kommunistischen" Staaten handeln als Vertreter der multi-nationalen Konzerne und der G8. Ihre Armeen und Polizeikräfte werden durch die USA und die Europäischen Großmächte ausgebildet und bewaffnet, ihre Geheimpolizei durch CIA und MI6. Wenn einmal einer dieser Staaten aus der Reihe tanzt, erfolgt eine rasche Reaktion und "friedenserhaltende Kräfte" werden geschickt, um die "Ordnung wiederherzustellen".

Die Ausbeutung der Mehrheit der Länder durch die Herrschenden einiger weniger Großmächte hat einen Namen: Imperialismus. Entgegen der westlichen Propaganda überlebte er die Auflösung der alten europäischen Kolonialreiche nach dem Zweiten Weltkrieg.

In den folgenden Jahrzehnten wurden Britannien, Frankreich, Holland und schließlich Portugal zwar durch nationale Befreiungskämpfe und einige durch Druck der Vereinigten Staaten hinter den Kulissen gezwungen, ihre gewaltigen Kolonialreiche aufzugeben. Doch dies bedeutete nicht das Ende des Imperialismus, sondern nur das Ende seiner kolonialen Phase. Unter der Vorherrschaft der USA blieben die neuen "unabhängigen" Staaten in Wirklichkeit Kolonien der multinationalen Konzerne.

Wenn Völker dieser Halbkolonien Widerstand leisteten oder ihre korrupten und repressiven Regierungen zwangen, Widerstand zu leisten, haben die USA und ihre Verbündeten das immer mit Brutalität beantwortet. Mit Wirtschaftsblockaden, mit Sanktionen, verhängt durch die Vereinten Nationen oder mit Kriegen, wie dem Golfkrieg im Jahre 1991, wurde alles getan, um die "Schurkenstaaten" auf Linie zu bringen. Aber so mächtig die Herrschenden der Welt auch sein mögen, es gibt eine Kraft, die stärker ist. Gegen die konzentrierte Stärke aller 500 Milliardäre der Welt stehen die über 5 Milliarden arbeitenden Menschen, die ausgebeutet werden.

Wir sind viele, sie sind wenige. Jedoch ist unsere potentielle Kraft nichts wert, wenn sie nicht gebündelt wird und sich zu einer zielgerichteten Macht verwandelt. Wir brauchen das Bewusstsein, dass es in unserer Macht liegt, den globalen Kapitalismus zu besiegen und ihn durch ein System zu ersetzen, das auf den Bedürfnissen und den Wünschen der gesamten Menschheit aufbaut.

Die Kapitalisten versuchen unablässig, uns zu spalten und zu zersplittern, sie hetzen die ArbeiterInnen einer Nation gegen die der anderen auf, stellen Männer gegen Frauen, weiß gegen schwarz. Deswegen wurde die von Karl Marx im Kommunistischen Manifest aufgestellte Parole "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" von Generation zu Generation von ArbeiterInnen und Jugendlichen aufgegriffen.

 

Die Wirkungslosigkeit des Reformismus

Die Neoliberalen behaupten gerne, dass sie gegen den Staat seien, dass sie uns "vom Joch" des Staates befreien wollten. Das ist eine Lüge. Sie wollen sich nur einige Teile des Staats vom Hals schaffen. Sie möchten die Teile staatlicher Tätigkeit loswerden, die ihnen durch demokratische Kämpfe aufgezwungen worden sind- kostenlose umfassende Bildung und Gesundheitsdienste, sozialer Wohnungsbau, öffentliche Verkehrsmittel.

Sie wollen nicht einmal ihren heutigen minimalen Anteil an Steuern für diese Grundversorgung zahlen. Die Reichen wollen jetzt, dass die Armen alle Kosten tragen müssen, und sie wollen noch ihren Profit machen, indem sie uns diese Leistungen verkaufen. Und sie wollen ihr Gewissen erleichtern, indem sie einen winzigen Teil ihres Reichtums an wohltätige Stiftungen schenken, wie Bill Gates, damit sie dann auch noch entscheiden können, wer von den Armen und Kranken Hilfe verdient. Das meinen sie, wenn sie von "Freiheit vom Staat" reden!

Zur gleichen Zeit möchten sie die Waffen der Unterdrückung, die das Fundament jedes kapitalistischen Staates sind, erhalten und ausbauen. Polizeikräfte, Armeen und repressive Gesetze, Einschränkungen von Sozialhilfe und Arbeitslosenunterstützung, die Kameras, die uns bespitzeln und die Wanzen, die unsere Telefone anzapfen. Das sind die Teile des Staats, die sie nie zurückfahren werden, weil sie ihre Macht und die Profite der Reichen beschützen.

Reformistische PolitikerInnen behaupteten schon immer, dass der demokratische Staat "uns alle", die ganze Gesellschaft repräsentiere. Deshalb, so ihr Argument, könne der "neutrale Staat" genutzt werden, um die soziale Gleichheit schrittweise zu erreichen. Im Lauf des Konjunkturaufschwungs der 1950er und 1960er, sah es so aus, als ob das stimmen könnte, zumindest in ein paar reichen Staaten. Aber dann schlug selbst in diesen Staaten die Rezession zu. Der zerbrechliche Karren der Gesellschaftsreform begann den Berg, den er zwanzig Jahre lang langsam und mühsam hinaufgeschoben worden war, wieder hinunterzurollen.

In den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts haben die Neoliberalen begonnen, den Staat auf seine wesentlichen Bestandteile zurückzustutzen - Militär, Polizeikräfte, Justiz- und Gefängnissystem, die hohen Staatsbeamten. Kurz gesagt, der Staat ist ein Instrument der Macht in den Händen der Herrschenden - der kapitalistischen Klasse und ihrer Agenten.

Die Neoliberalen möchten die Tötungsmaschinerie unter der Hülle der Legalität und Demokratie verstecken. Weil du deine Stimme alle paar Jahre abgeben kannst, weil gewählte Volksvertreter die Gesetze machen, sollen diese Entscheidungen Ausdruck der "Herrschaft des Volkes" sein. Wo jedoch Völker oder Nationen aus der Reihe tanzen, schreitet der tatsächliche Staat sofort ein, um dem Willen der multinationalen Konzerne mit intelligenten Bomben und Hochtechnologiewaffen Geltung zu verschaffen.

Sobald die AntikapitalistInnen den Protest auf die Strasse bringen, versuchen Robocops uns mit Gummigeschossen, Tränengas, Pfefferspray und scharfer Munition zurückzutreiben. Damit wollen sie uns zurückschlagen, uns Furcht einjagen, uns von Demos fernhalten, uns dahin bringen, dass wir uns ihrer Herrschaft und Ordnung unterwerfen. Aber immer mehr Menschen fangen an zu erkennen, was dieses System wirklich ist.

Die Schlussfolgerung ist hart, aber unausweichlich: Der Kapitalismus kann nicht reformiert werden.

Die demokratischen Vertretungen, die Parlamente und Schwatzbuden, sind nicht die wirkliche Macht in der kapitalistischen Gesellschaft. Hinter ihnen steht der Verwaltungs- und Unterdrückungsapparat, zugeschnitten darauf, das Privateigentum zu verteidigen. Generalität, Polizeichefs, Richter und hohe Würdenträger im Beamtenapparat steuern ihn in enger Verbindung mit der herrschenden Klasse und sind von ihr für diese Aufgabe ausgewählt worden. Sie werden nie Befehle zum Schaden ihrer Blutsbrüder ausführen oder gar den Kapitalismus stürzen.

Selbst wenn die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten eine parlamentarische Mehrheit für eine soziale Revolution gewinnen würden, würde dieser Apparat gegen die legitime Regierung revoltieren und diese und die Arbeiterbewegung zerschlagen. Gegen die Macht der Kapitalisten mit bloßen Händen zu kämpfen, während diese bis an die Zähne bewaffnet sind, ist eine selbstmörderische Strategie. Wir müssen eine Massenbewegung mobilisieren und bewaffnen, den Feind demobilisieren und entwaffnen.

 

Eine andere Macht

Der kapitalistische Staat kann nicht übernommen und benutzt werden, um den Sozialismus einzuführen. Er muss zerbrochen, durch eine Revolution zerschlagen werden. Es gibt nur einen Weg, dies zu tun: durch den Aufbau einer alternativen Macht, einer Macht, die sich auf die demokratischen Räte der Massen stützt, die aus Delegierten bestehen, die direkt von der Arbeiterklasse gewählt werden und die jederzeit abwählbar sind. Nur Organisationen nach diesem Modell können sowohl den Kampf gegen die Ausbeuter organisieren, als auch die Grundlage für eine neue Regierungsform bilden, welche die Gesellschaft anstelle des kapitalistischen Staats neu organisieren kann.

Jedes Mal, wenn solche Räte sich bilden, werden sie von den Bossen angegriffen. Polizei und Armee lösen ihre Versammlungen und Demonstrationen auf, inhaftieren ihre Mitglieder und sabotieren ihre Aktivitäten. Deswegen müssen die ArbeiterInnen neben solchen Arbeiterräten auch Selbstverteidigungsorganisationen bilden - Arbeiter-Schutzgruppen, Wohnviertelpatrouillen, Sicherungstrupps für Streikposten. Wie auch immer sie genannt werden, auch solche Einheiten sind Bausteine einer neuen Gesellschaft, eine verlässliche Arbeitermiliz an Stelle einer unkontrollierbaren Staatsmaschinerie.

Arbeiterräte sind unendlich demokratischer als jedes kapitalistische Parlament, das nur einmal alle paar Jahre gewählt wird und aus Berufspolitikern besteht, die nur ihrer Karriere verpflichtet sind.

Die Räte der Massen tauchen nur unter den Bedingungen einer tiefen gesellschaftlichen Krise auf - ihre Existenz zeigt, dass sich die kapitalistische Gesellschaft in einer Periode der revolutionären Erhebung befindet. Sie führen zu einer Doppelmacht in der Gesellschaft, neben den Machtorganen der Arbeiterklasse existieren noch die kapitalistischen Herrschaftsinstrumente. So eine Instabilität kann nur in die eine oder andere Richtung aufgelöst werden. Entweder die Kapitalisten werden die Macht behalten und die Arbeiterräte auflösen, oder die Räte werden selbst die Macht ergreifen und den repressiven kapitalistischen Staatsapparat auflösen. Damit die Räte an die Macht kommen, muss die Masse des Volkes zum Kampf bereit sein und die RevolutionärInnen müssen einen Aufstand organisieren, um die Ausbeuter zu entwaffnen und sie von der Macht zu vertreiben.

 

Die Verteidigung der Revolution

Der Widerstand der Ausbeuter wird nicht aufhören, wenn sie die Macht in einem Land verloren haben. Jedes bisherige Beispiel einer Revolution zeigt, dass sie sich auf einen Bürgerkrieg verlegen werden und die benachbarten kapitalistischen Staaten drängen werden, ihr "eigenes Land" anzugreifen. Der "Patriotismus" der Kapitalisten ist ein Betrug - er endet sofort, wenn die ArbeiterInnen die Macht übernehmen.

Aus diesem Grunde werden die Arbeiterräte und die Arbeitermilizen eine zentrale Körperschaft brauchen - mit der Aufgabe und auch der Autorität, einen Kampf auf Leben und Tod zu koordinieren. Dies wäre eine Organisation, welche die Macht in der Gesellschaft an sich nimmt und Gewalt anwendet, um das Eigentum der Kapitalisten in die Hände der Klasse zu legen, die die Mehrheit bildet. In diesem Sinne wäre es ein Staat. Er würde existieren, solange er nötig ist, um die Kapitalisten zu bekämpfen.

Jedoch wäre er grundverschieden vom kapitalistischen Staat und seiner Regierung. Er würde von der Mehrheit der Bevölkerung organisiert werden und aus ihr zusammengesetzt sein - statt einer abgeschlossenen Organisation, die über dem Volk oder gegen dieses steht. Er entspräche der Demokratie der Arbeiterräte und würde vom bewaffneten Volk verteidigt werden. Seine gewählten RepräsentantInnen würden den Durchschnittsverdienst des Volkes bekommen; wichtige Verwaltungsposten würden im Rotationsprinzip besetzt, um das Aufkommen einer dauerhaften bürokratischen Schicht zu verhindern.

Für die Kapitalisten wäre das ein ungeheures Desaster: Die Diktatur der Mehrheit über die Minderheit. Aber die ArbeiterInnen hätten nichts von ihr zu befürchten. Dieser Staat würde keinen besonderen Unterdrückungsapparat benötigen, weil er nicht auf der Minderheit der ausbeutenden Klasse beruhen würde. Er würde ein neues gesellschaftliches System schaffen, basierend auf Kooperation und Solidarität anstatt auf Ausbeutung und Konkurrenz.

Je mehr der Kapitalismus durch gesellschaftliche Produktion und Verteilung ersetzt wird, desto mehr wird der Widerstand der Kapitalisten gebrochen werden und die Revolution auf andere Staaten übergreifen. Auf diese Weise würde die Spaltung der Gesellschaft in Klassen überwunden. Ein Gewalt-Organ, selbst ein von der Mehrheit getragenes, würde immer weniger nötig.

Wenn es keine Klassen mehr gibt, bleiben auch keine Elemente des Staates. Wie einer der ersten Kommunisten, Friedrich Engels, es ausdrückte, die "Herrschaft über Personen" würde durch die "Verwaltung von Dingen" ersetzt.

Kann die Gesellschaft wirklich ohne den Kapitalismus funktionieren? Kann es ein sicheres, ein anständiges Leben für die ganze Bevölkerung unseres Planeten geben? Ja - es wird schon heute genug zum Essen und Wohnen, genug Kleidung, Unterricht und Fürsorge für die ganze Menschheit produziert. Eine vernünftige Verteilung der Ressourcen und die Abschaffung verschwenderischer, gesellschaftlich nutzloser Produkte würden die drastische Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit ermöglichen, durch Aufteilung der notwendigen Arbeit auf die gesamte erwachsene Bevölkerung.

 

Weltweite wirtschaftliche Demokratie

Durch eine Rückkehr in die Vergangenheit kann das nicht erreicht werden. Wir können eine globale Wirtschaftsdemokratie nur aufbauen, wenn wir einige der Instrumente nutzen, die der Kapitalismus uns gegeben hat - Wissenschaft und Technik, Methoden der Massenproduktion und -verteilung. Aber diese müssen verändert und weiter entwickelt werden. Ihr Zweck und ihre Funktion müssen sich grundsätzlich wandeln.

Technik und Industrie haben der Menschheit die Möglichkeit gegeben, sich selbst vollständig von der erniedrigenden Schufterei zu befreien. Unbefriedigende, entfremdete Arbeit hat die meisten Menschen von der Nutzung und Entwicklung ihrer kreativen Fähigkeiten in Wissenschaft, Kunst oder Planung abgehalten. Kreativität ist eingeengt und auf das Privatleben beschränkt. Eine demokratische Planwirtschaft jedoch könnte die starre Arbeitsteilung überwinden, die im Kapitalismus besteht. Arbeitsaufgaben könnten verteilt und im Wechsel vergeben werden.

Es wäre sicher gestellt, dass jedes neue arbeitssparende Gerät oder System genutzt würde, die wöchentliche Arbeitszeit zu verringern, anstatt Tausenden den Arbeitsplatz zu vernichten. Auf diese Weise hätten wir Zeit und Gelegenheit zu schöpferischem Tun, zum Erfinden, zur Planung und dazu, sich von der erfahrenen Entmenschlichung durch lebenslängliche Arbeit in einer einzigen Tätigkeit zu befreien.

Dies alles geht nur mit Sozialisierung und demokratischer Planung. Sozialisierung heißt, dass die Produktionsmittel und die Verteilung der Gesellschaft gehören, bzw. unterstehen, und weder den Kapitalbesitzern noch einem bürokratischen Staatsapparat. Trotzdem sollten wir das verstaatlichte Eigentum dem privatisierten vorziehen, solange der Kapitalismus noch existiert. Warum? Weil dadurch alle Fragen von Einstellungen und Entlassungen, der Qualität und der Produkte zu politischen Fragen gemacht werden, die die ganze Gesellschaft betreffen, und nicht nur zu einer Frage eines privaten Vertrags zwischen Unternehmer, Beschäftigten und Kunden. Die Fragen, was produziert wird und warum, ob Waren und Dienstleistungen auf den Nutzen oder den Profit ausgerichtet sind, stehen ganz anders im Mittelpunkt.

Gerade aus diesem Grund ist die Kapitalistenklasse gegen staatliches Eigentum. Sie duldet es nur, um solche Industrien und Dienstleistungen nach Verlusten wieder hochzubringen, die sie unbedingt am Laufen halten müssen. Aber diese nationalisierten Industrien und Dienstleistungen sind nicht "sozialistisch". Sie sind nicht im gesellschaftlichen Besitz. Der Staat, der sie besitzt, ist ein kapitalistischer und er versucht, sie zu zwingen, den langfristigen Profitinteressen zu dienen.

 

Demokratische Planung

Eine Wirtschaft, die demokratisch geplant und in gesellschaftlichem Besitz ist, kann nur von einem Staat aufgebaut werden, der sich auf Arbeiterräte stützt. Wenn Zwang gegen alte Kapitalisten durch das bewaffnete Volk selbst ausgeübt wird und wenn es keinen Privatbesitz an großen wirtschaftlichen Einheiten mehr gibt, dann werden diejenigen "Eigentümer" sein, die produzieren und konsumieren.

Über die Bedürfnisse der Gesellschaft würde nicht mehr der blinde Markt bestimmen. Sie werden durch die ProduzentInnen/KonsumentInnen selbst bestimmt. Anders als in der stalinistischen Sowjetunion hätten wir nicht einen einzigen, monströsen, bürokratischen zentralen Plan, irgendwo beschlossen von einer Kaste privilegierter Bürokraten. Statt dessen hätten wir eine Reihe von auf einander aufbauenden regionalen, nationalen und internationalen Plänen, von denen jeder nach umfassender und öffentlicher Debatte durch die ArbeiterInnen- und VerbraucherInnen-Demokratie beschlossen worden wäre.

Heute läuft die gesamte Weltwirtschaft - Produktion, Handel, Finanz- und Bankwesen - nach den Interessen einer winzigen Minderheit der Weltbevölkerung. Die Weltbank, der IWF, die WTO tanzen alle nach ihrer Pfeife. Diese Institutionen können nicht reformiert oder verbessert werden, sie müssen zerstört und durch etwas grundlegend Anderes ersetzt werden. Die internationalen Cliquen von Bankern und Vorstandsvorsitzenden sowie die parallelen Versammlungen ihrer Politiker tun ihr Äußerstes, um die Weltwirtschaft sowie die Ausbeutung der Völker und Ressourcen der Welt zu dirigieren. Diese "Steuerung" ist alles andere als absolut. Im eigentlichen Sinne kontrolliert oder lenkt niemand wirklich.

Es gibt keine geheimnisvolle "verborgene Hand des Marktes", die für das Wohl aller arbeitet, wie der Lieblings-Ökonom der Kapitalisten, Adam Smith, behauptete. Der Zwang zum Profit gibt dem Kapitalismus eine unkontrollierbare, blinde Dynamik, die in einem irrsinnigen Wettbewerb die Lebensgrundlage von Millionen zerstört, die Umwelt verwüstet und auch Tausende von Unternehmern selbst in regelmäßigen, manchmal katastrophalen, Abschwüngen, Rezessionen und Wirtschaftskrisen ruiniert.

Der Neoliberalismus behauptet stereotyp, "There Is No Alternative" (TINA), also dass es keine Alternative zu diesem System gebe. Dieses Schlagwort sollten wir umbenennen in "Die große Lüge der Globalisierung". Es gibt ein Alternative - sie ist Millionen in der Welt bekannt und seit 150 Jahren der Schlachtruf der revolutionären Kämpfe in jedem Kontinent. Sie heißt Sozialismus.

 

Utopien - reale und eingebildete

"Aber das geht schief!" werden viele entgegnen. "Schau auf Russland, schau nach China. Sie kehren zurück zur Marktwirtschaft, zurück zum kapitalistischen System. Der Versuch, den Markt durch die Planwirtschaft auszuschalten, führte zu chronischem Mangel, schlechter Qualität der Waren, wachsender wirtschaftlicher Stagnation und einer furchtbaren Zwangsherrschaft am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft." Diese Tatsache - der Zusammenbruch der zentralisierten Planwirtschaften der "sozialistischen Staaten" des zwanzigsten Jahrhunderts - erklärt die Zaghaftigkeit der meisten Vorschläge und Programme, die innerhalb der Anti-Globalisierungsbewegung angeboten werden. Wenn dies der Sozialismus war, sagt man, dann wollen wir nichts damit zu tun haben. Das ist verständlich, aber es beruht auf einer grausamen Täuschung. Das war kein Sozialismus.

Sozialismus bedeutet eine Gesellschaft ohne Klassen, die sich stets auf das Ziel einer Gesellschaft ohne Staat hin bewegt, die nach dem Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen" funktioniert. Gemessen an dieser Definition waren die stalinistischen Staaten Millionen Kilometer vom Sozialismus entfernt.

Diese Ökonomien wurden durch die Zentralgewalt einer ungewählten, niemandem rechenschaftspflichtigen und privilegierten Bürokratie kontrolliert, die den Weg zum Sozialismus versperrte und ihren eigenen Frieden mit dem Kapitalismus machte, erst auf der Ebene der internationalen Beziehungen und schließlich mit der Wiedereinführung der kapitalistischen Wirtschaft in den eigenen Staaten.

Es ist keine Überraschung, dass diese Erfahrung viele in der Antiglobalisierungs- und antikapitalistischen Bewegung dazu gebracht hat, die Idee einer zentralisierten Ökonomie insgesamt abzulehnen. Stattdessen schlagen sie eine Vernetzung autonomer dezentralisierter Gemeinschaften vor, in denen das Lokale über dem Globalen steht und gefährliche Formen der Großorganisation aufgegeben werden.

Solche Pläne für die Rückkehr zu einer lokal begrenzten Wirtschaft und Gesellschaft in kleinem Maßstab sind utopisch. Heute wird das Wort Utopie in der antikapitalistischen Bewegung weitgehend positiv gesehen. Das ist, in einer nicht unwichtigen Sichtweise, eine gerechtfertigte Reaktion darauf, dass Blair, Schröder und sonstige ReformistInnen und postmoderne Intellektuelle jegliche grundlegende Umgestaltung der Gesellschaftsordnung mit der Behauptung zurückweisen, diese habe Chaos oder Zwangsherrschaft zur Folge.

Kein Wunder, dass junge Leute diesen Rat der Hoffnungslosigkeit zurückgewiesen haben. Er heißt nichts anderes, als sich mit Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung und deren gnadenloser Steigerung abzufinden. Die sorgfältige Ausarbeitung von Utopien kann neue Antworten auf neue Probleme hervorbringen.

Das Problem besteht darin, dass diese Entwürfe nicht die realen gesellschaftlichen Kräfte (Klassen) zum Ausgangspunkt ihrer Überlegung machen. Die Kräfte, die sich im Rahmen des globalen Kapitalismus im Konflikt befinden, ihre fundamentalen Interessen und Fähigkeiten.

Einige dieser Entwürfe sind rückschrittlich im wahren Wortsinn, weil sie voraussetzen, in die ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Vergangenheit zurückzukehren, bevor der Kapitalismus von der Welt Besitz ergriffen hat. Es gibt keine Möglichkeit zur Rückkehr in die vor-industrielle Gesellschaft - zum Leben als Bauern und Bäuerinnen oder gar als Jäger und Sammler. Diese Rückkehr in die Vergangenheit - von der einige RadikalökologInnen und VulgäranarchistInnen träumen - wäre ein qualvoller Alptraum. Kein Schlag besser ist die "Klein ist schön"-Idee einer "fairen" Marktwirtschaft, basierend auf Klein-ProduzentInnen und Tauschgeschäften. Entweder gäbe es einen Rückfall in absolute Armut oder aber eine Wiederholung der ganzen Menschheitsgeschichte, es entstünden wieder neue große Firmen als ein Ergebnis des Wettbewerbs der kleinen wirtschaftlichen Einheiten.

Ganz abgesehen davon, dass diese alten und unentwickelten Produktionsmethoden nicht die Milliarden Menschen ernähren könnten, die der Kapitalismus während zweier Jahrhunderte geschaffen hat, ist es eine Tatsache, dass die große Mehrheit nicht die meiste Zeit ihres Lebens damit verbringen will, Nahrung zu erzeugen oder Kleidung herzustellen.

Der Einfluss der Ökologiebewegung - an sich eine Antwort auf ein qualitativ "neues" Problem, nämlich die Tatsache, dass das gesamte Ökosystem Schaden nehmen könnte, weil die Menschheit blind die Produktion zu Gunsten der Monopolprofite ausweitet - erzeugte solche Utopien. Aber es sind nicht Industrie, Technik und gestiegener Verbrauch, welche die Menschheit bedrohen. Es ist vielmehr so, dass sie nicht vernünftig und "wirtschaftlich" eingesetzt werden, entsprechend den demokratisch beschlossenen, vorrangigen körperlichen und geistigen Bedürfnissen der "normalen" Menschen.

Kapitalistische Technik und Industrie haben der Menschheit die Möglichkeit in die Hand gegeben, sich von freudloser Schufterei oder Untätigkeit in Armut zu befreien. Nur eine Menschheit mit Zeit zu kreativer Tätigkeit, zum Erfinden und zum Planen, kann sich von der Fetischisierung von Waren befreien, von den Unterschieden, die bisher zwischen den Nationen, den Geschlechtern und den Rassen gemacht werden, und auch von der Staatsmacht. Nur eine wirklich freie Menschheit kann das Ende aller Ausbeutung und Unterdrückung erreichen. Heute beuten uns die gewaltigen interkontinentalen Banken, Konzerne oder Handelsriesen wie Walmart aus. Doch in den Händen der ArbeiterInnen kann mit Hilfe der High-Tech-Kommunikation und von Computern, ein völlig neues System erschaffen werden.

Jeder Schritt vorwärts in Wissenschaft und Technik trägt das Potential in sich, den Anteil an "Frei-"Zeit zu erhöhen und erzwungene Schufterei in schöpferische Aktivität umzuwandeln, zum Nutzen und zum Vergnügen aller Menschen.

Dieses Potential kann genutzt werden, um die irrsinnigen Ergebnisse der kapitalistischen Produktion zu beseitigen - die Beendigung der Überproduktion von Nahrung in Europa und Nordamerika und der Unterernährung in Afrika; den Schiff- und Lufttransport von Produkten, deren Herstellung auch in der Nähe seiner Verbraucher möglich ist; der Umweltvernichtung Einhalt gebieten und die Renaturierung der ökologischen Wüsten, der toten und leergefischten Flüsse und der geplünderten Meere und Ozeane.

 

Eine sozialistische Welt ist möglich

Aber wir müssen die menschlichen und materiellen Mittel in der real existierenden Welt finden. Dazu müssen Ziele definiert und die Mittel, diese zu erreichen, geschaffen werden - demokratische Planung mit dem Ziel die Herstellung und Verteilung so abzustimmen, dass sie den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Nötig ist eine ganze Reihe von Plänen. Alle Informationen über die zur Verfügung stehenden Ressourcen, über die Bedürfnisse der Menschen, über die Auswirkungen auf die Umwelt, werden allen zur Verfügung stehen.

Das Internet und moderne elektronische Kommunikationsmittel werden den Zugang zu Daten immer schneller und breiter machen; die Interaktivität des Mediums würde es zulassen, die Bedürfnisse und Vorlieben eines oder einer jeden individuell zu erfassen und im Plan zu berücksichtigen.

Was lokal entschieden werden kann, wird es auch werden. Die allgemeine Verteilung der Ressourcen und der Austausch von Produkten wird auf einer regionalen oder weltweiten Ebene vor sich gehen.

 

Strategien und Taktiken, die funktionieren

Diese alternative "Vision" erfordert Strategien und Taktiken, um sie zu realisieren. Die kapitalistische Klasse muss gestürzt werden, die Staatsmacht muss ihr komplett aus der Hand genommen werden, sie muss enteignet werden, das Eigentum an Produktionsmitteln muss ihr entzogen werden.

Alle Erfahrung aus der Geschichte zeigt, dass die besitzenden Klassen wie die Tiger kämpfen, um ihren Besitz zu verteidigen. Zu glauben, dass sie sich der Kraft der Argumente oder der Mobilisierung demokratischer Mehrheiten freiwillig beugen werden, ist Unfug. Es wird das Argument der Stärke nötig sein: eine Demokratie, bewaffnet nicht nur mit Mehrheiten, sondern auch mit Waffen ist notwendig.

Generell müssen alle Methoden des Kampfes von Beginn an revolutionär sein, auf die Zerstörung der gesamten ökonomischen und staatlichen Macht der Kapitalistenklasse, sowohl in den G7 als auch den G77 Staaten, beruhen. Vor, während und nach dieser Revolution müssen Organisationen aufgebaut werden, die für die Kontrolle über die Wirtschaft kämpfen und für die Zerstörung der kapitalistischen Staatsmacht - Organisationen, die dann selbst zu Fundamenten der neuen Gesellschaft werden.

Ohne diese werden die Pläne zur Schaffung einer wirklich demokratischen Wirtschaft und Gesellschaft dazu verdammt sein, im Reich des Traums oder Skizzen auf Papier zu bleiben - utopisch im schlechtesten Sinne des Wortes. In der wirklichen Welt werden sie schlicht und einfach zu Enttäuschung und Desillusionierung führen. Nur eine massenhafte Volksrevolution, die sich von ersten Erfolgen zur Weltrevolution ausbreitet, ist in der Lage zu siegen. Antikapitalismus - wenn er nicht zu einer leeren Phrase werden soll - muss heißen, einen Krieg zu führen um die Enteignung aller multinationalen Konzerne, der Riesenbanken, aber ebenso der mittelgroßen, "nationalen" Unternehmen.

Nur mit diesen Mitteln kann die wirtschaftliche Macht, die Macht auf der Ebene der Produktion und der Verteilung, in die Hände der ArbeiterInnen, armen Bauern und Bäuerinnen und der Armen der Städte gelegt werden. Nur auf diese Weise kann die Kontrolle über die kapitalistische Klasse auf dem höchsten Niveau konsolidiert werden, dem Niveau, das ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, auf dem Höhepunkt ihres Kampfes erreicht haben, und dies zur Basis einer neuen Form der Produktion und Verteilung insgesamt werden. Die entscheidende Kraft in einer solchen Revolution sind die LohnarbeiterInnen und ihre natürlichen Verbündeten, die armen und landlosen Bauern und Bäuerinnen. Diese Klassen in ihrer Milliardenstärke - die große Mehrheit der Menschheit - sind die einzigen Menschen ohne tiefe Bindungen an die kapitalistische Gesellschaft.

 

Aus der Erfahrung lernen

Während unsere Ziele und die Methoden des Kampfes revolutionär sein müssen, muss der Weg des Kampfes so angelegt sein, dass die Millionen ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, die Jugendlichen, die unter der Ausbeutung und Unterdrückung des Kapitalismus leiden, aber die noch nicht die Notwendigkeit einer Revolution einsehen, dies aus eigener Erfahrung lernen können.

Gemeinsam können wir für Maßnahmen kämpfen, die die Forderungen erfüllen, die uns täglich auf den Nägeln brennen: die Streichung der Schulden, ein Ende der Privatisierung lebenswichtiger Dienstleistungen, ein Lohn, der zum Leben reicht, gleiche Rechte für alle. Aber in diesem Kampf müssen wir den wirklichen Feind benennen. Wir müssen die heutige Antiglobalisierungs- und anti-kapitalistische Bewegung dafür gewinnen, von ihrer ängstlichen Zurückhaltung in der Frage des Eigentums an Industrie, Handel und Verkehrswesen wegzukommen. Wir müssen darüber hinaus gehen, den Millionären unseren Hass zu erklären, wir müssen darüber hinausgehen, Entwürfe einer von ihnen unabhängigen Gesellschaft nur zu erträumen.

Eine alternative Gesellschaft kann nicht hinter dem Rücken der alten entstehen. Sie kann nicht mit den geringen Ressourcen entstehen, die AntikapitalistInnen, ArbeiterInnen, arme Bauern und Bäuerinnen heute besitzen. Das Eigentum der Großkonzerne ist das Ergebnis unserer Arbeit. Ihm den Rücken zuzukehren und mit den Überbleibseln unserer kargen Löhne wieder von vorne anzufangen, ist lächerlich. Wir werden mit dem Aufbau einer neuen Gesellschaft nie Erfolg haben, solange sie allen Reichtum und alle Macht besitzen. Wir müssen sie enteignen!

Heute, in der Zeit der Globalisierung, müssen wir von Anfang an genauso international wie lokal kämpfen. Die Arbeiterklasse - als Klasse der ProduzentInnen und KonsumentInnen - muss kämpfen, aber weniger als früher für "staatliche Eingriffe" und "Verstaatlichung", sondern vielmehr für eine wirkliche Vergesellschaftung - für kollektives, demokratisch kontrolliertes gesellschaftliches Eigentum, verwurzelt an jedem Arbeitsplatz, horizontal erweitert auf jedes nationale, internationale oder multinationale Unternehmen.

Zu einer solchen Methode muss die Aufstellung von Notplänen gehören, um die Arbeitslosigkeit, die Unsicherheit und schlechte Bezahlung vieler Jobs abzuschaffen, die Wiederherstellung oder Schaffung sozialer Einrichtungen sicher zu stellen, die verwüstete "Zweite Welt" (der ehemaligen stalinistischen Staaten) wieder aufzubauen, auf nachhaltige Weise die Dritte Welt zu entwickeln, die Umwelt zu retten, die durch den Kapitalismus geschädigt wird.

Wir müssen soziale Grundrechte erkämpfen: das Recht auf bezahlte Beschäftigung, für ein Einkommen in einer Höhe, die jeder einzelnen Person einen anständigen Lebensstandard ermöglicht, ohne Diskriminierung nach Alter, Geschlecht oder ethnischer Abstammung.

Der Schritt hin zu gemeinsamen Aktionen über Grenzen hinweg gegen die multinationalen Konzerne, Finanzinstitutionen und Versammlungen der Regierungen, die ihnen dienen, ist unermesslich fortschrittlich. Aber diese Aktionen müssen auch Wurzeln in den Fabriken, Büros und Schulen und auf der Strasse schlagen.

Die Tendenz zur internationalen Organisation schafft neue, günstige Bedingungen, die nationalen Arbeiterbewegungen zu erneuern, die harte Niederlagen hinnehmen mussten und als Folge davon Mitglieder und Macht verloren. Wir sollten jetzt vorangehen, um dieser Art internationaler und interkontinentaler Solidarität einen bewussten und militanten Ausdruck zu geben, dieser Solidarität zwischen ArbeiterInnen aus so verschieden Ländern wie Kolumbien, Deutschland, Bolivien, Russland, Südkorea und Indonesien.

Eine unmittelbare Klassen-Interessengemeinschaft kann entstehen, zwischen ArbeiterInnen aus den imperialistischen Staaten einerseits, die versuchen, Arbeitsplätze zu retten, die in Billiglohngebiete verlegt werden sollen, und ArbeiterInnen in genau diesen Staaten anderseits, die mit erbärmlich niedrigen Löhnen und brutaler Unterdrückung von Gewerkschaftsaktivität geschlagen sind. Das ist eine enorme Herausforderung: die Gewerkschaften in den imperialistischen Staaten müssen ihre protektionistischen Slogans (Embargos, hohe Zölle etc.) vollständig fallen lassen und statt dessen bedingungslose finanzielle Unterstützung für die ArbeiterInnen der Halbkolonien als auch in den früheren stalinistischen Staaten anbieten, die für ihre gewerkschaftlichen Rechte und höhere Löhne kämpfen.

Nur auf dieser aktiven internationalistischen Basis können Verbindungen innerhalb der multinationalen Konzerne oder zwischen ArbeiterInnen in ähnlichen Industrien geknüpft werden, wenn sie zum Streikbruch aufgefordert werden oder gegeneinander ausgespielt werden sollen.

Diese Verbindungen können und müssen nicht nur zwischen den offiziellen Gewerkschaften, sondern auch - und das ist das wichtigste - auf Arbeitsplatzebene zwischen ganz normalen ArbeiterInnen aufgebaut werden. Dies kann effektiv nur um eine immer klarer werdende anti-kapitalistische Strategie herum geleistet werden.

 

Anti-Rassismus

Der Versklavung von Millionen AfrikanerInnen vom 17. bis ins 19. Jahrhundert gab der kapitalistischen Entwicklung massiven Auftrieb. Sie war aber auch die Geburtsstunde des modernen Rassismus. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA in den 1960er Jahren, wie auch die anti-kolonialen Befreiungskämpfe der letzten 50 Jahre, waren immense Schläge gegen den offiziellen Rassismus. Der Sturz der Apartheid in Südafrika zerstörte beinahe den letzten Staat, der ausdrücklich auf den Lehren von rassistischer und ethnischer Überlegenheit beruhte.

Eine mächtige Gewerkschaft und eine breite Volksbewegung erreichten diesen Sieg und fuhren fort, auf soziale und ökonomische Gleichheit zu drängen - Ziele, die der Mehrheit der schwarzen Arbeiterklasse durch die Bedingungen der endgültigen Regelung verweigert wurden. Diese südafrikanischen Gewerkschaften und Bewegungen sind eine wichtige Kraft in der wachsenden antikapitalistischen Bewegung. Eine Reihe verbundener Gewerkschaften und demokratischer Bewegungen haben in Ländern wie Nigeria, Elfenbeinküste und Simbabwe zur Schwächung oder zum Zusammenbruch von Ein-Parteiensystemen oder Militärregimes geführt. Es gab auf dem Kontinent ein schnelles Wachstum von Volksbewegungen.

Zur gleichen Zeit zeigt die ökonomische Ausbeutung des Kontinents, seine Versklavung durch Schuldenrückzahlungen an die Banken und internationalen Finanz-institutionen und die Ausnutzung der grausamen Seuche AIDS durch internationale Pharmakonzerne, dass diese Bewegungen noch eine Menge vor sich haben.

Die Einwanderungswellen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und seit 1989, aus Osteuropa in die NAFTA- und EU-Staaten haben zu einem Ausbruch des Rassismus geführt, sowohl von Seiten der Staaten als auch von populistischen und faschistischen Kräften. Während der globale Kapitalismus Kapital überall dahin exportieren will, wo er auch den höchsten Profit erzielen kann, während er Rohstoffe sowie qualifizierte und angelernte Arbeitskräfte nach Hause importieren will, ist er nicht gewillt, die "freie Bewegung der Arbeitskräfte" als Ergänzung eines "freien Kapitalverkehrs" zu gewähren.

Wir sollen und müssen in unserem Kampf gegen Rassismus und Verfolgung für die Abschaffung der ganzen Bandbreite der Ausländergesetze eintreten, welche die Gesetzbücher so vieler kapitalistischer Staaten füllen.

 

Frauen und Kinder setzen sich zur Wehr

Frauen sind durch die Globalisierung immer mehr in die Produktion einbezogen worden. An und für sich ist das eine positive Tatsache, insofern als dadurch auch neue potentielle Freiheitskämpferinnen in den Kampf hineingezogen werden. Doch wie immer macht der Kapitalismus dies nicht, damit es den Arbeiterinnen besser geht.

Er tut es, weil er glaubt, dass Frauen für weniger Lohn arbeiten werden und dass sie auch weiterhin gratis nach den Kindern und dem Haushalt schauen. Der Kampf um wirkliche Gleichberechtigung ist nichts ohne den Kampf für kostenlose und sichere Abtreibung, für Empfängnisverhütung und für soziale Einrichtungen wie Kindergärten für alle.

Dadurch kann die Doppelbelastung der Frauen - Arbeit am Arbeitsplatz und Arbeit zu Hause - vermindert werden. Allerdings muss dieser Kampf Teil des Kampfes gegen den globalen Kapitalismus werden.

Wie im 19. Jahrhundert in Europa ist der globale Kapitalismus heute nur allzu bereit, Kinderarbeit zu nutzen, um Superprofite zu erzielen. Arbeit in Sweat-Shops ist einmal mehr zu einem großen Thema geworden, da Bekleidungsindustrie, Elektronik und Agrobusiness Milliarden damit verdienen.

Eine Bewegung hat sich sowohl unter den Sweat-Shop-ArbeiterInnen selbst, auch unter GewerkschafterInnen und Jugendlichen entfaltet, um diesen Kampf vereint über alle Kontinente hinweg zu führen. Diese Bewegung hat auch GewerkschafterInnen der "Ersten Welt" mit einbezogen und sie teilweise vom protektionistischen Ansatz vergangener Tage weggebrochen. Die unmittelbaren Antworten auf diese miteinander verbundenen Probleme sind: ein unverzügliches weltweites Verbot der Kinderarbeit, ein anständiges Lohnminimum für Sweat-Shop-ArbeiterInnen, kostenloser Schulbesuch für Grund- und weiterführende Schulen für alle Kinder, das Recht sich in Gewerkschaften zu organisieren sowie volle demokratische und Bürger-Rechte für alle.

 

Kampf gegen Unterdrückung und Militarismus

Seit 1989 haben immer mehr unterdrückte Nationen, rassische und ethnische Minderheiten sowie eingeborene Völker, die Freiheit von Unterdrückung und Bevormundung gefordert. Völkergefängnisse, wie etwa die UdSSR oder Indonesien, sind zerbrochen oder sind dabei. Zwang und nationale Unterdrückung stehen der internationalen Solidarität im Weg.

Die Arbeiterklasse, die Jugend und die Volksmassen der unterdrückenden Nationen müssen für die Unterdrückten Partei ergreifen. Sie müssen für das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung eintreten - einschließlich ihres Rechts, eigene Staaten zu bilden.

Aber in einer Zeit, in der kleine Staaten noch mehr der Gnade und Ungnade der Megakonzerne, der Supermacht USA und ihrer Verbündeten und Agenten ausgeliefert sind, müssen wir den Kampf für regionale und kontinentale Föderationen von Staaten führen, unter einer Regierung der Arbeiterklasse und der armen Landbevölkerung.

Die Arbeiterklasse - v.a. die ArbeiterInnen in den imperialistischen Staaten selbst - haben die Pflicht zur Unterstützung des Widerstands aller halb-kolonialen Länder gegen das Diktat Washingtons und der sonstigen Weltmächte, sogar wenn ihre Regimes, wie im Irak, brutale Diktaturen sind.

Um was in diesem Konflikt geht, ist nicht das politische Regime, sondern die absolute Unterordnung des Landes gegenüber dem Imperialismus. Die USA, England, Frankreich unterstützen ebenfalls grausame Diktaturen in Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Deren Herrschende verbringen die meiste Zeit in Paris, London und New York, wo die Chefs der 'Demokratien' der Welt sie hofieren. Ihre Staaten - wie Katar - werden gerade zu "sicheren Häfen" vor antikapitalistischen DemonstrantInnen gegen WTO- und IWF-Konferenzen ausgebaut. Auch ein Beispiel für ihre Art von Demokratie.

Zur gleichen Zeit müssen wir den Militarismus der imperialistischen Regierungen verschärft bekämpfen. Dieser hat die Form der Entsendung von Truppen in Regionen wie den Golf oder den Balkan angenommen, um die kapitalistische Ordnung zu stützen. Ihre "friedensschaffenden" oder "friedenssichernden" Interventionen haben weder Friede noch Demokratie gebracht, geschweige denn Wohlstand. Wir alle müssen für den Abzug der Truppen der Großmächte aus denjenigen Ländern kämpfen, die sie direkt unterdrücken.

Mit Bush junior im Weißen Haus taucht noch eine weitere Bedrohung wieder auf - das nationale Weltraum-Raketenabwehrsystem, dass die großen Rüstungsmultis und ihre Lobbyisten durchgesetzt haben, um ihre Profite hoch zu halten. Auch wenn es technisch nicht funktioniert und dadurch ein politischer und militärischer Konflikt mit China und Russland droht, Busch bezahlt damit für die Unterstützung derer, die ihm ins Weiße Haus geholfen haben - in Form von Verträgen für Forschung und Waffenentwicklung.

Die AntikapitalistInnen müssen gegen die reale und wachsende Bedrohung für den Frieden durch die weitere Militarisierung des Weltraums zu Felde ziehen. Dessen einzige Funktion ist es, die Fortsetzung der Vorherrschaft der USA als einziger Supermacht der Welt zu garantieren - mit den tödlichsten Mitteln, die vorstellbar sind.

Das muss durch breite Proteste und Aktionen der Arbeiterklasse verhindert werden, bevor diese Systeme installiert sind!

 

Freihandel, fairer Handel oder geplanter Handel?

Wir sind für geplanten gesellschaftlichen Tausch statt "Freihandel". Die WTO hat ein einziges Ziel: Ausweitung der Globalisierung der Konzerne auf Kosten der ArbeiterInnen und LandarbeiterInnen in "Nord" und "Süd". Aus diesem Grunde muss sie zerstört werden - nicht reformiert.

Noch ist die WTO fest zu einer neuen Runde der Expansion entschlossen. Ihre Zusammenkunft, die in Katar vom 9. -13. November 2001 abgehalten werden soll, findet unter dem zynischen Titel "Entwicklungsrunde" statt.

Die großen Konzerne, wie auch die G7-Regierungen wollen, dass die WTO Richtlinien beschließt für staatliche Beschaffung, Nahrung und Wasser, Energieversorgung, staatliche Sozialleistungen, Erziehung, Gesundheit und Sicherheit, genetisch veränderte Organismen und nachhaltigen Umweltschutz.

In allen diesen Bereichen wollen sie Regelwerke anstreben, die Regierungen zwingen sollen, Privatkapital in diesen Bereichen zuzulassen. Die Durchsetzung von Freihandelsregelungen in diesen Bereichen untergräbt den Kampf der Gewerkschaften und der Umweltorganisationen, die öffentliches Eigentum oder Schutzregeln zur Begrenzung der zerstörerischen oder unmenschlichen Auswirkungen von ungezügeltem Unternehmertum benutzen wollen.

Die "Allgemeinen Vereinbarung über den Handel von Dienstleistungen" (GATS) ist in diesen Bereichen eine besondere Bedrohung. Es darf keine Einschränkung für die Regierungen und Völker geben, wenn sie Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit, der sozialen Sicherheit, der öffentlichen Dienste sowie der Umwelt ergreifen wollen.

Wir müssen der Patentschutzpolitik der Konzerne ein Ende machen. Saatgut, Arzneien, die Forschungsergebnisse bei Pflanzen-, tierischer und menschlicher Genetik müssen den Bedürfnissen aller Menschen dienen, nicht den Gewinnen der Multis. Patentierung von Lebensformen, einschließlich Mikroorganismen, muss verboten werden. Wichtige Medikamente und sonstige Waren müssen für jene gratis zur Verfügung gestellt werden, die sie dringend brauchen - besonders für Menschen mit AIDS.

 

Landwirtschaft

Das Landwirtschaftsabkommen subventioniert die industrielle Landwirtschaft, während die Kleinbauern/Bäuerinnen unter der Importliberalisierung leiden, die ihnen Broterwerb und Einkommen vernichtet. Alle Subventionen für die exportorientierte Agrarindustrie in Europa und Nordamerika müssen beendet werden. Sie dürfen nicht länger ihren Produktionsüberschuss in Afrika, Lateinamerika und Asien zu Dumpingpreisen abkippen.

Die halb-kolonialen Staaten müssen die Freiheit haben, ihr Volk in einer Weise zu ernähren, die ihre eigene Nahrungsmittelproduktion ausbaut, die Beschäftigung sichert und verhindert, dass die enteigneten Bauern und Bäuerinnen und die LandarbeiterInnen in die Slums der wachsenden Mega-Städte strömen.

Nur auf diese Weise können diese Staaten "Nahrungssouveränität und Sicherheit" erlangen, können sie Kleinbauern und -bäuerinnen zur Gründung von Kooperativen ermuntern und zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die nicht die Umwelt zerstört.

Das Abkommen zu "Handelsbezogenen Investitionsmaßnahmen" (Trade Related Investment Measures, TRIMS) der WTO muss auf den Müll. Die Staaten der Dritten Welt müssen das Recht haben, lokal erzeugte Waren zu bevorzugen, um ihre eigenen Produktionsbranchen zu entwickeln. Das WTO-Streitbeilegungsverfahren erzwingt undemokratische und unfaire Regelungen, es maßt sich selbst die legislative Rolle der Nationen der Dritten und Zweiten Welt und der Kommunalverwaltungen an.

Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, wie auch die regionalen Entwicklungsbanken überwachen die sogenannten Strukturellen Anpassungsprogramme, die den Staaten der Zweiten und Dritten Welt Handelsliberalisierung aufzwingen. Die ArbeiterInnen in den Industrienationen müssen das entlarven und gegen die Handlungen "ihrer" Regierungen auf diesem Gebiet zu Felde ziehen. Das Ziel muss sein, sie zu zwingen, 100% der Schulden dieser Staaten zu streichen.

Statt dessen müssen große Schadensersatzfonds für die Ausbeutung der Vergangenheit von den großen Banken und Unternehmen bezahlt werden, eingefordert von Arbeiterinspektionen und verwaltet unter Arbeiterkontrolle. Mit diesen Fonds können die Probleme der Armut beseitigt werden, die aber - zur Vermeidung von Korruption durch die Eliten - von den Organisationen der ArbeiterInnen, der Bauern und Bäuerinnen der Dritten Welt kontrolliert werden müssen. So kann begonnen werden, Probleme der Entwicklung, Gesundheit und Erziehung zu lösen.

Jedoch: ein nachhaltig ökologisches, wirtschaftlich angemessenes, sozial gerechtes und demokratisch verantwortliches Handelssystem kann unter der Weltherrschaft des Konzernkapitals nicht zustande kommen.

Nur gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln kann zu einem wirklich demokratisch geplanten Waren- und Dienstleistungsaustausch weltweit führen. Jedoch werden die Kämpfe zur Erreichung einiger oder aller dieser Ziele, Millionen die Augen für den neoliberalen "Freihandels"-Sturmangriff auf die Armen öffnen und zugleich ein gutes Training für die Übernahme der Weltwirtschaft aus den Händen der Milliardäre und der Megakonzerne in unsere Hände sein.

 

Internationale Solidarität

Solidaritätsaktionen sind zu einem lebendigen Bestandteil jedes effektiven Kampfes in der Ära des globalisierten Kapitals geworden. Die internationalen Aktionen zur Unterstützung der Liverpooler Docker 1996/97, die jüngsten Versuche, den Widerstand der AutomobilarbeiterInnen gegen Fabrikschließungen zu koordinieren, und auch die europaweiten Aktionen gegen Kündigungen und Schließungen bei Marks&Spencers' - müssen bei jedem neuen Kampf vom ersten Tag an wiederholt werden.

Das Gleiche gilt, wenn die Arbeiterbewegung eines Landes der Zweiten oder Dritten Welt gegen die Strukturellen Anpassungsprogramme des IWF oder gegen die Anordnungen der WTO aktiv wird: sie brauchen die Unterstützung aus den Gewerkschaften der Ersten Welt. Entschiedene und schnelle Solidaritätsaktionen sind notwendig, wo immer Gewerkschaften von ihren nationalen Regierungen bedrängt werden. Eine anwachsende Welle von Solidaritätsaktionen wird nicht nur eine neue und bewusste internationale Identität in der Weltarbeiterklasse schaffen, sie wird den Konzernchefs und Politikern auch signalisieren, dass die Zeit der Bescheidenheit, des Verzichts, der Privatisierungen und der Deregulierung zu Ende ist.

 

Den Antikapitalismus stärken

In der Antiglobalisierungsbewegung sollte der revolutionäre linke Flügel für eine Reihe von Schlüsselforderungen kämpfen, um den Kampfgeist der Bewegung zu stärken und eine Massenbasis unter den ArbeiterInnen, Jugendlichen, Armen und Unterdrückten aufzubauen.

Wir schlagen folgendes vor:

• Kampf der "Spirale nach Unten" durch die Globalisierung der Konzerne. Statt dessen Angleichung der Arbeits- und Umweltbedingungen, der sozialen- und Menschenrechte an das höchste bisher erreichte Niveau. Eine Kampagne, um die großen Konzerne, die Nationalstaaten, die regionalen Blöcke und die internationalen Finanzautoritäten zu zwingen, den Forderungen nach Mindeststandards zuzustimmen - eine Charta für Arbeitsrecht, Arbeitsbedingungen, Mindestlöhne, Sozialstandards, Gewerkschaftsrechte und demokratische Rechte.

• Gründung einer internationalen Kommission, die den Prozess der Globalisierung untersucht und darstellt, unter Einbeziehung von Fachleuten der Gewerkschaften, der NGOs, der politischen und sozialen Bewegungen. Diese sollen sich auf Berichte stützen, direkt von ArbeiterInnen an der Basis, von Bauern und Bäuerinnen, von den städtischen Armen wie von den eingeborenen Völkern über ihre Ausbeutung und Unterdrückung. Die Verbreitung der Untersuchungsergebnisse über alternative Medien, das Internet, unabhängige und lokale Radiosender, unabhängige Fernsehprojekte und Zeitungen wird neue Kämpfe entfachen und die Netzwerke der Solidarität verbreitern.

• Öffnet die nationalen und internationalen Foren, in denen die Entscheidungen bisher wirklich getroffen wurden, der Einsichtnahme durch RepräsentantInnen der ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, Kommunen und so weiter. Wir müssen für das Recht kämpfen, auf die Computeraufzeichnungen der Banken und Multis zugreifen zu können. Das wäre nicht nur ein Frontalangriff auf das Geschäftsgeheimnis, sondern würde auch InformantInnen aus den "geheimen Festungen" der Konzerne sowie Internet-HackerInnen von außen ermutigen und bestärken.

• Setzt gemeinsame Sicherheits-, Sozialleistungs- und Ausbildungsstandards in multinationalen Konzernen über Gewerkschaften in allen Ländern durch, in denen sie tätig sind. Wir brauchen eine Charta der Rechte und Arbeitsbedingungen. Wir müssen unsere Aktionen koordinieren, um das durch die Gewerkschaften und ihre lokalen und internationalen Verbündeten zu erreichen.

• Widerstand gegen Schließungen und Verlagerungen durch Megakonzerne durch internationale Kampagnen der direkten Aktion, um sie zu stoppen. Startet politische Kampagnen für die ihre sofortige Enteignung ohne Schadenersatz, wenn sie sich weigern, die Forderungen der ArbeiterInnen zu erfüllen.

• Entlarvt die Beeinflussung der lokalen, der nationalen und der Weltpolitik durch die großen Konzerne - Mafia-Kapitalismus in großem Stil. Wir müssen den Kauf der Regierungen und Gemeindeverwaltung auf legalem Wege (Lobbyarbeit) und illegale Weise (Korruption) durch das Großkapital aufdecken. Wir müssen die Parteien bloßstellen, die mit Konzerngeld gekauft werden und aufzeigen, welche Spenden und Geschenke sie von den Superreichen und vom Großkapital bekommen. Wir sollten dafür kämpfen, dass die Arbeiterorganisationen und die Organisationen der armen Landbevölkerung sich von solchen Parteien trennen und neue Parteien aufbauen, die den Interessen der ArbeiterInnen und armen Bauern und Bäuerinnen verpflichtet sind und dass sie auf direkte Massenaktionen setzen, nicht auf Wahlen. Nutzt die Wahlen, nicht um die Illusion verbreiten, dass der Kapitalismus reformiert werden kann, sondern um unsere Forderungen zu popularisieren.

• Wir fordern das Recht auf Arbeit, lehnen jedoch jede Form der Zwangsarbeit ab, die den Arbeitslosen Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen aufzwingt. Für sichere, dauerhafte Arbeitsplätze, die gesellschaftlich, kulturell und ökologisch nützlich sind. Für eine unverzügliche, allgemeine und massive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, ohne Flexibilisierung oder "Langzeitkonten". Für das Recht auf eine Altersrente in Höhe des durchschnittlichen Lohns.

• Umfassender Widerstand gegen jede Form von Gelegenheitsarbeit, gegen aufgezwungene Teilzeitarbeit und unsichere Arbeitsplätze. Gleicher Lohn und gleiche Rechte für Männer und Frauen. Totaler Widerstand gegen jede Form der Diskriminierung, die den gleichberechtigten Zugang von Frauen zu Arbeitsplätzen und Gehältern verhindert.

• Freier Zugang zu allen wesentlichen Dienstleistungen, bezahlt aus einer Reichtumssteuer. Freie Gesundheitsfürsorge für alle; billige, qualitativ hochwertige staatliche oder kommunale Wohnungen - garantiert von Staat oder Gemeinde - kostenlose Bildung und Weiterbildung für alle.

• Ausbau der Infrastruktur der Gesellschaft - Verkehr, Energieversorgung, Gas, Wasser und Kommunikationsmittel - durch massive öffentliche Investitionen, bezahlt durch Besteuerung der Reichen. Jede Entwicklung muss unter der Kontrolle der ArbeiterInnen und armen Bauern und Bäuerinnen demokratisch geplant werden, damit sichergestellt ist, dass sie nachhaltig und zum Nutzen aller ist.

• Für das Recht auf eine faire Justiz; kostenloser Zugang zum Gesetz; RichterInnen müssen vom Volk gewählt werden; für eine Jury (Schöffen) aus gewählten VertreterInnen der Arbeiterklasse in Strafgerichtsverhandlungen.

• Für die volle Bewegungsfreiheit von Menschen und die Aufhebung von Beschränkungen von Wohnsitz und Arbeit auf Grund von Nationalität oder Staatsangehörigkeit. Totale Opposition gegen die Ausbeutung von eingewanderten ArbeiterInnen, Jugendlichen und Kindern durch "Schwarzarbeit".

• Wir müssen die Medien für die Massen öffnen. Eine neue Waffe des Kampfes ist schon von unten geschaffen worden: die Bewegung der unabhängigen Medien in der Ersten Welt, wie auch die Medien der Gewerkschaften, bäuerlichen Organisationen und Gemeinschaften der Dritten Welt. Wir müssen sie über das Internet verbinden und einen Kampf für die Entlarvung und Übernahme der Medienkonzerne der Murdochs und Berlusconis starten. "Medien für Millionen nicht für Millionäre" muss unser Schlachtruf sein.

• Kampf für eine geplante, umweltverträgliche und nachhaltige Entwicklung der "zweiten" und "dritten" Welt. Solange die Mehrzahl der Menschheit kein reines Trinkwasser hat, keine sanitären Einrichtungen, keinen Stromanschluss, keine Gesundheitsversorgung und keine Schulbildung, ist es reine Arroganz, vom "Einfrieren der Entwicklung" oder "wirtschaftlichem Nullwachstum" zu sprechen. Wir können den Lebensstandard der Reichen senken. Wir können die enorme Verschwendung des Konsumwahns in den imperialistischen Volkswirtschaften verringern. Wir können enorme Einsparungen erzielen, wenn wir die Verschwendung verringern, die durch die blinde Produktion für den Profit entsteht.

•Aber wir müssen die Lebensbedingungen des Großteils der Menschheit auf ein lebenswertes Niveau anheben, das sie selbst bestimmen. Wir können das nur tun, wenn wir es zum geplanten Ziel der ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, Arbeitslosen und Unterbeschäftigten in aller Welt machen.

• Stoppt die Erderwärmung, die zu einer wirklichen Bedrohung für die Zukunft der Zivilisation geworden ist. Für eine geplante weltweite Abkehr von der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen. Allen dadurch entlassenen ArbeiterInnen muss neue Arbeit in anderen, umweltverträglichen Bereichen gegeben werden. Enteignung der Öl-, Automobil- und Weltraumindustrien unter Arbeiterkontrolle und ohne Schadenersatz. Für massive Ausgaben für alternative, sichere Energiequellen - Solar-, Wind- und Wasserenergie. Für den massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, um die Abhängigkeit vom privaten Auto zu verringern.

• In der Landwirtschaft müssen wir der Vorherrschaft der großen Agrarkonzerne und dem Landbesitz der Reichen ein Ende bereiten. Überproduktion für einen unbekannten Markt ist eine fürchterliche Verschwendung von Ressourcen - eine Ursache für Nahrungsmittelberge in Europa und den USA sowie Hungersnot in Afrika und Asien. Die Landwirtschaft muss dem Wohlergehen der Menschheit in ihrer natürlichen und sozialen Umgebung insgesamt dienen. Statt der Profiterwartungen der Aktionäre der Agrarmultis - der Chiquitas und Monsantos - muss die Landwirtschaft gesellschaftliche Ziele erfüllen: Bereitstellung von genug Nahrung für alle, Beendigung von Hungertod und Mangelernährung, massiven Missernten und selbstgemachten Krankheiten (BSE usw.). Die Landwirtschaft muss geplant werden, um Beschäftigung für einen beträchtlichen Teil der Landbevölkerung der Welt sicher zu stellen, zuzüglich derer, die vom Land vertrieben wurden. Wir müssen die verwüstete natürliche Umwelt wieder herstellen und die biologische Vielfalt als einen Schatz für kommende Generationen bewahren.

• Beendet die Schulden-Sklaverei - Entschädigung des Südens für die jahrhundertelange Plünderung ihrer natürlichen und menschlichen Ressourcen. In den G7 Staaten müssen wir für die bedingungslose und vollständige Streichung der Schulden aller Staaten Lateinamerikas, Afrikas, Süd- und Ostasiens kämpfen. Dies ist kein Geschenk, sondern nur ein erster Schritt der Entschädigung für die Ausbeutung, die sie in den letzten 200 Jahren erlitten haben. In diesen Staaten selbst müssen wir dafür kämpfen, dass die eigenen Regierungen die Schulden nicht anerkennen.

 

Freihandel?

Weder Freihandel noch Schutzzollpolitik können die Bedürfnisse menschlicher Wesen und ihr Wohlbefinden auf dieser Welt sichern. Solange der Kapitalismus existiert, sind wir gegen jede Schutzzollpolitik der entwickelten Staaten gegen die Produkte des Südens der Weltkugel. Da ist der freie Handel eher das kleinere Übel. Die Antwort auf die Unternehmer, welche den Vorteil "billiger Arbeitskraft" in der Zweiten und Dritten Welt nutzen, ist nicht, ihre Waren durch Zollbarrieren fernzuhalten, sondern gewerkschaftlichen und demokratischen Druck einzusetzen, um die Löhne zu erhöhen und die sozialen Bedingungen in diesen Staaten auf das Niveau der Ersten Welt zu heben. Vor allem anderen bedeutet das die Verteidigung des Rechtes auf Gründung von Gewerkschaften und politischen Parteien, um für diese Ziele zu kämpfen. Jedenfalls sollten wir uns der erzwungenen Öffnung der Märkte der Zweiten und Dritten Welt für die großen Banken und Konzerne der Ersten Welt entgegen stellen. Für diese Staaten verteidigen wir das Recht, ihre Wirtschaft zu schützen. Das beste Mittel dazu wäre ein demokratisch organisiertes staatliches Außenhandelsbüro.

• Beendet die Privatisierung sozialer Einrichtung, wo auch immer sie noch staatlich betrieben werden. Wir müssen diese Dienste verteidigen und auf Kosten der Reichen ausbauen.

• Lasst uns eine neue Form der Demokratie aus den heutigen Kämpfen heraus aufbauen - zerstören wir die Herrschaft der Kapitalisten über die Wirtschaft und die Gesellschaft (den Staat). Um das zu erreichen, benötigen wir Arbeiter- und Bauernräte, Generalstreiks, Landbesetzungen, Milizen, Aufstände und die Etablierung der Rätemacht.

• Zerschlagt den Unterdrückungsapparat des kapitalistischen Staates! Auflösung der Polizei, der Armeeführung und der Spitzen der zivilen und staatlichen Bürokratien, der Geheimpolizei und Spionagenetzwerke. Alle Macht in die Hände der Arbeiter- und Bauernräte und des bewaffneten Volkes selbst.

 

Eine Partei des Protests, eine Partei der Macht

Unsere Ziele in den kommenden Monaten und Jahren müssen internationale Streik- und Aktionstage sein, koordinierte Unterstützung für einzelne Kämpfe. Wir müssen die Durchsetzung neoliberaler Verträge bekämpfen und die Freihandelsblöcke an der Vernichtung unserer Errungenschaften hindern. Für all das brauchen wir mehr als nur spontane Militanz.

Wir brauchen eine dauerhafte Organisation, welche die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf der Welt, die Kämpfe, die stattfinden, sowie die Erfahrungen aus diesen Arbeiterkämpfen für die ArbeiterInnen in jedem Staat vollständig sichtbar macht.

Wir brauchen dringend eine Organisation, die gegen den Nationalismus in all seinen Formen kämpft und einen Internationalismus der Arbeiterklasse verbreitet - ein weltweites sozialistisches Klassenbewusstsein der ArbeiterInnen.

Wir benötigen eine politische Organisation - eine Partei - die in den Gewerkschaften und allen Organisationen der ArbeiterInnenklasse und des Volkes arbeitet. Um unsere weltweiten Feinde ein für alle Male zu besiegen, brauchen wir eine Partei, die für ein internationales revolutionäres Aktionsprogramm kämpft - erarbeitet, um den Anforderungen einer von der Globalisierung dominierten Welt zu entsprechen. Eine solche Organisation muss die reformistische Bürokratie, die die Arbeitermassenbewegungen der Welt in engen Grenzen hält und kontrolliert, bekämpfen, schwächen und schließlich vertreiben.

Sie muss einen Weg des Kampfes anbieten, der nicht nur Widerstand leisten, sondern den globalen Kapitalismus besiegen und eine neue Welt schaffen kann. Sie muss eine revolutionäre, internationale, politische Partei sein. Sie muss gemeinsame Aktivität und Disziplin im Kampf mit vollständiger interner Demokratie vereinen. Sie muss eine Partei "neuen Typs" sein: grundlegend verschieden von den parlamentarischen reformistischen Parteien der Sozialdemokratie oder den monströsen Apparat-Tyranneien der Stalinisten.

Aber sie wird nichtsdestotrotz eine Partei sein, die um die Macht kämpft, jedoch dieses Mal für die Macht der Mehrheit, nicht für jene einer Elite.

Einerseits muss eine solche Partei in der Arbeiterklasse verankert sein, andererseits muss eine derartige Partei auch die AktivistInnen der antikapitalistischen Bewegung für ihre Reihen gewinnen, die radikalen StudentInnen, die armen Bauern und Bäuerinnen, die landlosen Armen in der "Dritten Welt".

Als RevolutionärInnen lehnen wir die Vorstellung ab, dass solche Parteien Schritt für Schritt auf ihrem eigenen nationalen Terrain, mit ihren eigenen einseitigen und spezifischen nationalen "Wegen" zum Sozialismus entstehen.

Damit würden sich die größten Fehler der reformistischen II. Internationale und auch der stalinistischen III. Internationale wiederholen - nämlich genau jene Merkmale, die zu ihrer Bürokratisierung geführt haben, zu ihrer Vereinnahmung durch die imperialistische Gesellschaft und zu ihrem Zusammenbruch.

Die Bedingungen des 21. Jahrhunderts ermöglichen es, Parteien gleichzeitig von unten (national) und oben (international) aufzubauen. Die anti-kapitalistische Bewegung ist ein ausgedehntes Netzwerk von verbundenen Kampagnen und aktiven Kräften. Die Breite und Verbindung ihrer "Ein-Punkt-Kämpfe" sollten begrüßt werden und nicht mit sektiererischem Widerwillen betrachtet werden. Im frühen Stadium ist ihre politische Heterogenität unvermeidlich. In dieser Bewegung darf es keinen Ausschluss einzelner Strömungen, ob anarchistisch oder sozialistisch, geben, keine Weigerungen, die Probleme zu debattieren, welche die Kämpfe, in denen wir aktiv sind, aufwerfen.

Aber die Konfusion und politische Zusammenhanglosigkeit der Bewegung sollten nicht gefeiert werden. Sie ist eine Schwäche, keine Stärke. Sie kann uns daran hindern, erfolgreich zu kämpfen, nicht nur in einzelnen Demonstrationen, sondern an vielen Fronten, wo wir gegen den globalen Kapitalismus kämpfen müssen.

Heute wachsen unsere Kämpfe wegen der Brutalität der Großkonzerne und der unbestrittenen Hegemonie der USA auf der Weltbühne schnell zusammen. Um dieses Zusammenwachsen weiter zu entwickeln, unsere gemeinsamen Ziele und Kämpfe zu vertiefen, stellt die Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale diese Vorschläge zur Diskussion.

Wir glauben nicht, alle Antworten zu haben, sind jedoch der festen Meinung, dass unsere Erfolgsaussichten um so größer sind, je mehr sich unsere Bewegung vereinigen und zu Aktionen für klar definierte Ziele zusammen schließen kann. Wie unser Name nahe legt, meinen wir, dass die globale antikapitalistische Bewegung, die heute unsere Herrschenden erschüttert, jetzt einen Schritt weiter gehen muss: zur Sammlung der Kräfte und Festlegung der Aktivitäten einer neuen Weltpartei der sozialen Revolution.